Haftung des Geschäftsführers für Umsatzsteuer

Der Geschäftsführer einer GmbH haftet für die Umsatzsteuerschulden, die vor Stellung des Antrags auf Insolvenz entstanden sind, auch persönlich. Nach § 69 S.1 AO gilt: „Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.“

Die Haftung beschränkt sich bei der Umsatzsteuer auf eine Quote. Für die Berechnung der Tilgungsquote werden die im gesamten Haftungszeitraum bestehenden Gesamtverbindlichkeiten den auf diese Verbindlichkeiten geleistete Zahlungen gegenübergestellt, ohne dass es auf die einzelnen Fälligkeits- und Zahlungszeiträume ankommt. Hieraus ergibt sich eine Tilgungsquote für den Gesamtzeitraum. Mit dieser Tilgungsquote haftet der Geschäftsführer persönlich für die Umsatzsteuer.

Der Geschäftsführer ist verpflichtet, bezogen auf den Haftungszeitraum, eine Tilgungsquote zu ermitteln. Diese Verpflichtung erstreckt sich nicht auf jede einzelne Zahlung. Vielmehr muss die Quote einmal errechnet werden und kann dann bei jeder Zahlung zugrunde gelegt werden. Lediglich wenn eine Änderung des Sachverhaltes, insbesondere der zur Verfügung stehenden Mittel, eintritt, ist die Quote neu zu ermitteln.

Der Geschäftsführer einer GmbH muss somit im Falle eines Liquiditätsengpasses sorgfältig überprüfen, wie viele liquide Mittel vorhanden sind und wie viele Verbindlichkeiten hiervon bedient werden müssen. Reichen die liquiden Mittel nicht aus, muss eine Quote gebildet werden und das Finanzamt, bezogen auf die Umsatzsteuer, in Höhe dieser Quote bedient werden.

Anderenfalls haftet der Geschäftsführer in Höhe dieser zu errechnenden Quote auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt persönlich.

In der Rechtsprechung liest sich dieser Grundsatz so (Urteil des BFH vom 27.02.2007 zum Az.: VII R 60/05):

„Nach ständiger Rechtsprechung des BFH beschränkt sich die Haftung nach § 69 Satz 1 AO dem Umfang nach auf den Betrag, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet worden ist. Die Höhe der Haftung ergibt sich daher unabhängig vom Grad des Verschuldens grundsätzlich allein aus der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den bei dem Fiskus eingetretenen Vermögensschaden. Danach ist die Haftung nach § 69 AO dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt ausreichende Mittel nicht zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das FA gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. Senatsurteil vom 1. August 2000 VII R 110/99, BFHE 192, 249, BStBl II 2001, 271, m.w.N.). Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (= Haftungssumme). Hierzu hat das FA unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder –soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann– im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO).“

BGH zur Haftung des Insolvenzverwalters

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Dezember 2005 – IX ZR 115/01

Leitsätze:
a) Der Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter persönlich wegen Verletzung konkursspezifischer Pflichten ist gegenüber einem Schadensersatzanspruch gegen die Masse nicht subsidiär.
b) Der Verwalter kann persönlich für die später nicht beitreibbaren Kosten eines Schadensersatzprozesses einzustehen haben, den ein Gläubiger wegen Nichterfüllung eines Aussonderungsrechtes gegen die Masse geführt hat.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 13. März 2001 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von weiteren 14.391,70 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Tatbestand:
Der Beklagte war Verwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der H. GmbH, die vom Kläger Stahlbleche zur Absicherung von Baugruben gemietet hatte. Am 26. Oktober 1995 wurde er als Konkursverwalter verurteilt, die gemieteten Stahlbleche an den Kläger herauszugeben sowie rückständigen Mietzins in Höhe von 51. 429, 73 DM zu zahlen (LG Hildesheim 10 O 138/94). Mit Anwaltsschreiben vom 22. Dezember 1995 setzte der Kläger ihm eine Frist zur Herausgabe des Stahls und kündigte an, nach Ablauf der Frist gemäß § 283 BGB a.F. Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Der Beklagte gab den Stahl nicht heraus. Am 26. November 1998 wurde er – ebenfalls in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter – zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 53.946,98 DM sowie weiteren Mietzinses in Höhe von 95.931,85 DM verurteilt (LG Hildesheim 25 O 179/97). Am 4. Dezember 1998 zeigte der Beklagte Masseunzulänglichkeit an.

Mit seiner am 17. Januar 2000 beim Landgericht eingegangenen Klage hat der Kläger den Beklagten persönlich auf Schadensersatz in Höhe von 149.778,83 DM nebst Zinsen wegen des nicht herausgegebenen Stahls und des nicht gezahlten Mietzinses in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage wegen des nicht herausgegebenen Stahls zur Zahlung von 53.946,98 DM nebst Zinsen verurteilt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger hat hilfsweise zum Anspruch auf Schadensersatz wegen des Mietzinses Erstattung der Kosten des Vorprozesses LG Hildesheim 25 O 179/97 in Höhe von 14.391,70 DM verlangt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es den Schadensersatzanspruch des Klägers hinsichtlich des Stahls wegen Mitverschuldens um die Hälfte gekürzt.

Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils sowie – entsprechend dem bisherigen Hilfsantrag – die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz der Prozesskosten. Der Beklagte, der unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben hat, beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat teilweise – nämlich hinsichtlich der Kosten des Vorprozesses LG Hildesheim 25 O 179/97 – Erfolg. Insoweit führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Weitergehende Ansprüche des Klägers sind verjährt.

I.
Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 82 KO für gegeben erachtet. Den Kläger treffe allerdings ein Mitverschulden von 50 %, weil er sich geweigert habe, dem Beklagten die Herausgabe des Stahls durch dessen Sichtung und Markierung zu ermöglichen, obgleich ihm dies ohne größeren Aufwand möglich und daher zumutbar gewesen sei. Die für Ansprüche aus § 82 KO analog geltende Verjährungsfrist des § 852 BGB a. F. sei bei Einreichung der Klage noch nicht abgelaufen gewesen. Kenntnis von Schaden und Schädiger habe der Kläger erst mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 4. Dezember 1998 erlangt. Bis dahin habe nur die Gefahr eines Schadenseintritts bestanden, weil an die Stelle des Herausgabeanspruchs der Zahlungsanspruch gegen die Masse getreten sei. Soweit der Kläger die Klage hilfsweise auf die nicht erstatteten Prozesskosten stütze, fehle es an einer Pflichtverletzung des Beklagten; denn dessen Rechtsverteidigung sei nicht aussichtslos gewesen, und der Kläger habe nicht vorgetragen, dass der Beklagte im Verlauf des Prozesses die Masseunzulänglichkeit habe erkennen können.

II.
Das angefochtene Urteil hat im Ergebnis Bestand, soweit der Anspruch auf Schadensersatz für den nicht herausgegebenen Stahl abgewiesen worden ist. Denn dieser Anspruch ist verjährt.

1. Grundlage des Anspruchs des Klägers ist § 82 KO. Nach dieser Vorschrift ist der Verwalter allen Beteiligten für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten verantwortlich. Der Kläger wirft dem Beklagten vor, die fraglichen Stahlträger und Stahlplatten bis zum Ablauf der Nachfrist nicht herausgegeben und damit sein Aussonderungsrecht (§ 43 KO) vereitelt zu haben.

a) Die Pflicht zur Erfüllung der Ansprüche aussonderungsberechtigter Gläubiger trifft den Verwalter als solchen (BGHZ 100, 346, 350; BGH, Urt. v. 5. März 1998 – IX ZR 265/97, ZIP 1998, 655, 658). Der Verwalter ist verpflichtet, Aussonderungsrechte zu beachten und an der Herausgabe der auszusondernden Gegenstände mitzuwirken (Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 60 Rn. 15). Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten haftet er aus § 82 KO (BGH, Urt. v. 5. März 1998, aaO).

b) Dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter zur Herausgabe des Stahls verpflichtet war, steht aufgrund des Urteils des Landgerichts Hildesheim vom 26. Oktober 1995 (10 O 138/94) rechtskräftig fest. Die Rechtskraft dieses Urteils erstreckt sich zwar nicht uneingeschränkt auf den Beklagten persönlich. Im Rahmen des Anspruchs aus § 82 KO kommt ihm jedoch Tatbestandswirkung zu. Der Beklagte war als Konkursverwalter verpflichtet, Leistungen zu erbringen, zu denen ein Gericht ihn rechtskräftig verurteilt hatte.

2. Die Verjährung eines Anspruchs aus § 82 KO richtet sich nach § 852 BGB a. F. in entsprechender Anwendung (BGHZ 93, 278, 280 f; 126, 138, 144; BGH, Urt. v. 24. Mai 2005 – IX ZR 114/01, WM 2005, 1421, 1422). Sie beträgt drei Jahre und beginnt mit der Kenntnis von Schaden und Schädiger, das heißt derjenigen Umstände, die eine Ersatzpflicht begründen. Maßgeblich ist die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, nicht deren zutreffende rechtliche Würdigung (BGHZ 138, 247, 252; BGH, Urt. v. 24. Mai 2005 – IX ZR 114/01, aaO).

3. Im vorliegenden Fall begann die Verjährung des Anspruchs aus § 82 KO wegen Nichtherausgabe der Stahlträger und Stahlplatten mit dem Ablauf der gemäß § 283 BGB a. F. gesetzten Nachfrist, also am 1. Februar 1996.

a) Am 1. Februar 1996 war die zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs gesetzte Frist ergebnislos verstrichen. Der Beklagte hatte die streitigen Stahlträger und Stahlplatten nicht herausgegeben. Rechtsfolge des fruchtlosen Ablaufs einer nach § 283 BGB a. F. gesetzten Frist ist das Erlöschen des Erfüllungsanspruchs des Gläubigers (§ 283 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB a. F.), hier also des Herausgabeanspruchs. Der Verlust des Herausgabeanspruchs stellt bereits einen Schaden im Rechtssinne dar, nicht, wie das Berufungsgericht meint, nur eine Vermögensgefährdung. Der Kläger hat eine Rechtsposition, die er bis zum Ablauf der Nachfrist innehatte, endgültig eingebüßt. Der Anspruch aus § 283 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB a. F. setzt voraus, dass ein Schaden entstanden ist, der nunmehr ausgeglichen werden muss; er kann nicht dazu führen, das Vorhandensein eines Schadens zu verneinen.

b) Der Schaden war damit auch im Sinne des § 82 KO eingetreten, nicht nur im Rahmen des § 283 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.

aa) Entgegen der Ansicht des Klägers war eine gesonderte Fristsetzung gegenüber dem Beklagten persönlich nicht erforderlich. Der Beklagte war nur in seiner Eigenschaft als Verwalter zur Herausgabe des Stahls verpflichtet. Persönlich traf ihn keine entsprechende Verpflichtung. Er haftet (nur) auf Schadensersatz, wenn und soweit er ihm gegenüber den Verfahrensbeteiligten obliegende Verwalterpflichten nicht erfüllt und diesen dadurch Schaden zugefügt hat.

bb) Nach allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts wird ein Schadensersatzanspruch regelmäßig nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Geschädigte sich wegen des entstandenen Vermögensnachteils auch an einen Dritten halten kann (BGHZ 120, 261, 268; BGH, Urt. v. 24. Januar 1997 – V ZR 294/95, WM 1997, 1062, 1063; v. 26. Juni 1997 – IX ZR 233/96, NJW 1997, 2946, 2948; v. 19. Juli 2001 – IX ZR 62/00, WM 2001, 1605, 1607). Das folgt schon aus § 255 BGB. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der Geschädigte auch dann vollen Schadensersatz verlangen kann, wenn ihm zugleich ein Anspruch gegen einen Dritten zusteht. Haften die in Betracht kommenden Ersatzpflichtigen als Gesamtschuldner, kann der Gläubiger gemäß § 421 BGB nach seinem Belieben die Leistung ganz oder zu einem Teil von jedem der Schuldner fordern, ohne dass diese auf den jeweils anderen verweisen könnten.

c) Der Kläger war schließlich auch nicht aus Rechtsgründen verpflichtet, zunächst den Anspruch gegen die Masse durchzusetzen oder dies zumindest zu versuchen. Der Anspruch aus § 82 KO gegen den Verwalter persönlich steht gleichrangig neben einem Anspruch aus anderem Rechtsgrund gegen die Masse (RGZ 144, 179, 182; BGH, Urt. v. 3. Juni 1958 – VIII ZR 326/56, LM § 82 KO Nr. 1; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 82 KO Anm. 1d; Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse, S. 138 f; Lüke, Die persönliche Haftung des Konkursverwalters, S. 192 ff., K. Schmidt, KTS 1976, 191, 206; vgl. auch MünchKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rn. 112; Braun, InsO 2. Aufl. § 60 Rn. 28; Smid, InsO 2. Aufl. § 60 Rn. 28; Nerlich/Römermann/Abeltshauser, InsO § 60 Rn. 52; aA Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 82 Rn. 2c, 14; Johlke WuB VI B § 82 KO 1. 88). Eine Primärhaftung der Masse, die Ansprüche gegen den Verwalter persönlich zunächst ausschließt, ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Sie folgt auch nicht (entgegen Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 82 Rn. 2c) aus einer entsprechenden Anwendung der Zurechnungsnorm des § 31 BGB, die es ermöglichen soll, die Masse für die Verletzung vertraglicher oder deliktischer Pflichten durch den Verwalter haften zu lassen. Haften sowohl der Verwalter persönlich als auch die Masse, folgt daraus kein Vorrang des einen oder des anderen Anspruchs. Vom 1. Februar 1996 an hätte der Kläger den Beklagten also sowohl persönlich als auch in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens in Anspruch nehmen können.

d) Der Kläger kannte alle tatsächlichen Umstände, die einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch gegen den Beklagten persönlich begründeten. Das gilt insbesondere für die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung und den fruchtlosen Ablauf der gesetzten Frist. Ob er wusste, dass neben dem Anspruch gegen die Masse ein Anspruch gegen den Beklagten persönlich bestand, der innerhalb von drei Jahren verjährte, ist für den Beginn der Verjährungsfrist nicht von Bedeutung. Bei Eingang der Klage am 17. Januar 2000 war die Frist des § 852 BGB von drei Jahren längst verstrichen; der Anspruch aus § 82 KO war verjährt.

III.
Nicht bestehen bleiben kann das Urteil, soweit es den hilfsweise geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Schadensersatz hinsichtlich der Kosten des Vorprozesses 25 O 179/97 aberkannt hat.

1. Grundlage dieses Anspruchs ist ebenfalls § 82 KO. Der Schadensersatzprozess gegen die Masse wurde deshalb erforderlich, weil der Beklagte als Konkursverwalter den titulierten Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Stahlträger und Stahlplatten nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

Dadurch, dass der Beklagte den nach § 283 BGB a. F. entstandenen Schadensersatzanspruch nicht unverzüglich erfüllt hat, sondern es auf einen weiteren Prozess gegen die Masse hat ankommen lassen, hat er erneut gegen konkursspezifische Pflichten gegenüber dem Kläger als Aussonderungsberechtigten verstoßen.

a) Grundsätzlich obliegen dem Konkursverwalter bei Führung eines Prozesses keine konkursspezifischen Pflichten gegenüber dem Prozessgegner.

Die Konkursordnung begründet keine Verpflichtung des Verwalters, vor der Erhebung einer Klage oder während des Prozesses die Interessen des Prozessgegners an einer eventuellen Erstattung seiner Kosten zu berücksichtigen (BGHZ 148, 175, 179; BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004 – IX ZR 142/03, WM 2005, 180, 181, z. V. b. in BGHZ 161, 236). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Verwalter nicht Kläger, sondern Beklagter eines Zivilprozesses ist.

b) Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber um den Anspruch eines Aussonderungsberechtigten, dessen Aussonderungsrecht der Beklagte durch die Nichterfüllung des Herausgabeanspruchs innerhalb der gemäß § 283 BGB a. F. gesetzten Nachfrist endgültig vereitelt hatte. Die konkursspezifischen Pflichten des Verwalters einem solchen Gläubiger gegenüber enden nicht mit dem Unmöglichwerden der Herausgabe, sondern setzen sich hinsichtlich etwaiger Sekundäransprüche – hier: des Anspruchs aus § 283 BGB a. F. – fort.

Andernfalls würde der Verwalter Vorteile aus seinem vorangegangenen pflichtwidrigen Verhalten ziehen. Ebenso, wie er das Recht eines aussonderungsberechtigten Gläubigers zu respektieren hat, hat er dessen berechtigte Schadensersatzansprüche zu erfüllen. Unterlässt er dies, haftet er ebenso aus § 82 KO, wie er für die Verletzung von Aussonderungsrechten einzustehen hätte. Diese Haftung kann auch die Kosten eines Prozesses umfassen, den der Gläubiger aufgrund eines in dieser Hinsicht pflichtwidrigen Verhaltens des Verwalters führen muss und die er wegen der später eingetretenen Unzulänglichkeit der Masse nicht erstattet erhält.

2. Dieser Schadensersatzanspruch unterliegt einer eigenen Verjährung.

a) Hat eine einzige, in sich abgeschlossene Verletzungshandlung mehrere Schadensfolgen ausgelöst, beginnt nach dem Grundsatz der Schadenseinheit (BGHZ 33, 112, 116; 67, 372, 373; BGH, Urt. v. 3. Juni 1997 – VI ZR 71/96, BGHR § 852 Abs. 1 Folgeschäden 1; Urt. v. 24. Mai 2005 – IX ZR 114/01, WM 2005, 1421, 1422) die Verjährungsfrist bereits, sobald irgendein (Teil-) Schaden entstanden ist. Das gilt auch für nachträglich auftretende, zunächst also nur drohende Folgen, die überhaupt als möglich vorhersehbar sind. Haben sich hingegen mehrere selbstständige Handlungen des Schädigers ausgewirkt, so beginnt die Verjährungsfrist regelmäßig mit den jeweils dadurch verursachten Schäden gesondert zu laufen (BGHZ 71, 86, 94; BGH, Urt. v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648, 650; v. 12. Februar 1998 – IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 788; v. 14. Juli 2005 – IX ZR 284/01, WM 2005, 2106, 2107).

b) Die Pflicht, berechtigte Schadensersatzansprüche eines zuvor aussonderungsberechtigten Gläubigers zu erfüllen, schließt an die Pflicht zur Wahrung des Aussonderungsrechts an. Sie umfasst in der Regel jedoch die erneute Prüfung des Rechts des Gläubigers und des Schadensumfangs. Fehler führen zu neuen, selbstständigen Schadensersatzansprüchen, die selbstständig verjähren.

c) Der durch die Nichterfüllung des Schadensersatzanspruchs verursachte Kostenschaden ist mit Zustellung der am 21. Oktober 1997 bei Gericht eingegangen Klage im Verfahren LG Hildesheim 25 O 179/97 eingetreten. Ein Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten entsteht – aufschiebend bedingt – bereits mit der Zustellung der Klage (BGH, Urt. v. 6. Dezember 1974 – V ZR 86/73, WM 1975, 97, 98; v. 5. Juli 1988 – IX ZR 7/88, ZIP 1988, 1068; v. 25. Mai 1992 – V ZR 108/91, NJW 1992, 2575; Beschl. v. 17. März 2005 – IX ZB 247/03, ZIP 2005, 817, 818). Frühestens damit begann auch die Verjährungsfrist. Diese Frist ist rechtzeitig vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist des § 852 BGB a. F. unterbrochen worden (§ 209 Abs. 1 BGB a. F.). Der Kläger hat die Klage erstmals im Schriftsatz vom 27. Juni 2000 auch auf die Kosten des Vorprozesses gestützt.

Dieser Schriftsatz, der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingegangen ist, ist – zu Recht – nicht förmlich zugestellt worden.

Rechtshängig wurde der Anspruch mit Zustellung der Berufungsbegründung am 4. Oktober 2000, die am 29. September 2000 – damit rechtzeitig – bei Gericht eingegangen ist.

IV.
1. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz des Wertes des nicht herausgegebenen Stahls sind weitergehende Feststellungen nicht erforderlich (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a. F.). Es bleibt bei dem klagabweisenden Urteil des Berufungsgerichts.

2. Ob die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erstattung der anteiligen Kosten des Vorprozesses erfüllt sind, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem bisherigen Vorbringen der Parteien nicht entnehmen.

Der Beklagte war auch im Hinblick auf die übrigen Verfahrensbeteiligten nur verpflichtet, berechtigte Ansprüche des Klägers zu erfüllen, die aus der unterlassenen Herausgabe des im Eigentum des Klägers stehenden Stahls entstanden waren. Ob und in welcher Höhe der Kläger den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert hatte, bevor er die Klage einreichte, ergibt sich aus den Akten nicht. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das – nachdem es den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben hat – die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben wird (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a. F.).

3. Für die weitere Verhandlung der Sache weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:

a) Der Anspruch wird gegebenenfalls nicht die gesamten Kosten des Vorprozesses LG Hildesheim 25 O 179/97 umfassen, sondern nur denjenigen Teil, der auf den Anspruch auf Schadensersatz für den nicht herausgegebenen Stahl entfällt. Der Kläger hatte in jenem Prozess nicht nur Schadensersatz verlangt, sondern auch weiteren Mietzins. Insoweit gelten jedoch die allgemeinen Grundsätze. Den Verwalter treffen keine konkursspezifischen Pflichten hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs des Prozessgegners (vgl. BGHZ 148, 175, 179; BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004, aaO).

b) Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers wird nicht wegen eines Mitverschuldens (§ 254 BGB a. F.) zu kürzen sein.

aa) Die Vorschrift des § 254 BGB enthält eine Ausprägung des in § 242 BGB festgelegten Grundsatzes von Treu und Glauben. Sie beruht auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss, weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, dass jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert (BGHZ 135, 235, 240; BGH, Urt. v. 22. September 1981 – VI ZR 144/79, NJW 1982, 168).

bb) Die Identifizierung des Stahls wäre für den Kläger mit beträchtlichem Aufwand verbunden gewesen. Der Stahl befand sich weder an der früheren Baustelle in Bremerhaven noch auf dem Betriebsgelände der Gemeinschuldnerin, sondern bei der He. GmbH in Lehrte; der Kläger betreibt seinen Stahlhandel jedoch in Dortmund. Vor allem aber lässt sich weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Vorbringen des Beklagten entnehmen, dass die Mitwirkung des Klägers unbedingt erforderlich war. Die Stahlträger und Bleche sind zwar im Prozess des Beklagten gegen die He. GmbH einerseits, im Prozess des Klägers gegen den Beklagten andererseits unterschiedlich beschrieben worden; auch die jeweils angegebenen Maße stimmen nicht überein.

Der Geschäftsführer He. der He. GmbH, welche die Stahlträger ausgebaut hat, war jedoch zugleich der frühere Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, welche die Stahlträger zuvor eingebaut hatte. Der Gemeinschuldner ist grundsätzlich verpflichtet, an der Verwaltung und Verwertung des zur Masse gehörenden Vermögens mitzuwirken (Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 117 Rn. 13a ff). Die Erfüllung dieser Pflicht hätte der Beklagte erforderlichenfalls gemäß § 101 Abs. 2 KO erzwingen können. Seinem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass er – nachdem er den Titel gegen die He. GmbH erwirkt hatte – überhaupt irgendetwas unternommen hat, um die He. GmbH zur Herausgabe des Stahls zu veranlassen.

cc) Die Vorschrift des § 254 Abs. 1 BGB a. F. setzt überdies voraus, dass sich das Verschulden des Geschädigten bei der Entstehung des Schadens ausgewirkt hat. Ein Unterlassen ist dann für einen Erfolg kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte (BGH, Urt. v. 17. Oktober 2002 – IX ZR 3/01, WM 2002, 2325, 2326). Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 254 BGB – damit auch für die Kausalität des beanstandeten Verhaltens des Geschädigten für den eingetretenen Schaden – ist der Schädiger (BGH, Urt. v. 29. September 1998 – VI ZR 296/97, NJW 1998, 3706, 3707). Jeglicher Vortrag des Beklagten dazu fehlt.

Drohung mit einem Insolvenzantrag führt zur Anfechtbarkeit der erhaltenen Zahlung

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Anmerkungen zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2013 (Az. IX ZR 216/12)

Hat ein Gläubiger eine Leistung erhalten, nachdem er einen Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners gestellt oder damit gedroht hat, stellt diese Leistung nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 18.12.2003, Az. IX ZR 199/02) eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 InsO dar. § 131 setzt voraus, dass der Gläubiger eine Leistung erhält, die er „nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte“. Ursprünglich heißt das, dass der Gläubiger beispielsweise sein Geld vor der Fälligkeit erhält oder anstatt des geschuldeten Geldes Waren o.ä. In jedem Fall erhält der Glaeubiger etwas anderes als das, was geschuldet wurde und deswegen ist die Leistung („Deckung“) inkongruent. Die Einordnung einer Zahlung unter der Drohung des Insolvenzantrages als inkongruente Deckung iSd § 131 InsO überrascht, weil der Gläubiger ja genau das erhält, was der Schuldner ihm schuldet.

Wie kommt der BGH nun zu dieser systemwidrigen Interpretation des Begriffes „inkongruente Deckung“. Der BGH führt aus (Urteil vom 18.12.2003, Az. IX ZR 199/02):

„Ein frühzeitig gestellter Insolvenzantrag entspricht den gesetzlichen Zielen der Gläubigergleichbehandlung und einer eventuellen Sanierung des Schuldners. Daher ist die Ankündigung als solche rechtlich nicht zu beanstanden. Daraus folgt jedoch nicht, daß auf einen Insolvenzantrag hin geleistete Zahlungen als kongruente Deckungen anzusehen sind. … Den mit einem frühzeitigen Insolvenzantrag verfolgten Zielen läuft es zuwider, den Antrag zur Durchsetzung von Ansprüchen eines einzelnen Gläubigers zu benutzen. Wer den Insolvenzantrag dazu mißbraucht, erhält eine Leistung, die ihm nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung auf diesem Wege nicht zukommen soll. Die so erlangte Deckung ist deshalb inkongruent.“

Zu den gewöhnlichen Kategorien der Inkongruenz (andere Leistung als geschuldet) kommt jetzt die zwar kongruent aber nicht auf richtigen Weg erbrachte Leistung.

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2013 (Az. IX ZR 216/12) lag nun ein Fall zur Entscheidung vor, in dem der BGH die Grenze zwischen einer unbedenklichen Mahnung und einer die Inkongruenz begründenden Drohung mit einem Insolvenzantrag bestimmen konnte. Der vom Insolvenzverwalter verklagte Gläubiger ließ seinen gegen den Schuldner gerichteten Zahlungsanspruch durch einen Rechtsanwalt unter Fristsetzung anmahnen. Unglücklicherweise fügte der Rechtsanwalt folgende Formulierung an:

„Sollten Sie diese Frist verstreichen lassen, bin ich beauftragt, alle erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, um die Forderung meines Mandanten durchzusetzen, d. h., wir werden ohne weitere Mahnung Klage erheben. Mein Mandant kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass … (die Schuldnerin) nicht in der Lage ist, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (wofür in der Tat einiges spricht). Sollte sich dieser Verdacht erhärten und wir keinen Zahlungseingang innerhalb der vorgegebenen Frist verzeichnen können, so behalten wir uns ausdrücklich vor, Insolvenzantrag zu stellen.“

Diese Textfassung enthaelt verschiedene Reaktionsmoeglichkkeiten, Klage und Insolvenzantrag. Der Insolvenzantrag ist nicht an erster Stelle genannt und auch nur vorbehalten. Ausserdem verhielt es sich offenbar so, dass auch andere Glaeubiger von der Schuldnerin bedient wurden, unabhaengig davon, ob diese anwaltlich vertreten waren, mit einem Insolvenzantrag drohten oder nicht, so dass kaum darauf geschlossen werden konnte, dass der Vorbehalt der Insolvenzantragstellung fuer die Zahlung ursaechlich gewesen ist.

Hierzu stellte der BGH fest, die erhaltene Zahlung sei nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Wer den Insolvenzantrag zur Durchsetzung von Ansprüchen eines einzelnen Gläubigers missbrauche, erhalte eine Leistung, die ihm nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung auf diesem Weg nicht zustehe. Die Leistung sei auch außerhalb des Dreimonatszeitraums der Deckungsanfechtung inkongruent.

Hinsichtlich der Formulierung sei es ausreichend, wenn der Schuldner zur Zeit der Leistung aus seiner – ebenfalls objektivierten – Sicht ernsthaft damit rechnen muss, der Gläubiger werde nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist Insolvenzantrag stellen. Hierfür genügt eine Formulierung, die dies zwar nicht ausdrücklich androht, ein derart geplantes Vorgehen aber „zwischen den Zeilen“ deutlich werden lässt.

Zur fehlenden Ursaechlichkeit des Vorbehalts der Insolvenzantragstellung fuehrt der BGH im wesentlichen aus: „Ob der von dem Beklagtenvertreter durch die „zwischen den Zeilen“ angekündigte Insolvenzantragstellung ausgeübte Druck bei der Schuldnerin im Einzelfall konkret den Entschluss hervorrief, die Leistung zu bewirken, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Es genügt, dass die Androhung objektiv hierzu geeignet war.“

Damit hat der BGH die Haftung ohne Ursachenzusammenhang etabliert – aehnlich der abstrakt gefaehrlichen Straftaten. Die Haftung entsteht bereits durch Verstoss gegen das vom BGH gesetzte Verhaltensgebot („Behalte keinen Insolvenzantrag vor“) ohne dass der Schaden dadurch verursacht worden sein muss.

Bundesgerichtshof entscheidet Fall, in der die Bank ihre Darlehensforderung sowohl mit einer Sicherheit am Gesellschaftsvermögen (z.B. Grundschuld am Grundstück) als auch mit einer Sicherheit am Vermögen eines Gesellschafters (z.B. Bürgschaft) gesichert hat. Verwertet der Insolvenzverwalter die Sicherheit der Bank und kehrt den Erlös an die Bank aus, ist der Gesellschafter zur Erstattung des an die Bank ausgekehrten Betrages zur Insolvenzmasse verpflichtet.

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring für Recht erkannt:

Zum Sachverhalt:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Februar 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH (fortan: Schuldnerin). Der Beklagte ist seit 1994/95 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Zur Sicherung von Krediten, welche die S. (fortan: S.) der Schuldnerin gewährte, bestellte er an in seinem Alleineigentum stehenden Grundstücken Grundschulden im Nennwert von insgesamt 977. 389 €. Die Kredite waren außerdem durch Sicherungseigentum an Fahrzeugen der Schuldnerin gesichert. Der Kläger verwertete die Fahrzeuge und zahlte an die S. einen Betrag von 42. 189, 53 € (Verwertungserlös abzüglich Verwertungspauschalen und Umsatzsteuer).

Der Kläger hat zunächst Zahlung der Stammeinlage von 25. 564, 59 € (50. 000 DM) verlangt. Der Beklagte hat einen Betrag von 1. 278, 23 € anerkannt, insoweit ist Anerkenntnisurteil ergangen. Der Kläger hat den Anspruch auf Zahlung der Einlage sodann nur noch in Höhe von weiteren 1. 278, 23 € weiterverfolgt und desweiteren wegen des an die S. ausgekehrten Verwertungserlöses Zahlung von 42. 189, 53 € verlangt, weil die vom Beklagten persönlich gestellte Sicherheit in dieser Höhe freigeworden sei. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung wegen der noch streitigen Einlageforderung in Höhe von 1. 278, 23 € aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung von (weiteren) 42. 189, 53 € weiter.

Begründung des Gerichts:

Der Bundesgerichtshof stellt fest, der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Erstattung des ausgekehrten Erlöses folge aus § 143 Abs. 3 S. 1 InsO analog. Im einzelnen führt er aus:

1. Das Gesetz regelt nicht, wie in der Insolvenz einer GmbH die Verwertung der von ihr gestellten Sicherheiten gegenüber einem Gesellschafter wirkt, der für das gesicherte Darlehen eigene Sicherheiten erbracht hat. Folgerichtig gibt es auch keine Vorschriften dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen die Masse von einem Gesellschafter Erstattung verlangen kann, dessen Sicherheit hierdurch freigeworden ist. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO hat das Berufungsgericht zutreffend verneint.

a) Nach § 135 Abs. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte. Der Gesellschafter hat dann die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten (§ 143 Abs. 3 Satz 1 InsO). Anfechtbar sind nach der allgemeinen Vorschrift des § 129 Abs. 1 InsO, die auch für den Anfechtungstatbestand des § 135 InsO gilt, jedoch nur solche Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. „Rechtshandlung“ im Sinne von § 135 Abs. 2 InsO ist die Befreiung des Gesellschafters, welcher die Sicherheit gestellt hatte (K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1969; Mitlehner, EWiR 2011, 195, 196; vgl. auch Altmeppen, ZIP 2011, 741, 747). Diese fand im vorliegenden Fall nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt. Sie erfolgte durch Auskehrung des für die sicherungsübereigneten Fahrzeuge erzielten Erlöses an die S.

b) Die Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO kann – entgegen der vom Kläger in den Vorinstanzen vertretenen Ansicht – nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie Rechtshandlungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasst. § 135 Abs. 2 InsO verweist zwar auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wo es heißt, dass die anzufechtende Rechtshandlung „im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag“ vorgenommen worden war. Für sich genommen, erfasst diese Formulierung auch Handlungen, die erst nach der Eröffnung stattgefunden haben. Handlungen „nach dem Eröffnungsantrag“ kommen in zahlreichen anfechtungsrechtlichen Vorschriften vor (vgl. etwa § 130 Abs. 1 Nr. 2, § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 132 Abs. 1 Nr. 2, § 133 Abs. 1 InsO). Gemeinsame Voraussetzung aller dieser Anfechtungstatbestände und damit auch des § 135 Abs. 2 InsO ist gemäß § 129 Abs. 1 InsO vorbehaltlich der in § 147 InsO geregelten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen eine Rechtshandlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Vorschrift des § 135 Abs. 3 InsO, die für die Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt, enthält keinen Anfechtungstatbestand.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Regelung des vorliegenden Problems abgesehen hat. …

4. Die aufgezeigte Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO zu füllen.

a) Eine Einschränkung des Wahlrechts des doppelt gesicherten Gläubigers entsprechend § 44a InsO kommt nach geltendem Recht nicht in Betracht.

aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 32a Abs. 2 GmbHG aF, der Vorgängervorschrift des § 44a InsO, unterlag es der freien Entscheidung des Drittgläubigers, die Gesellschafts- oder die Gesellschaftersicherheit in Anspruch zu nehmen (grundlegend BGH, Urteil vom 19. November 1984 – II ZR 84/84, ZIP 1985, 158; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Oktober 1985 – II ZR 280/84, ZIP 1986, 30, 31; vom 9. Dezember 1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 108; vgl. auch den Fall BGH, Urteil vom 20. Juli 2009 – II ZR 36/08, ZIP 2009, 1806 Rn. 15 f). Begründet wurde dieses Ergebnis wie folgt: Der Gesellschafter solle mit der (kapitalersetzenden) Sicherheit zur Haftung für die Gesellschaftsschulden herangezogen werden. Daraus folge aber nur, dass der sicherungsgebende Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 32a Abs. 2 GmbHG aF nicht von jeglicher Verpflichtung freiwerden könne, nachdem der Darlehensgeber von der Gesellschaft Befriedigung erlangt habe, sondern dass er in diesem Falle einem Erstattungsanspruch der Gesellschaft ausgesetzt sei. Außerdem stehe der Drittgläubiger außerhalb des Verhältnisses zwischen der Gesellschaft und dem sicherungsgebenden Gesellschafter. Wenn er vorrangig die Gesellschaftersicherung in Anspruch nehmen und das damit verbundene Kosten- und Ausfallrisiko tragen müsse, obwohl er aus der Gesellschaftssicherung Befriedigung erlangen könnte, stelle dies einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung dar, die nicht ohne eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers vorgenommen werden könne (BGH, Urteil vom 19. November 1984, aaO S. 159).

bb) Diese Gründe haben nach dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 und des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen am 1. November 2008 weiterhin Bestand.

(1) Die Insolvenzordnung hat die Rechte des absonderungsberechtigten Gläubigers eingeschränkt. Insbesondere kennt sie keine § 4 Abs. 2 KO entsprechende Bestimmung, nach welcher die abgesonderte Befriedigung unabhängig vom Konkursverfahren erfolgte. Die Verwertung beweglicher Gegenstände (Sachen und Forderungen), an denen ein Absonderungsrecht besteht, obliegt nunmehr überwiegend dem Insolvenzverwalter (vgl. § 166 Abs. 1 und 2 InsO), der auch die Verwertung eines mit Absonderungsrechten belasteten unbeweglichen Gegenstandes betreiben kann (§ 165 InsO). Auf der anderen Seite verlöre der Gläubiger durch die Anordnung eines Vorrangs der Gesellschaftersicherheit seine am Vermögen der Gesellschaft bestellte Sicherheit nicht. Fiele er mit der Gesellschaftersicherheit aus, könnte er jene nach wie vor in Anspruch nehmen. In der Literatur wird die Einschränkung des Wahlrechts eines doppelt gesicherten Gläubigers deshalb als rein abwicklungstechnischer Beitrag dazu gesehen, dass der kreditähnliche Finanzierungsbeitrag der Gesellschaft auch wirklich zum Tragen kommt (K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1968; Gundlach/Frenzel/Strandmann, DZWiR 2010, 232, 235). Der Senat kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Die Annahme eines Vorrangs der Gesellschaftersicherheit vor der Gesellschaftssicherheit würde eine weitere Verschlechterung der Rechtsstellung des Absonderungsberechtigten bedeuten, für welche eine gesetzliche Grundlage fehlt (Art. 14 Abs. 1 GG).

(2) Das MoMiG sieht einen Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen den freigewordenen Gesellschafter nicht vor, schließt ihn aber auch nicht aus. Bis zum Inkrafttreten des MoMiG wurde der Ausgleichsanspruch der Masse gegen den befreiten Gesellschafter gesellschaftsrechtlich, nicht anfechtungsrechtlich begründet (grundlegend BGH, Urteil vom 13. Juli 1981 – II ZR 256/79, BGHZ 81, 252, 259 ff zum Rechtszustand vor Einführung der Novellenregeln durch die GmbH-Reform 1980). Der novellenrechtliche Erstattungsanspruch aus §§ 32b, 32a Abs. 2, 3 GmbHG aF stellte sachlich zwar einen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzenden Anfechtungstatbestand dar (BGH, Urteil vom 26. Januar 2009 – II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 Rn. 16 mwN). Von § 32b GmbHG aF wurden – jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm – jedoch nur Rückzahlungen binnen Jahresfrist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasst. Der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft konnte daneben jedoch aus den Rechtsprechungsregeln analog §§ 30, 31 GmbHG hergeleitet werden, soweit der Gesellschafter durch die Tilgung der Schuld aus gebundenem Vermögen der Gesellschaft von seiner (vorrangigen) Sicherungspflicht befreit wurde (BGH, Urteil vom 26. Januar 2009, aaO Rn. 10). Ein Rückgriff auf die Rechtsprechungsregeln ist, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, durch den Nichtanwendungsbefehl des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ausgeschlossen. Über die Auslegung der Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung ist damit jedoch nichts gesagt. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften wird von dem Nichtanwendungsbefehl nicht erfasst.

b) Durchgreifende Argumente gegen eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschrift des § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO gibt es nicht.

aa) Der Fall, dass ein doppelt gesicherter Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt und die Gesellschaftersicherheit hierdurch frei wird, ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich, wie gezeigt, um eine unbeabsichtigte Regelungslücke. Bei wertender Betrachtung besteht kein Unterschied zwischen der Rückzahlung eines gesellschaftergesicherten Darlehens innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO und derjenigen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

bb) Gegen eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschriften wird im Wesentlichen eingewandt, der Verzicht auf die Anfechtungsvoraussetzungen des § 129 InsO – die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung sowie die Gläubigerbenachteiligung, deren Vorliegen ebenfalls in Zweifel gezogen wird – stelle einen Systembruch dar, der nur als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden solle (Bork, aaO S. 147; ähnlich Altmeppen, aaO S. 746: „dogmatisch ohne Kontur“). Diese Bedenken teilt der Senat nicht. Es geht hier nicht um die Auslegung einer anfechtungsrechtlichen Vorschrift, sondern um deren entsprechende Anwendung. Die entsprechende Anwendung einer Norm kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Norm erfüllt sind. § 143 Abs. 3 InsO stellt insofern einen Sonderfall im System des Insolvenzanfechtungsrechts dar, als der Anspruch sich nicht gegen den Empfänger der Leistung – der Darlehensrückzahlung – richtet, sondern gegen einen Dritten, nämlich den Gesellschafter, der hierdurch nur mittelbar – durch Freiwerden der von ihm gestellten Sicherheit – begünstigt worden ist. Die Anfechtung von Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist dem Gesetz nicht völlig fremd, wie insbesondere die Vorschrift des § 147 InsO zeigt (vgl. HK-InsO/Kreft, aaO § 147 Rn. 9).

Diese Vorschrift regelt die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen vor allem des Insolvenzschuldners, die aufgrund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, des Schiffsregisters und der Luftfahrzeugrolle wirksam sind. Sie zeigt, dass § 129 Abs. 1 InsO mit dem Bezug auf Rechtshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine für das Anfechtungsrecht schlechthin unentbehrliche Voraussetzung bezeichnet, die jede Durchbrechung ausschließt. Der hier zu entscheidende Fall der Verwertung einer von der Insolvenzschuldnerin gestellten Sicherheit steht § 147 InsO insofern nahe, als der Insolvenzverwalter ausgehend von der Annahme, dass der Gläubiger frei entscheiden kann, ob er zuerst die Gesellschafts- oder zuerst die Gesellschaftersicherheit verwertet (s. o. unter a) – den Zugriff des Gläubigers auf die Sicherheit der Masse nicht abwenden kann. Ausgangspunkt ist also jeweils eine masseschmälernde Verfügung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die vom Insolvenzverwalter trotz dessen umfassender Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) nicht verhindert werden kann. Dies rechtfertigt in beiden Fällen eine Abweichung von der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO, die davon ausgeht, dass der Verwalter von der Eröffnung an Gläubigerbenachteiligungen verhindert. Die Frage der Gläubigerbenachteiligung stellt sich in allen Fällen der doppelten Besicherung der Darlehensforderung, mag die Forderung vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Mitteln der Gesellschaft befriedigt worden sein. Der gesetzlich geregelte Fall (§ 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 InsO) lässt ausreichen, dass Mittel der Gesellschaft aufgewandt wurden und dass die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit hierdurch freigeworden ist. Nichts anderes gilt in dem hier zu entscheidenden Fall der Befriedigung des Gläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.