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Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters und Vollstreckungsverbot

Das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO gilt für Zwangsvollstreckungen in die Insolvenzmasse und in das sonstige Vermögen des Schuldners. Nachdem der Insolvenzverwalter einen Vermögensgegenstand freigegeben hat, ist dieser aus der Insolvenzmasse ausgeschieden und in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners zurückgelangt. Es ist damit Teil des sonstigen Vermögens des Schuldners im Sinne von § 89 Abs. 1 InsO.

Die Systematik der §§ 35 bis 37 InsO rechtfertigt keine andere Beurteilung. Diese Bestimmungen regeln, was zur Insolvenzmasse gehört. Sie beschreiben nicht abschließend, was – da nicht zur Insolvenzmasse gehörend – das sonstige Vermögen des Schuldners bildet. Als auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezogene Regelung sagen sie nichts über die Zuordnung von Gegenständen aus, die wie im Falle der Freigabe zu einem späteren Zeitpunkt aus der Insolvenzmasse ausscheiden.

Auch die Entstehungsgeschichte des § 89 Abs. 1 InsO spricht nicht gegen eine Zuordnung freigegebener Gegenstände zum sonstigen Vermögen des Schuldners. Vorläufer von § 89 Abs. 1 InsO war § 14 Abs. 1 KO. Das bereits in dieser Norm enthaltene Verbot der Zwangsvollstreckung einzelner Konkursgläubiger auch in das nicht zur Konkursmasse gehörige, sonstige Vermögen des Schuldners sollte es dem Schuldner ermöglichen, bereits während des Konkursverfahrens eine neue wirtschaftliche Existenz zu begründen. Diesem Gesichtspunkt kommt unter der Geltung der Insolvenzordnung, die anders als die Konkursordnung (§ 1 Abs. 1 KO) auch den Neuerwerb der Insolvenzmasse zuordnet (§ 35 Abs. 1 InsO), nur noch eine geringere Bedeutung zu. In Kenntnis dieses Umstands hat der Gesetzgeber das sonstige Vermögen des Schuldners auch in § 89 Abs. 1 InsO für die Dauer des Insolvenzverfahrens dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen. Das geringere Gewicht des Zwecks, dem Schuldner durch den Schutz des sonstigen Vermögens einen Neuanfang zu ermöglichen, ist angesichts dieses gesetzgeberischen Willens kein Argument dafür, freigegebene Gegenstände vom Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO auszunehmen.

Es ist daher in Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellige Meinung, dass das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO auch für vom Insolvenzverwalter (oder Treuhänder) aus der Insolvenzmasse freigegebene Gegenstände gilt, weil sie zum sonstigen Vermögen des Schuldners gehören.

Hierzu die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Beschluss vom 12. Februar 2009, IX ZB 112/06:

(Gründe)

I.

Die Beteiligte zu 2 ist Miteigentümerin eines Grundstücks in Ilshofen, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung und einem Tiefgaragenstellplatz. Über ihr Vermögen wurde am 8. März 2005 das (Verbraucher-) Insolvenzverfahren eröffnet. Der im Insolvenzverfahren ernannte Treuhänder erklärte mit Schreiben vom 11. Juli 2005 gegenüber der Beteiligten zu 2 die Freigabe der Wohnungseigentumsrechte aus der Insolvenzmasse. Die Beteiligte zu 1 ist Verwalterin der Eigentümergemeinschaft. Sie beantragte am 17. Oktober 2005 wegen titulierter Hausgeldrückstände aus dem Jahr 2004 die Anordnung der Zwangsverwaltung über das Wohnungseigentum der Beteiligten zu 2. Der Antrag blieb beim Amtsgericht – Vollstreckungsgericht – und beim Beschwerdegericht ohne Erfolg. Beide Gerichte stellten sich auf den Standpunkt, dass die Zwangsvollstreckung nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässig sei. Ein Recht auf abgesonderte Befriedigung lehnte das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in Rpfleger 2006, 430 veröffentlicht ist, ab. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihr Begehren weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Mit Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass der Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässig ist. Nach dieser Norm sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.

1. Die von der Antragstellerin vertretene Wohnungseigentümergemeinschaft ist als Insolvenzgläubigerin (§ 38 InsO) vom Vollstreckungsverbot des § 89 InsO betroffen. Mit ihrem Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung betreibt sie die Vollstreckung eines vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen und titulierten persönlichen Anspruchs. Sie wäre nur dann nicht als Insolvenzgläubigerin zu behandeln, wenn mit dem Antrag ein Absonderungsrecht verwertet werden sollte (MünchKomm-InsO/Breuer, 2. Aufl. § 89 Rn. 21; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 89 Rn. 11; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl. § 89 Rn. 7). So liegt der Fall jedoch nicht. Ein Absonderungsrecht bestand zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf die vollstreckten Forderungen nicht.

a) Die Antragstellerin betreibt die Vollstreckung in unbewegliches Vermögen der Schuldnerin. Gemäß § 49 InsO sind Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus unbeweglichen Gegenständen zusteht, zur abgesonderten Befriedigung nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung berechtigt. Was ein Recht zur Befriedigung aus dem Grundstück gewährt, ist den §§ 10 ff, 155 ZVG zu entnehmen (MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 49 Rn. 3). Danach kommen zunächst dingliche Rechte an einem Grundstück im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG in Betracht. Hierzu gehören die Grundpfandrechte und Reallasten (§§ 1105111311911199 BGB). Kraft ihres gesetzlichen Inhalts verschaffen diese dinglichen Rechte ihrem Inhaber im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Absonderungsrecht, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Inhaberin eines derartigen dinglichen Rechts ist die Eigentümergemeinschaft nicht.

b) Dem Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung liegen vielmehr rückständige, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordene Hausgeldansprüche (§ 16 Abs. 2, § 28 Abs. 2 und 5 WEG) zugrunde. Dies sind persönliche Forderungen. Auch solche können zu einem Recht auf Befriedigung aus einem Grundstück führen (§ 155 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG), jedoch erst ab dem Zeitpunkt, zu dem das Grundstück zugunsten des Gläubigers im Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahren beschlagnahmt wird. Die Tatsache allein, dass ein persönlicher Gläubiger mit seinem Anspruch in die Rangklasse 5 des § 10 Abs. 1 ZVG eingeordnet ist, verschafft ihm noch kein Befriedigungsrecht aus dem Grundstück (MünchKomm-InsO/ Ganter, aaO Rn. 76; Smid/Depre, InsO 2. Aufl. § 49 Rn. 17). Ein Absonderungsrecht nach § 49 InsO besteht nur, wenn das Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits entstanden war. Persönliche Gläubiger müssen daher bis zu diesem Zeitpunkt die Beschlagnahme des Grundstücks bewirkt haben, indem sie die Anordnung der Zwangsversteigerung bzw. Zwangsverwaltung selbst erwirkt haben (§§ 20146 Abs. 1 ZVG) oder einem laufenden Verfahren beigetreten sind (§§ 27151 Abs. 2 ZVG; vgl. MünchKomm-InsO/Ganter, aaO). Daran fehlt es hier.

c) Ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück kann schließlich auch in den Fällen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZVG bestehen (MünchKomm-InsO/Ganter, aaO Rn. 47 ff; Depre aaO Rn. 16: Absonderungsrecht aufgrund besonderer gesetzlicher Anordnung; vgl. auch Prütting in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 49 Rn. 14; FK-InsO/Imberger, 5. Aufl. § 49 Rn. 28-31). Ansprüche der Eigentümergemeinschaft auf Hausgeld fielen nach der bis zum 30. Juni 2007 geltenden Rechtslage jedoch nicht in diese Rangklassen. Erst seit der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG durch Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 370) sind Ansprüche auf Hausgeld nach § 16 Abs. 2, § 28 Abs. 2 und 5 WEG bei der Vollstreckung in ein Wohneigentum nicht mehr der fünften, sondern der zweiten Rangklasse zugewiesen. Damit besteht für solche Ansprüche nunmehr ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück, das im Insolvenzverfahren im Wege der abgesonderten Befriedigung verfolgt werden kann, ohne dass eine Beschlagnahme des Wohnungseigentums vor Insolvenzeröffnung vorausgesetzt wäre (Hintzen/Alff ZInsO 2008, 480, 483 f). Die neue Rechtslage gilt jedoch nur für Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren, die ab Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 2007 anhängig werden (§ 62 Abs. 1 WEG). Rückstände von Ansprüchen der zweiten Rangklasse können nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG in gewissem Umfang (aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten zwei Jahren davor) in einem Zwangsversteigerungsverfahren, gemäß § 155 Abs. 2 Satz 2 ZVG aber nicht im Zwangsverwaltungsverfahren geltend gemacht werden. Ein Recht zur Befriedigung aus dem Grundstück im Wege der Zwangsverwaltung besteht daher auch nach neuem Recht für die von der Antragstellerin verfolgten Hausgeldrückstände nicht.

2. Das Wohnungseigentum der Beteiligten zu 2 fällt unter das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO. Das Verbot gilt für Zwangsvollstreckungen in die Insolvenzmasse und in das sonstige Vermögen des Schuldners. Nachdem der Treuhänder das Wohnungseigentum der Beteiligten zu 2 freigegeben hat, ist es aus der Insolvenzmasse ausgeschieden und in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Schuldnerin zurückgelangt (vgl. zur Freigabe BGHZ 35, 180, 181; 148, 252, 258 f; 163, 32, 34 f; Pape ZInsO 2008, 465, 470 f). Es ist damit entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde Teil des sonstigen Vermögens der Schuldnerin im Sinne von § 89 Abs. 1 InsO.

a) Der Wortlaut der Norm schränkt den Begriff des sonstigen Vermögens nicht ein. Freigegebene Gegenstände im Eigentum des Schuldners gehören begrifflich zweifelsfrei zu seinem sonstigen Vermögen.

b) Die Systematik der §§ 35 bis 37 InsO rechtfertigt keine andere Beurteilung. Diese Bestimmungen regeln, was zur Insolvenzmasse gehört. Sie beschreiben nicht abschließend, was – da nicht zur Insolvenzmasse gehörend – das sonstige Vermögen des Schuldners bildet. Als auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bezogene Regelung sagen sie nichts über die Zuordnung von Gegenständen aus, die wie im Falle der Freigabe zu einem späteren Zeitpunkt aus der Insolvenzmasse ausscheiden.

c) Auch die Entstehungsgeschichte des § 89 Abs. 1 InsO spricht nicht gegen eine Zuordnung freigegebener Gegenstände zum sonstigen Vermögen des Schuldners. Vorläufer von § 89 Abs. 1 InsO war § 14 Abs. 1 KO. Das bereits in dieser Norm enthaltene Verbot der Zwangsvollstreckung einzelner Konkursgläubiger auch in das nicht zur Konkursmasse gehörige, sonstige Vermögen des Schuldners sollte es dem Schuldner ermöglichen, bereits während des Konkursverfahrens eine neue wirtschaftliche Existenz zu begründen (Motive II S. 51 f; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 14 Rn. 2). Diesem Gesichtspunkt kommt unter der Geltung der Insolvenzordnung, die anders als die Konkursordnung (§ 1 Abs. 1 KO) auch den Neuerwerb der Insolvenzmasse zuordnet (§ 35 Abs. 1 InsO), nur noch eine geringere Bedeutung zu. In Kenntnis dieses Umstands hat der Gesetzgeber das sonstige Vermögen des Schuldners auch in § 89 Abs. 1 InsO für die Dauer des Insolvenzverfahrens dem Zugriff der Insolvenzgläubiger entzogen (Begründung zum Regierungsentwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/2443, S. 137). Das geringere Gewicht des Zwecks, dem Schuldner durch den Schutz des sonstigen Vermögens einen Neuanfang zu ermöglichen, ist angesichts dieses gesetzgeberischen Willens kein Argument dafür, freigegebene Gegenstände vom Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO auszunehmen.

d) Es ist daher in Rechtsprechung und Schrifttum fast einhellige Meinung, dass das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO auch für vom Insolvenzverwalter oder Treuhänder aus der Insolvenzmasse freigegebene Gegenstände gilt, weil sie zum sonstigen Vermögen des Schuldners gehören (BGHZ 166, 74, 83, Rn. 26; LG Berlin ZMR 2005, 910; OLG Hamm Rpfleger 1971, 109 [zu § 14 KO]; Jaeger/Eckardt, InsO § 89 Rn. 29 und 7; MünchKomm-InsO/Breuer, aaO § 89 Rn. 18; HK-InsO/Kayser, aaO § 89 Rn. 16; Uhlenbruck, aaO § 89 Rn. 15; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 89 Rn. 14; HmbKomm-InsO/Kuleisa 2. Aufl. § 89 Rn. 9; Gerhardt in Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 33 Rn. 12; BK-InsO/Blersch/v. Olshausen, § 89 Rn. 12; Nerlich/Römermann/ Wittkowski, InsO § 89 Rn. 4; a.A. Schmidberger Rpfleger 2006, 431 f).

e) Die Unzulässigkeit des Antrags auf Anordnung der Zwangsverwaltung führt nicht zu einem für die Wohnungseigentümergemeinschaft unzumutbaren Ergebnis. Zum einen fallen etwaige Mieteinkünfte des Schuldners aus der freigegebenen Wohnung als Neuerwerb in die Masse. Zum anderen hat die Gläubigerin die Möglichkeit, sich einen Vollstreckungstitel bezüglich der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 n.F., § 155 Abs. 2 Satz 2 ZVG aufgeführten Hausgeldansprüche zu verschaffen und gestützt auf diesen Titel die Zwangsverwaltung des Wohnungseigentums der Beteiligten zu 2 zu beantragen.

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Nachtragsliquidation ist ins Handelsregister einzutragen – BGH, 26.07.2022, II ZB 20/21

Der Bundesgerichtshof hat für die Eintragung der Nachtragsliquidation ins Handelsregister eine fundamentale Kehrtwende vollzogen. Bestellt das Amtsgericht den Nachtragsliquidator nach § 66 Abs. 5 GmbHG, sind der Liquidator und die gelöschte Gesellschaft ins Handelsregister einzutragen. Dies hat weitreichende Folgen für die Ausübung des Amts als Nachtragsliquidator. Insbesondere gelten dann die Vorschriften des GmbHG zum Gläubigeraufruf und zur Rechnungslegung.

BGH, Beschluss vom 26.07.2022 – II ZB 20/21

Eine gelöschte GmbH und ihre Liquidatoren sind grundsätzlich von Amts wegen einzutragen, wenn die Liquidatoren durch das Gericht ernannt worden sind, weil sich nach der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit herausstellt, dass Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten werden der Beschluss des 22. Zivilsenats des Kammergerichts vom 9. November 2021 und der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg – Registergericht – vom 2. Juli 2021 aufgehoben.

Das Amtsgericht – Registergericht – wird angewiesen, die Beteiligte und ihren Liquidator K. in das Handelsregister einzutragen.

Gründe

I.

Die Beteiligte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde 2006 gemäß § 141a FGG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2019 hat das Amtsgericht Charlottenburg K. gemäß § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG zum Liquidator bestellt und den „Wirkungskreis des Nachtragsliquidators (…) auf die Vertretung und die Wahrnehmung der Rechte der gelöschten Gesellschaft hinsichtlich der im Eigentum der Gesellschaft stehenden Teileigentumseinheiten G. straße /O. straße verzeichnet im Grundbuch von F. Blatt “ beschränkt.

Unter dem 27. Mai 2021 hat K. beantragt, die Beteiligte und sich „als Nachtragsliquidator“ in das Handelsregister einzutragen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass das Grundbuchamt als der beantragten Eintragung von Grundpfandrechten entgegenstehendes Hindernis den fehlenden Nachweis der Vertretungsberechtigung nach § 32 GBO benannt habe. Die gegen diese Zwischenverfügung gerichtete Beschwerde habe das Kammergericht mit Beschluss vom 29. April 2021 zurückgewiesen.

Das Amtsgericht hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte ihr Eintragungsbegehren weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung der Zurückweisungsbeschlüsse zur Anweisung an das Registergericht, die Beteiligte und ihren Liquidator in das Handelsregister einzutragen.

1. Das Beschwerdegericht (KG, ZIP 2022, 895) hat zur Begründungseiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Liquidation, die gemäß § 66 Abs. 5 GmbHG nach Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit trotz vorhandenen Vermögens erfolge, sei wie die Nachtragsliquidation lediglich darauf gerichtet, die noch für die Vollbeendigung der Gesellschaft notwendigen Einzelmaßnahmen durchzuführen. Dementsprechend könne die Vertretungsmacht des Liquidators auf die einzelnen, gemäß § 70 GmbHG erforderlichen Abwicklungsmaßnahmen beschränkt werden. Es gebe keinen Grund, den Liquidator mit einer „überschießenden“ Vertretungsmacht auszustatten, die ihm und dem Rechtsverkehr Befugnisse „vorzuspiegeln“ geeignet sei, die dieser nicht habe. Die Eintragung der Gesellschaft und ihres Liquidators im Handelsregister könne nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts unterbleiben, wenn der zu erwartende Umfang und die Qualität der erforderlichen Handlungen der Liquidatoren eine Eintragung nicht erfordere. Dies sei hier der Fall, weil nur noch Teileigentumsrechte zu verwerten seien. Der Beschluss des ersten Zivilsenats des Kammergerichts (ZIP 2021, 2125), wonach die Handelsregistereintragung zur Eintragung der Grundpfandrechte erforderlich sei, binde den Senat nicht. Er überzeuge auch in der Sache nicht, weil der Liquidator seine Vertretungsbefugnis durch Vorlage einer Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO nachweisen könne.

2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis der Beteiligten ergibt sich schon daraus, dass ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Registergerichts zurückgewiesen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 – II ZB 26/19, ZIP 2020, 1658 Rn. 12 mwN).

3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil das Beschwerdegericht die gemäß § 59 Abs. 1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hat. Der gerichtlich ernannte Liquidator K. ist gemäß § 67 Abs. 4 GmbHG von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen. Dazu gehört auch die Eintragung der Beteiligten als der zu liquidierenden Gesellschaft (vgl. BayObLGZ 1993, 341, 345; OLG Celle, GmbHR 1997, 752; OLG Düsseldorf, GmbHR 1979, 227, 228; KG, ZIP 2021, 2125, 2126; Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 66 Rn. 39; Nerlich in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 66 Rn. 100; Paura in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 66 Rn. 84; Scholz/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 69; Scholz/K. Schmidt/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 66 Rn. 58; aA Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl., § 75 Rn. 67).

a) Ob eine wegen Vermögenslosigkeit gelöschte Gesellschaft und ihre Liquidatoren im Fall des § 66 Abs. 5 GmbHG ins Handelsregister eingetragen werden müssen, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet.

Teilweise wird die Eintragung ausnahmslos für erforderlich erachtet (KG, JW 1937, 1739, 1740; Beckmann/Winter, GmbHR 2022, 445, 447 ff.; Büteröwe in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 66 GmbHG Rn. 34; Harders in Bumiller/Harders, FamFG, 12. Aufl., § 394 Rn. 10; Keidel/Heinemann, FamFG, 20. Aufl., § 394 Rn. 37; Nedden-Boeger in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 6. Aufl., § 394 Rn. 81).

Anderer Auffassung zufolge kann von einer Eintragung im Einzelfall aus pragmatischen Gründen abgesehen werden, insbesondere wenn nur noch einzelne, schnell zu erledigende Abwicklungsmaßnahmen zu erfolgen hätten und der Liquidationszweck die Eintragung nicht erfordere (OLG München, ZIP 2010, 2204; Grziwotz, DStR 1992, 1813, 1815; Gesell in Rowedder/v. Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 74 Rn. 26; Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 66 Rn. 39; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 74 Rn. 20;Kolmann/Riedemann in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl., § 74 Rn. 71; Nerlich in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 66 Rn. 100; Scholz/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 69; Scholz/K. Schmidt/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 66 Rn. 58; Wilsch, NotBZ 2022, 184 ff.).

b) Eine gelöschte GmbH und ihre Liquidatoren sind nach § 67 Abs. 4 GmbHG grundsätzlich von Amts wegen einzutragen, wenn die Liquidatoren durch das Gericht ernannt worden sind, weil sich nach der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit herausstellt, dass Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt (§ 66 Abs. 5 GmbHG). Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Eintragung einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Gesellschaft und ihrer Liquidatoren im Einzelfall aus verfahrensökonomischen Gründen unterbleiben kann. Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen ist ein solcher Ausnahmefall nicht gegeben.

aa) Der Wortlaut von § 67 Abs. 4 GmbHG umfasst auch die gemäß § 66 Abs. 5 Satz 2 GmbHG ernannten Liquidatoren. Gesetzessystematisch schließt jene Bestimmung diese ebenfalls ein. Die Gesetzesgenese bietet auch keine Anhaltspunkte für ein einschränkendes Normverständnis. § 66 Abs. 5 GmbHG ist zwar durch Art. 48 Nr. 9 Buchst. b des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (EGInsO, BGBl. I 2911) nachträglich in das GmbHG eingefügt worden. Allerdings sah schon § 2 Abs. 3 LöschG die gerichtliche Bestellung der Liquidatoren unter den in § 66 Abs. 5 GmbHG geregelten Voraussetzungen vor, was deren Eintragung von Amts wegen gemäß § 67 Abs. 4 GmbHG zur Folge hatte (vgl. BayObLGZ 1993, 341, 345; OLG Celle, GmbHR 1997, 752; OLG Düsseldorf, GmbHR 1979, 227, 228). Mit § 66 Abs. 5 GmbHG wollte der Gesetzgeber § 2 Abs. 3 LöschG lediglich mit einigen redaktionellen Anpassungen ins GmbHG überführen (RegE EGInsO, BT-Drucks. 12/3803, S. 90). Schließlich lässt sich Sinn und Zweck von § 67 Abs. 4 GmbHG, die Liquidation und die gerichtlich ernannten Liquidatoren publik zu machen, auch in den Fällen des § 66 Abs. 5 GmbHG erfüllen. Bei der Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit kommt der Publizitätsfunktion besondere Bedeutung zu, weil in aller Regel noch kein Liquidationsverfahren mit Gläubigeraufruf (§ 65 Abs. 2, § 73 Abs. 1 GmbHG) stattgefunden hat. Schweigt das Handelsregister, wird sich ein Gläubiger vielfach nicht veranlasst sehen, seine Forderungen geltend zu machen (Beckmann/Winter, GmbHR 2022, 445, 448; Scholz/K. Schmidt/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 66 Rn. 58). Der unrichtige Eindruck einer werbenden Gesellschaft wird durch die Eintragung nicht hervorgerufen (so aber Wilsch, NotBZ 2022, 187, 188). Denn die Liquidatoren sind als solche und in den Fällen gerichtlicher Ernennung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 HRV zudem unter Hinweis auf die gesetzliche Grundlage einzutragen.

bb) Auf Grundlage des vom Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalts kommt ein Absehen von der Eintragung nicht in Betracht. Danach ist die Beteiligte Eigentümerin von fünf Teileigentumsrechten. Deren Wert hat sie mit 700.000 bis 750.000 € beziffert.

In Anbetracht dieses Vermögens kann keine Rede davon sein, dass der Liquidationszweck die Eintragung nicht erfordere, weil nur noch einzelne, schnell zu erledigende Abwicklungsmaßnahmen vonnöten seien. Vielmehr finden gemäß § 66 Abs. 5 Satz 1 GmbHG grundsätzlich die §§ 68 ff. GmbHG Anwendung (Beckmann in Gehrlein/Born/Simon, 5. Aufl., § 66 Rn. 32; Büteröwe in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 66 Rn. 34; Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 66 Rn. 41; MünchKommGmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl., § 66 Rn. 88; Paura in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 66 Rn. 88; Scholz/K. Schmidt/Scheller, GmbHG, 12. Aufl., § 66 Rn. 59).

Danach ist der Liquidator nach den in Rede stehenden Vermögenswerten in nicht unerheblichem Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 71 Abs. 1, § 74 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Des Weiteren sind die Teileigentumsrechte von ihm in Geld umzusetzen (§ 70 Satz 1 GmbHG). Dazu darf er auch neue Geschäfte eingehen, z. B. Renovierungsarbeiten beauftragen oder zur Absicherung der Kaufpreisfinanzierung Grundpfandrechte bestellen (§ 70 Satz 2 GmbHG). Seine Vertretungsberechtigung dazu kann er gegenüber dem Grundbuchamt gemäß § 32 GBO durch das Handelsregister nachweisen. Da ihm das Gesetz diese Möglichkeit eröffnet, ist es entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts unerheblich, ob er seine Vertretungsberechtigung grundbuchverfahrensrechtlich auch durch eine Ausfertigung des Bestellungsbeschlusses nachweisen könnte. Die Verteilung des durch Veräußerung der Teileigentumsrechte eingenommenen Geldes darf der Liquidator nach § 73 Abs. 1 GmbHG auch erst frühestens mit Ablauf eines Jahres seit dem Tage vornehmen, an welchem die Aufforderung an die Gläubiger gemäß § 65 Abs. 2 GmbHG erfolgt ist.

cc) Unklar ist, worauf der Hinweis des Beschwerdegerichts abzielt, es gebe keinen Grund, den Liquidator mit einer „überschießenden“ Vertretungsmacht auszustatten und ihm und dem Rechtsverkehr eine solche Befugnis „vorzuspiegeln“. Falls das Beschwerdegericht damit ein Eintragungshindernis hat benennen wollen, läge ein solches Hindernis nicht vor. Die Eintragung nach § 67 Abs. 4 GmbHG hat nur deklaratorische Wirkung (allg. Ansicht, statt vieler Haas in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 67 Rn. 16 mwN). Die Vertretungsbefugnis des Liquidators ergibt sich aus dem Gesetz. Sie ist gemäß § 71 Abs. 4, § 37 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 46). Da nur der Liquidator eingetragen wird und diese Eintragung richtig ist, wird dem Rechtsverkehr auch nichts „vorgespiegelt“.

III.

Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Die Sache ist zur Endentscheidung reif, weil das Registergericht mit der Bestellung des Liquidators die Bestellungsvoraussetzungen bejaht hat. Das Registergericht ist, da keine anderen Eintragungshindernisse ersichtlich sind, anzuweisen, die Beteiligte und den Liquidator in das Handelsregister einzutragen.

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Rechtsgeschäfte des Nachtragsliquidators bleiben wirksam – OLG Düsseldorf, 17.03.2021 – 3 Wx 33/21

Das OLG Düsseldorf hat in einer neuen Entscheidung über die zeitliche Komponente der Bestellung eines Nachtragsliquidators entschieden. Zwei Punkte sind hervorzuheben:

In der Regel wird der Nachtragsliquidator für einen beschränkten Wirkungskreis bestellt. Das OLG Düsseldorf hat jetzt klar gestellt, dass die Bestellung des Nachtragsliquidators gegenstandslos wird, wenn der Nachtragsliquidator, die Aufgaben seines Wirkungskreises vollständig erledigt hat.

Hat der Nachtragsliquidator in Vertretung der gelöschten Gesellschaft bestimmte Rechtsgeschäfte vorgenommen, kann das bestellende Amtsgericht die Wirksamkeit dieser Rechtsgeschäfte nicht rückwirkend aufheben, indem es den Bestellungsbeschluss aufhebt. Eine solche Rückwirkung kann es nur geben, wenn die Bestellung des Nachtragsliquidators nichtig gewesen sein sollte. Dies dürfte allerdings im gerichtlichen Alltag kaum vorkommen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.03.2021 – 3 Wx 33/21

I. Sachverhalt

Die betroffene Gesellschaft vermittelte bis zu ihrer Löschung wegen Vermögenslosigkeit am 15. Juni 2020 als Finanzdienstleisterin Darlehen, u.a Darlehen von ca. 700.000 € der Eheleute an die Firma …, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer, der Beteiligte zu 1 sich dafür „verbürgte“.

… alleiniger Geschäftsführer und einer von drei Gesellschaftern der betroffenen Gesellschaft versprach den Darlehensgebern 2016, sich um die Rückzahlung der – notleidenden – Darlehen zu kümmern und vereinbarte die Abtretung der Rückzahlungsansprüche an die betroffene Gesellschaft.

Am 22. Dez. 2017 traf u.a. die betroffene Gesellschaft mit den Darlehensgebern und … eine Vereinbarung über die Rückabtretung von Darlehensforderungen. Danach war die betroffene Gesellschaft von den Zessionaren ermächtigt, die Darlehensforderungen weiter durchzusetzen und erwirkte ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf gegen den Beteiligten zu 1 auf Rückzahlung der o.g. Darlehenssumme.

Aufgrund dieses Urteils erwirkte die betroffene Gesellschaft am 24. April 2019 die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek in Höhe von 778.058,75 € in Abteilung III Nr. 6 des im Grundbuch von … eingetragenen Grundbesitzes des Beteiligten zu 1. Aufgrund dessen kam es zu Verhandlungen der betroffenen Gesellschaft mit dem Beteiligten zu 1, dieser vertreten durch den Beteiligten zu 2, in deren Verlauf die betroffene Gesellschaft die Sicherungsabtretung der Forderung (Rückabtretung) anzeigte und dass die Rückzahlung an die Eheleute zu leisten sei, denen gegenüber zudem ein notarielles Schuldanerkenntnis abzugeben sei, damit das landgerichtliche Urteil nicht umgeschrieben werden müsse.

Nachdem das Bundesamt der Justiz mit Schreiben vom 23. Juli 2019 dem Registergericht mitgeteilt hatte, es habe sich im Zuge der Beitreibung herausgestellt, dass die betroffene Gesellschaft kein Vermögen besitze, sie habe am 6. März 2019 die Vermögensauskunft erteilt und die betroffene Gesellschaft der mit Verfügung des Registergerichts vom 1. Aug. 2019 mitgeteilten Absicht, sie wegen Vermögenslosigkeit zu löschen nicht widersprochen hatte, wurde die betroffene Gesellschaft am 15. Juni 2020 wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Die Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf hatte während des Löschungsverfahrens dem Registergericht am 22. Okt. 2019 die Mitteilung des Geschäftsführers der betroffenen Gesellschaft vom 16. Okt. 2019 vorgelegt, die Firma sei in Liquidation.

Am 10. / 18. Nov. 2020 beantragte der Beteiligte zu 1, den Beteiligten zu 2 zum Nachtragsliquidator der betroffenen Gesellschaft zu bestellen für die folgenden Abwicklungsmaßnahmen:

– Erteilung der Löschungsbewilligung der o.g. Zwangssicherungshypothek,

– Abgabe aller in diesem Zusammenhang erforderlichen Erklärungen und

– Einholen des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 23. März 2018 – 3 O 260/17 als des der Zwangssicherungshypothek zugrunde liegenden Titels.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. Dez. 2020 bestellte das Registergericht den Beteiligten zu 2 antragsgemäß zum Nachtragsliquidator. Dieser erwirkte die Löschung der Zwangssicherungshypothek am 18. Dez. 2020 und erhielt vom Vollstreckungsgericht den landgerichtlichen Titel ausgehändigt.

Gegen die Bestellung des Nachtragsliquidators richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 vom 7. Jan. 2021. Es bestehe kein rechtliches Interesse des Beteiligten zu 1, die Zwangssicherungshypothek zu löschen, solange die Forderung (aus dem Darlehen) gegen ihn bestehe. Der Beteiligte zu 2 könne als Rechtsanwalt des Beteiligten zu 1 wegen Interessenkollision nicht Nachtragsliquidator sein. Die Sache habe sich auch nicht durch die Löschung der Zwangssicherungshypothek erledigt. Eine Aufhebung des Bestellungsbeschlusses wirke zurück, so dass der Nachtragsliquidator den widerrechtlich in Besitz genommenen Beschluss (gemeint ist offenbar das LG -Urteil) wieder herausgeben müsse.

Der Beteiligte zu 2 hält die Beschwerde für unzulässig. Es liege schon keine ordnungsgemäße Vollmacht vor, es fehle an der Antragsberechtigung, die Nachtragsliquidation sei ohnehin seit dem 18. Dez. 2020 beendet und die Bestellung längst an das Registergericht zurückgereicht.

Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit weiterem Beschluss vom 8. Febr. 2021 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es bestünden Bedenken, dass die Beschwerde wirksam eingelegt worden sei, jedenfalls sei sie unbegründet, weil die betroffene Gesellschaft noch Inhaberin der Zwangssicherungshypothek gewesen und daher noch ein Vermögenswert vorhanden gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakte Bezug genommen.

II. Gründe

Die Sache ist infolge der mit weiterem Beschluss des Registergerichts vom 8. Febr. 2021 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen (§ 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG).

Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 375 Nr. 6, 402 Abs. 1, 58 Abs. 1 FamFG als befristete Beschwerde statthaft. Es ist allerdings unzulässig, denn die Hauptsache hat sich vor Einlegung der Beschwerde erledigt. In einem solchen Fall fehlt regelmäßig das für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine Prüfung der Hauptsacheentscheidung durch das Rechtsmittelgericht. Denn es liegt keine Beschwer in der Hauptsache mehr vor (Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 22, Rdnr. 33).

So liegt es auch hier. Die Vertretung der betroffenen Gesellschaft war nur für einzelne, im Voraus genau bestimmbare Handlungen erforderlich und die Nachtragsliquidation auf bestimmte Maßnahmen zu beschränken. Mit dem angefochtenen Beschluss ist der Beteiligte zu 2 daher mit den dort näher bezeichneten Aufgaben zum Nachlassliquidator bestellt worden. Ist dem Nachtragsliquidator auf diese Weise nur ein auf die Vornahme der bezeichneten Einzelmaßnahmen beschränkter Aufgabenkreis zugestanden, hat dies zur Folge, dass für die so gegenständlich eingegrenzte Nachtragsliquidation kein Raum mehr ist, wenn diese Maßnahmen durchgeführt und daher eine Vertretung durch den Nachtragsliquidator gegenstandslos ist (Senat, Beschluss vom 18. April 2011 – 3 Wx 98/11, BeckRS 2011, 14923; Haas, in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 22. Aufl., 2019, § 60, Rdnr. 106).

Die ihm nach dem Bestellungsbeschluss zugewiesenen Aufgaben hatte der Beteiligte zu 2 bereits vor Einlegung der Beschwerde am 7. Jan. 2021 durch die Beteiligten zu 3 und 4 vollständig abgeschlossen. Die Löschung der Zwangssicherungshypothek in Abteilung III Nr. 6 des im Grundbuch eingetragenen Grundbesitzes war am 18. Dez. 2020 eingetragen und auch der landgerichtliche Titel bereits vor Einlegung der Beschwerde an den Beteiligten zu 1 ausgehändigt worden.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 3 und 4 vermag die Beschwerde daran nichts zu ändern. Denn selbst wenn auf das Rechtsmittel der Bestellungsbeschluss und die Bestellung des Beteiligten zu 2 zum Nachtragsliquidator aufgehoben würde, blieben die inzwischen vom Nachtragsliquidator vorgenommenen Rechtsgeschäfte wirksam, § 47 FamFG (Otto, in BeckOK FamFG, Stand 1. Jan. 2021, § 375, Rdnr. 58) und scheidet damit eine rückwirkende Aufhebung der Nachtragsliquidation aus.

Nach § 47 FamFG hat die Aufhebung eines ungerechtfertigten Beschlusses, durch den jemand die Fähigkeit oder die Befugnis erlangt hat, ein Rechtsgeschäft vorzunehmen oder eine Willenserklärung entgegenzunehmen, auf die Wirksamkeit der inzwischen von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluss, es sei denn der Beschluss war von Anfang an unwirksam. Danach ist eine wirksam gewordene gerichtliche Entscheidung, durch die jemand die Befugnis erhält, als Vertreter für einen anderen rechtsgeschäftlich tätig zu werden, zwar aufzuheben, wenn sich erweist, dass die Voraussetzungen der Bestellung nicht oder nicht mehr vorliegen. Die Aufhebung erfolgt aber nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung ex nunc (OLG Celle, Beschluss vom 8. Febr. 2018, 6 W 19/18, BeckRS 2017, 141725).

Die Aufhebung einer hiernach ungerechtfertigten, aber nicht nichtigen Entscheidung hat keine Rückwirkung und mithin keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Rechtshandlungen, zu deren Vornahme eine Person auf Grund der aufgehobenen Entscheidung formell berechtigt war (Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 47, Rdnr. 11 m.N.).

Die Anwendung des § 47 FamFG setzt voraus, dass die Entscheidung, durch die jemand die Befugnis oder Fähigkeit zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder Entgegennahme einer Willenserklärung erlangt hat, schon nach § 40 FamFG wirksam geworden ist, bevor sie aufgehoben wurde. § 47 FamFG erfasst hingegen nicht den Fall, dass die Entscheidung von Anfang an unwirksam war; die Aufhebung derartiger Entscheidungen hat stets nur deklaratorische Bedeutung, § 47 letzter Halbsatz FamFG. Unwirksamkeit von Anfang an liegt vor, wenn die Entscheidung nichtig ist. (Keidel/Engelhardt, a.a.O., Rdnr. 8 + 9).

Hier war der angefochtene Beschluss des Registergerichts vom 4. Dez. 2020 zum einen nach § 40 FamFG bereits wirksam geworden und liegen zum anderen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er von Anfang an unwirksam gewesen wäre; insbesondere war die Bestellung des Nachtragsliquidators nicht dem Richter vorbehalten, sondern war hierfür der Rechtspfleger des Registergerichts funktionell zuständig, denn § 17 Nr. 2 c und d RPflG nehmen sowohl § 273 Abs. 4 AktG als auch § 66 Abs. 5 GmbHG von den dem Richter vorbehaltenen unternehmensrechtlichen Verfahren aus.

III. Kostenentscheidung

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Nach dieser Vorschrift soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Rechtsmittels demjenigen Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall bestehen hier keine Anhaltspunkte.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 i.V.m. 67 Abs. 3 GNotKG; zur Bemessung des – nach der ständigen Rechtsprechung des Senats maßgeblichen – wirtschaftlichen Interesses, das mit dem Rechtsmittel verfolgt wird, ist der Regelwert des § 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG von 60.000 € erkennbar untersetzt und der Nennbetrag der Zwangssicherungshypothek für die Wertfestsetzung maßgebend.

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Löschung der GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit – OLG Celle, Beschluss v 17.10.2018, 9 W 80/18

Löschung aus dem Handelsregister ohne Anmeldung der Auflösung, Veröffentlichung und Sperrjahr allein aufgrund Versicherung des Liquidators ist nach der Entscheidung OLG Celle 9. Zivilsenat, Beschluss vom 17.10.2018, 9 W 80/18 nicht möglich. Ein Verfahren, welches einen Löschungsanspruch ohne Liquidation auf Antrag bei lediglich durch den Liquidator versicherter Vermögenslosigkeit eröffnet, ist demnach nicht mit dem GmbH-Gesetz in Einklang zu bringen

Die Entscheidung des OLG Celle im Wortlaut:

I. Der Liquidator der betroffenen Gesellschaft, zugleich deren vormaliger Geschäftsführer und laut der in den Registerordner aufgenommenen Gesellschafterliste Alleingesellschafter, hat unter dem 14. Mai 2018 zum Handelsregister unter anderem angemeldet, dass die Gesellschaft durch Beschluss aufgelöst sei sowie:

„Eine Liquidation ist nicht erforderlich, da ein Gesellschaftsvermögen nicht mehr vorhanden ist.
Dazu werden die tatsächlichen Verhältnisse wie folgt dargestellt:

Die Firma übt seit ca. 4 Jahren keinen Geschäftsbetrieb mehr aus. Vermögen oder Verbindlichkeiten der Gesellschaft sind nicht vorhanden, insbesondere stehen keine Zahlungen auf Geschäftsanteile aus. Auch sind keine Ausschüttungen bzw. Auszahlungen des Gesellschaftsvermögens an Gesellschafter über einen ordentlichen Gewinnverteilungsplan hinaus erfolgt.

Es sind keine gerichtlichen Rechtsstreite anhängig, an welchen die Gesellschaft beteiligt ist. Ein Fall der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft liegt nicht vor.

Dies wird hiermit ausdrücklich versichert.“

Das Registergericht hat diese Anmeldung dahin verstanden, dass die sofortige Löschung der GmbH aus dem Register beantragt worden sei, und hat zunächst mit Verfügung vom 6. August 2018 darauf hingewiesen, eine Löschung könne nicht erfolgen, da das Finanzamt Bedenken angemeldet habe und die Gesellschaft zudem Komplementärin einer Kommanditgesellschaft sei. In seiner Antwort vom 8. August 2018 hat der Notar sich dieses Antragsverständnis des Registergerichts zu eigen gemacht und gemeint, seinem Löschungsantrag sei unverzüglich stattzugeben.

Daraufhin hat das Registergericht die angefochtene Zwischenverfügung erlassen. Mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde verfolgt der Notar seinen Rechtsstandpunkt weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung und der Beschwerde wird auf die zu den Akten gelangten Schriftstücke Bezug genommen.

II. Die Beschwerde des Notars bleibt ohne Erfolg.

1. Die Beschwerde des Notars ist fristgerecht eingelegt; der Notar ist auch beschwerdeberechtigt (vgl. BGH II ZB 6/10 juris-Rn. 9f.), weil die Zurückweisung eines von ihm gestalteten und befürworteten Antrags stets den Inhalt hat, er habe seine Amtspflichten fehlerhaft ausgeübt.

Ob die Beschwerde im Streitfall überhaupt statthaft ist, erscheint jedoch zweifelhaft, denn das GmbH-Gesetz sieht das vom Notar in Anspruch genommene Verfahren einer sofortigen Löschung einer GmbH, wenn deren Liquidator deren Vermögenslosigkeit allein versichert, nicht vor. Vielmehr kennt das GmbH-Gesetz ohne vorhergehende – gesondert anzumeldende – Auflösung (§ 65 GmbHG) die Löschung der Gesellschaft gemäß § 60 Nr. 7 GmbHG in Verbindung mit § 394 FamFG von Amts wegen im Falle von Vermögenslosigkeit. Die Löschung auf Antrag hingegen kennt das Gesetz nur nach Durchführung des im GmbH-Gesetz vorgesehenen Liquidationsprozesses, Veröffentlichung der Auflösung der Gesellschaft und Aufforderung an die Gläubiger gemäß § 65 Abs. 2 GmbHG im Bundesanzeiger, Einhaltung des Sperrjahres und gesonderter Anmeldung des Schlusses der Liquidation gemäß § 74 GmbHG.

Nachdem im Streitfall das Liquidationsverfahren nicht durchlaufen wurde, besteht ein Anspruch auf Löschung der Gesellschaft aus dem Handelsregister wegen Erfüllung der dafür vorgesehenen Prozedur und deren Voraussetzungen in keinem Fall. Ob ein Beschwerderecht bestehen kann, wenn – wie im Streitfall – das Registergericht einer bloßen Löschungsanregung der GmbH nicht nachkommt, erscheint zweifelhaft. Diese Frage muss jedoch nicht abschließend entschieden werden, denn im Streitfall bleibt die Beschwerde jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.

2. Bei der betroffenen Gesellschaft liegen die Voraussetzungen einer Löschung von Amts wegen aufgrund zur Überzeugung des Registergerichts feststehender Vermögenslosigkeit nicht vor. Zutreffend hat das Registergericht darauf abgestellt, dass die hier betroffene GmbH Komplementärin einer Kommanditgesellschaft ist und mithin deren Geschäfte zu führen hat. In dieser Eigenschaft als vollhaftende und geschäftsführende Gesellschafterin obliegt es der hier betroffenen GmbH, die Kommanditgesellschaft gegenüber dem Finanzamt zu vertreten und deren Pflichten nachzukommen. Das Finanzamt hat unter dem 23. Juli 2018 mitgeteilt, dass für die Kommanditgesellschaft eine Steuererklärung noch aussteht. Es ist nicht Sache des Registergerichts, sondern vielmehr Sache der Gesellschaft, die ihre Löschung aus dem Register erstrebt, durch Erfüllung aller fiskalischen Pflichten die Löschungsfähigkeit herbeizuführen; daran fehlt es hier.

Ebenso steht im Streitfall der Löschung der GmbH entgegen, dass dadurch, dass sie vollhaftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft ist, jederzeit neue Forderungen und insbesondere neue Verbindlichkeiten, die auch noch eine Insolvenz der betroffenen GmbH auslösen können, entstehen könnten.

3. Soweit der Beschwerdeführer im Streitfall annimmt, es bestehe ein Löschungsanspruch der Gesellschaft ohne Einhaltung der Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Liquidation (insb. Anmeldung der Auflösung und Einhaltung der Veröffentlichungsvoraussetzungen des § 65 Abs. 2 GmbHG) allein auf der Grundlage der in der Anmeldung enthaltenen Versicherung des Liquidators, es gebe keine Rechtsstreite gegen die GmbH und weder liege Zahlungsunfähigkeit noch Überschuldung der Gesellschaft vor, dringt er damit nicht durch.

Der Senat teilt schon die vom Beschwerdeführer für die erstrebte Rechtsfolge in Anspruch genommenen Rechtssätze nicht. Diese werden – offenbar im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung – von den Registergerichten im Anschluss an eine Entscheidung des OLG Hamm vom 30. August 2016, 27 W 63/16, und daran anknüpfende Mitteilungen des Deutschen Notarinstituts vertreten.

Nach dem Dafürhalten des Senats ist – entgegen der Position der DNotI-Redaktion – ein Verfahren, welches einen Löschungsanspruch ohne Liquidation auf Antrag bei lediglich durch den Liquidator versicherter Vermögenslosigkeit eröffnet, mit dem GmbH-Gesetz nicht in Einklang zu bringen.

Deshalb kann im Streitfall dahinstehen, ob die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs im Streitfall überhaupt vorlägen und zureichend vorgetragen sein möchten. Feststellungen zu nicht existenten Rechtssätzen müssen nicht getroffen werden. Nach dem Dafürhalten des Senats spräche allerdings im Streitfall manches dafür, dass der Liquidator mindestens auch dazu vortragen müsste, ob gegen die von der betroffenen GmbH vertretene Kommanditgesellschaft offene Forderungen von Gläubigern geltend gemacht werden und Rechtsstreitigkeiten anhängig sind, denn für diese würde die GmbH (womöglich mit Insolvenzfolge) haften.

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Der Ersatzanspruch eines Gläubigers gegen den Liquidator einer GmbH

Der Beklagte war Alleingesellschafter, Geschäftsführer und am Ende Liquidator einer GmbH. Die Klägerin war Steuerberaterin der GmbH. Sie erstellte u.a. Jahresabschluss und Steuererklärungen für das Jahr 2009. In diesem Jahresabschluss war eine Rückstellung „für Abschluss und Prüfung“ enthalten. Für die Leistungen im Jahr 2010 forderte die Klägerin im Juni 2012 ein Honorar von 2.246,96 €. Zwischenzeitlich war jedoch die Gesellschaft im Register aufgelöst und gelöscht worden. Der Liquidator hatte bei der Verteilung des Vermögens der Gesellschaft die Forderung der Klägerin nicht beachtet. Die Klägerin verlangt deshalb das Honorar von dem beklagten Liquidator. Die Klage war erfolgreich. Zuletzt hatte der BGH den Anpruch bestätigt:

Der Klägerin stehe als Folge der Beendigung der Liquidation ohne Befriedigung ihrer Forderung, die aus dem Vermögen der liquidierten Gesellschaft möglich gewesen wäre ein Anspruch in analoger Heranziehung der §§ 268 Abs. 2, 93 Abs. 5 AktG zu. Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz und eine „vergleichbare Interessenlage“. Beides liege hier vor – in Gestalt einer sich erst nachträglich herausstellenden „planwidrigen“ Unvollständigkeit des GmbHG.

§ 73 Abs. 3 GmbHG ermögliche dem Gläubiger nur, seinen Anspruch gegen die Gesellschaft zu titulieren, um dann den Anspruch der Gesellschaft nach dieser Norm zu pfänden und sich überweisen zu lassen. Das sei freilich ein Weg, der, so der BGH, „zeitintensiv, kostenträchtig […] und nicht prozessökonomisch […]“ sei. Erst später habe der Gesetzgeber das Erfordernis eines Direktanspruchs des Gläubigers gegen den Liquidator erkannt, dies jedoch nicht im Gesetz umgesetzt (vgl. BT-Drs. VI/3088, S. 207). Die Entwicklung der Wirtschaft habe indes nichts an der Notwendigkeit eines solchen Anspruchs geändert. Die nachträglich entstandene Lücke im GmbH-Gesetz sei auch planwidrig. Bestimmend für den historischen Gesetzgeber des GmbHG sei der Gedanke gewesen, einen Anspruch der Gesellschaft gegen den Liquidator zu generieren und zu verhüten, dass die Gesellschafter die Gläubigerbefriedigung durch Verfügungen über die Ersatzansprüche vereitelten. Diese Sichtweise reiche aber nicht aus, denn das fehlerhafte Handeln des Liquidators beruhe nicht auf Verfügungen, sondern auf der spezifischen Situation der Abwicklung. Erst nach Beendigung der Liquidation werde in der Regel erkannt, dass das Gebot des § 73 GmbHG verletzt worden sei. Im Ergebnis meint der BGH, in dieser Konstellation hätten die GmbH-Gesellschafter kein Interesse an der Realisierung des Anspruchs nach § 73 Abs. 3 GmbHG, so dass der dort gewollte Gläubigerschutz nicht gewährleitet sei. Der mögliche Zugriff des Gläubigers auf diesen Anspruch sei ungeeignet, denn er setze die Nachtragsliquidation der im Register gelöschten Gesellschaft voraus. Die Voraussetzungen seines Anspruchs und das Bestehen von Vermögen der GmbH in Gestalt wiederum des Anspruchs gegen den Liquidator müsse der Gläubiger in dem registerrechtlichen Verfahren zur Anordnung der Nachtragsliquidation darlegen und glaubhaft machen. Erst dann könne er den Anspruch gegen die GmbH titulieren und danach wiederum einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezüglich des Anspruchs aus § 73 Abs. 3 GmbHG nach den §§ 829, 835 ZPO erwirken. Anschließend habe er den Prozess gegen den Liquidator zu führen. Dieses „Schutzdefizit“ stehe dem Gläubigerschutz von AktG und GmbHG entgegen. Der Gesetzgeber habe den vorgesehenen Direktanspruch in dem Gesetzentwurf von 1972 bzw. 1973 aber nicht aufgegeben, sondern angesichts anderer „vordringliche[r] Vorhaben“ zurückgestellt. Daher sei (heute) eine planwidrige Regelungslücke gegeben.

Der BGH schließt die Regelungslücke durch Heranziehung der § 268 Abs. 2 i.V.m. § 93 Abs. 5 AktG. Die Interessenlage in den Fällen des § 73 Abs. 3 GmbHG sei mit derjenigen des § 93 Abs. 5 AktG vergleichbar. Danach können die Gläubiger der Gesellschaft den Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Vorstand – nach § 93 Abs. 2 AktG – selbst geltend machen, wenn von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangt werden kann. Über § 268 Abs. 2 AktG gilt das auch für die pflichtwidrige Verteilung des Vermögens der GmbH durch die Abwickler. Diese Vereinfachung der Durchsetzung von Gläubigeransprüchen gelte für GmbH und AG gleichermaßen; der Abwickler der AG sei dem Liquidator der GmbH in der Liquidation vergleichbar. Die im Aktienrecht anders als im Recht der GmbH darüber hinaus bestehende Möglichkeit der Gläubiger, Rückgewähransprüche gegen die Aktionäre nach den §§ 264 Abs. 2, § 62 Abs. 1 AktG zu verfolgen, spreche gegen die hier angewandte Analogie nicht. Die Bejahung des Direktanspruchs gegen den Liquidator im Wege der Analogie zum Aktienrecht bedeute keine einseitige Risikoabwälzung auf den Liquidator; dieser sei nämlich zur Risikotragung nach § 73 Abs. 3 GmbHG (ohnehin) verpflichtet. Die nur mittelbare Durchsetzung des Anspruchs durch die Gläubiger – wie oben umschrieben – sei lediglich ein „umständlichere[r] und unsichere[r] Weg“ der Anspruchsrealisierung.

Die Voraussetzungen der §§ 268 Abs. 2, 93 Abs. 5 AktG analog, § 73 Abs. 3 GmbHG seien zu bejahen. Die Klägerin sei auch aktivlegitimiert. Der Direktanspruch sei nicht etwa subsidiär. Der Anspruch der Gesellschaft sei entgegen Literaturstimmen nicht vorrangig zu betrachten. Der Gläubiger müsse der GmbH zudem nicht etwa eine Frist setzen, um ihren Anspruch durchzusetzen. All diese Erwägungen in der Literatur erforderten eine Nachtragsliquidation, die der BGH als umständlich vermeiden will. Der Gläubiger könne daher auch Zahlung an sich verlangen und nicht etwa an die GmbH.

Der Senat vertieft hier nochmals sein zentrales Anliegen der „vereinfachten Gläubigerbefriedigung“ durch Heraushebung des Direktanspruchs. Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der § 73 Abs. 3 GmbHG, § 93 Abs. 5 AktG bejaht der BGH mit wenigen Argumenten unter Hinweis auf die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils. Eine gröbliche Pflichtverletzung, die § 93 Abs. 5 AktG fordert, sei nicht erforderlich, denn hier liege der Sondertatbestand des § 93 Abs. 3 Nr. 5 AktG vor, der unabhängig vom Grad des Verschuldens sei. Da dem Beklagten der Anspruch der Klägerin vor der Verteilung des Vermögens bekannt gewesen sei und das Vermögen der Gesellschaft ausgereicht habe, um die Forderung des Gläubigers zu befriedigen, habe er der Klägerin den gesamten Betrag von. 2.246,95 Euro zu zahlen.

In diesem Zusammenhang folgende Anmerkung:

Der Schutz der Gläubiger ist bei Konstellationen wie hier nur durch einen Direktanspruch effizient gewährleistet. Dieser ist im relevant, wenn das Vermögen der Liquidationsgesellschaft ausgereicht hätte, alle Gläubiger zu befriedigen. Ansonsten hätte nämlich der Geschäftsführer bzw. Liquidator Insolvenz anmelden müssen (§ 15a InsO), denn der Eintritt in die freiwillige Liquidation aufgrund Beschlusses der Gesellschafterversammlung der GmbH ändert nur den Gesellschaftszweck (in denjenigen der Abwicklung), befreit aber der Natur der Sache nach nicht von der Insolvenzantragspflicht bei Eintritt eines Insolvenzgrundes während der Liquidation. Sogar einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 18 InsO) könnte der Liquidator stellen. In dieser Lage einer GmbH spielt § 73 Abs. 3 GmbHG keine Rolle mehr, vielmehr steht in der Praxis das Haftungsrisiko des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG bzw. nach § 15a InsO im Vordergrund.

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Löschung einer vermögenslosen Gesellschaft ohne Liquidation

Eine AG oder eine GmbH kann ohne Liquidation und ohne Sperrjahr aus dem Handelsregister gelöscht werden. Nach der entsprechenden Vorschrift § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG, § 394 FamFG ist dafür Voraussetzung, dass die Gesellschaft vermögenslos ist. Die Vermögenslosigkeit muss ferner dem Registergericht nachgewiesen werden. Die Löschung wegen Vermögenslosigkeit verläuft wesentlich schneller als die Liquidation mit Sperrjahr. Doch Vorsicht: Hinsichtlich der Anforderungen kann es zu deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Registergerichten kommen.

In diesem Fall fallen Auflösung und das Erlöschen der Gesellschaft zusammen. Erforderlich ist ein entsprechender Gesellschaftsbeschluss. Die Bestellung und Anmeldung der Liquidatoren ist üblicherweise nicht entbehrlich. Die Liquidatoren müssen u.a. versichern, dass keine Prozesse mit der Gesellschaft als Partei anhängig sind, dass mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens noch nicht begonnen wurde und dass eine solche Verteilung mangels vorhandenen Vermögens auch nicht erfolgen wird.

Teilweise wird auch eine gleichzeitige Anmeldung der Auflösung der GmbH als auch deren Erlöschens für möglich erachtet. Das betreffende Verfahren ist mit dem Registergericht abzustimmen.

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Gläubigerbefriedigung in der Abwicklung

Eine zentrale Aufgabe der Abwickler / Liquidatoren ist die Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten. Die Abwickler dürfen kein Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter ausschütten, bevor nicht die Gesellschaftsgläubiger befriedigt worden sind, § 73 Abs. 1 GmbHG.

Zu den Gesellschaftsverbindlichkeiten zählen sämtliche Schulden der Gesellschaft gegenüber Drittgläubigern.

Drittgläubiger können auch die Abwickler und Gesellschafter sein. Bei den Gesellschaftern ist zu prüfen, ob ihre Forderungen aus dem Gesellschaftsverhältnis herrühren. Ist das der Fall, werden sie von der Ausschüttungssperre des § 73 GmbHG erfasst und dürfen erst nachrangig befriedigt werden. Mit ihren anderen Forderungen, also solchen, die auch Außenstehende gegenüber der GmbH begründen könnten, stehen die Gesellschafter, wie sich aus der Systematik der §§ 72, 73 GmbHG ergibt, hingegen auf gleicher Ebene mit den (Dritt-)Gläubigern.

Rechnet ein Gesellschafter seine unbestrittene Drittforderung gegen die noch offene Einlageschuld aufrechnet, verstößt dies deswegen auch nicht gegen § 19 Abs. 2 GmbHG.

Auch verstößt der Liquidator nicht gegen § 73 GmbHG, wenn er vor der Auflösung beschlossene Gewinnausschüttungen oder als rückzahlbar beschlossene Nachschüsse an die Anteilseigner auszahlt.

Gesellschafterdarlehen sind – soweit kein Rangrücktritt vereinbart wurde  – wie normale Drittverbindlichkeiten zu behandeln. Erst im Insolvenzfall treten alle Darlehensansprüche eines Gesellschafters im Rang zurück (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Außerhalb der Insolvenz können diese Forderungen prinzipiell getilgt werden. In der Liquidation rangieren sie nicht hinter den Ansprüchen Dritter. Besteht eine Rangrücktrittsvereinbarung ist die dort festgelegte Rangfolge zu beachten.

Auch der Liquidator selbst kann auf die Liquidationsmasse zugreifen, wenn er gegen die GmbH einen Anspruch z.B. aus vereinbartem Honorar, hat. Insbesondere steht hier § 181 BGB nicht entgegen, da es sich ja um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt.

Die Frage indessen, nach welchen Prioritäten und Grundsätzen die einzelnen Forderungen zu erfüllen sind, ist mit erheblichen Meinungskonflikten beladen.

Teilweise wird argumentiert, das noch verbliebene Gesellschaftsvermögen quotal unter den Gläubigern aufzuteilen. Auch bei der Liquidation gelte der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger aus § 1 S. 1 InsO. Außerdem: jeder andere Verteilungsmaßstab führt zur Bevorzugung einzelner Gläubiger und ist damit ungerecht.

Dieser Ansatz lässt jedoch die ansonsten geltende Rechtslage weitgehend außer Betracht. § 1 S. 1 InsO ist ausdrücklich auf das Insolvenzverfahren beschränkt und entfaltet darüber hinaus keine Wirkung.

Eine – zumindest im Grundsatz – gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger wird unter anderem dadurch vereitelt, dass die Titelinhaber unter ihnen ja jederzeit die Einzelzwangsvollstreckung betreiben können. Ein Zwangsvollstreckungsverbot – wie im Insolvenzverfahren – gibt es in der Abwicklung nicht. Titelinhaber haben so einen privilegierten Zugriff auf das Schuldnervermögen.

In der Liauidation gilt zwar somit grundsätzlich das Prinzip der „freien“ Gläubigerbefriedigung, eingeschränkt und gelenkt durch § 73 GmbHG. Ist jedoch für die Liquidatoren absehbar, dass das Vermögen nicht zur Befried igung aller Gläubiger ausreicht und es damit zu einer Schlechterstellung von Gläubigern kommen muss, haben sie ohnehin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Liquidationsmasse zu beantragen. Durch diesen Mechanismus landen sie am Ende wieder beim Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung.

Auch für die Verteilung der „masselosen Masse“ ist weitgehend anerkannt, dass es unstatthaft wäre, wenn der Abwickler mit dem verfügbaren Kapital gezielt und ausschließlich seine Forderungen und die der Gesellschafter bediente. Andererseits ist er aber auch nicht strikt an einen quotalen Verteilungsmodus gebunden; der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger gilt ja außerhalb des Insolvenzverfahrens gerade nicht. Vielmehr wird man dem Liquidator einen Ermessensspielraum zugestehen müssen, nach welchen Kriterien der Zweckmäßigkeit er die (zügige) Beendigung der GmbH herbeiführt.

Herfür kann man zusammenfasse: Ergibt sich für die Bevorzugung eines Gläubigers ein Sachgrund, so mag dieser die Bovorzugung berechtigen.

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Nachtragsliquidation einer kapitalistisch strukturierten GmbH & Co. KG

Oberlandesgericht München

Urteil verkündet am 23.01.2002

Aktenzeichen: 7 U 4255/01

HGB § 161 Abs. 1

AktG § 273 Abs. 4

Die Nachtragsliquidation einer kapitalistisch strukturierten GmbH & Co. KG erfolgt nicht durch den bisherigen, sondern durch einen analog § 273 Abs. 4 AktG gerichtlich neu zu bestellenden Abwickler; ersterer kann eine in die Nachtragsliquidation fallende Abwicklungsmaßnahme auch nicht im Wege der actio pro socio oder einer sonstigen Prozessführungsbefugnis geltend machen.

Verkündet am 23. Januar 2002

In dem Rechtsstreit (…)

erläßt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Goller und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Barwitz und Kotschy aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Januar 2002 folgendes Endurteil:

Tenor:

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

(…)

Tatbestand:

Die Klägerin zu 2), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, macht als alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin zu 1), einer bereits 1986 aufgelösten und nach Anmeldung der Beendigung der Liquidation mit Schreiben vom 12.10.1987 im Jahre 1988 im Handelsregister gelöschten Publikums-Kommanditgesellschaft, in deren Namen sowie in eigenem Namen eine ihrer Meinung nach von der Beklagten übernommene Verbindlichkeit des Dr. D. auf Leistung eines Teilbetrages von DM 100.000,00 auf dessen Kommanditeinlage in die Klägerin zu 1) in Höhe von DM 500.000,00 geltend, hilfsweise begehrt die Klägerin zu 2) die Feststellungen, dass die Klageforderung zu Recht bestehe und im Rahmen einer Abfindungsrechnung zu berücksichtigen sei.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass die Abwicklung der Klägerin zu 1) noch nicht beendet sei. Nach wie vor stünden erhebliche Beträge auf Kommanditeinlagen aus. Diese seien zur Abdeckung erheblicher Verbindlichkeiten erforderlich. Die Abtretung aller Aktiven und Passiven der Klägerin zu 1) an die M. Abwicklungstreuhand GmbH zum 31.10.1986 sei mangels Zustimmung aller Gesellschafter unwirksam. Sie, die Klägerin zu 2), sei daher als nach § 22 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin zu 1) berufene Liquidatorin befugt, die Nachtragsliquidation der Klägerin zu 1) zu be- und offene Einlagen einzutreiben. Die Klageforderung könne sie zudem in eigenem Namen geltend machen, da sie aus dem Bruch des Gesellschaftsvertrages durch den Mitgesellschafter W. und die Beklagte als frühere Gesellschaftsgläubigerin und heutige Mitgesellschafterin resultiere.

Die Beklagte hält die Klägerin zu 1) schon für nicht wirksam vertreten, da für sie kein Nachtragsliquidator bestellt worden sei. So habe das Bayerische Oberste Landesgericht bereits mit Beschluss vom 10.11.1992 die Ernennung der Klägerin zu 2) als Nachtragsliquidatorin der Klägerin zu 1) abgelehnt und in analoger Anwendung des § 273 Abs. 4 AktG ausgeführt, dass das Amt der Klägerin zu 2) für eine etwaige Nachtragsliquidation nicht wieder auflebe. Entsprechend habe auch der erkennende Senat am 12.04.2000 hinsichtlich der Schwestergesellschaft der Klägerin zu 1) entschieden. Die Klägerin zu 2) sei nicht prozessführungsbefugt, da nur der Liquidator rückständige Einlagen geltend machen könne. Auch habe sie, die Beklagte, nicht die Einlage des Dr. D. oder die Verpflichtung zu deren Zahlung übernommen. Weiter beruft sich die Beklagte auf Erfüllung und Verjährung nach § 159 HGB.

Das Landgericht München I hat die Klage am 18.06.2001 als unzulässig abgewiesen und sich dabei dem Standpunkt der oben genannten Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des erkennenden Senats angeschlossen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.

Im Übrigen wird auf das Ersturteil, die im Berufungsrechtszug zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 23.01.2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerinnen hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht die Klage hinsichtlich der Klägerin zu 1) mangels Prozessfähigkeit und hinsichtlich der Klägerin zu 2) mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen.

I.

Die Berufung der Klägerinnen ist zulässig; dies gilt insbesondere auch in Richtung der Klägerin zu 1).

Auch wenn das Erstgericht die Fähigkeit der Klägerin zu 1) verneint hat, Prozesshandlungen selbst oder durch selbst bestellte Vertreter wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen, war die Klägerin zu 1) für das Berufungsverfahren als prozessfähig zu behandeln. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. zuletzt BGHZ 110, 294, 295; NJW 1993, 2943, 2944; NJW 1996, 1059 f.) ist das Rechtsmittel der Partei, die sich dagegen wendet, dass sie in der Vorinstanz zu Unrecht, sei es als prozessfähig, sei es als prozessunfähig behandelt worden ist, ohne Rücksicht darauf zulässig, ob sie die sonst für die Prozessfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen aufweist. Anderenfalls bliebe ein an dem Verfahrensverstoß leidendes Urteil der Vorinstanz aufrechterhalten, erwüchse in Rechtskraft und könnte nur mit der Nichtigkeitsklage beseitigt werden.

II.

1. Die Berufung der Klägerin zu 1) ist nicht begründet; soweit im Namen der Klägerin zu 1) Klage erhoben worden ist, ist sie wegen fehlender Prozessfähigkeit der Klägerin zu 1) unzulässig.

Entgegen ihrer Ansicht ist die Klägerin zu 2) hier nicht zur Vertretung der Klägerin zu 1) befugt. Ihre Rechte als frühere Abwicklerin der Klägerin zu 1) leben auch dann nicht auf, wenn man mit den Klägerinnen eine Nachtragsliquidation für erforderlich hielte. Auf die Klägerin zu 1) ist insoweit nicht § 161 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 157 HGB anzuwenden, sondern in analoger Weise die Vorschrift des § 273 Abs. 4 AktG. Ein danach gerichtlich zu ernennender Nachtragsliquidator ist nach übereinstimmenden Vortrag der Parteien bisher nicht bestellt oder berufen worden.

a) Bei der Klägerin zu 1) handelt es sich um eine körperschaftlich strukturierte Publikumsgesellschaft. Sie war nach dem Gesellschaftsvertrag auf die Mitgliedschaft einer Vielzahl noch zu werbender Gesellschafter angelegt gewesen, die sich nur kapitalistisch beteiligt haben und mehr oder weniger zufällig zusammengeführt worden sind. Das ergibt sich nicht nur aus dem vorgelegten Zeichnungsschein (Anl. K 1), sondern auch aus § 2 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin zu 1) (Anl. K 4). Zudem war nach § 13 der zuletzt gültigen Fassung der Satzung ein Verwaltungsrat bei der Klägerin zu 1) gebildet worden, dem die Befugnisse eines Aufsichtsrates bei einer Aktiengesellschaft zukamen und der nach § 22 auch während der Liquidationsphase im Amt blieb. Die Klägerin zu 1) weicht damit wesentlich vom gesetzlichen Leitbild einer Kommanditgesellschaft ab.

b) Der Bundesgerichtshof hat daher solche Publikumspersonengesellschaften wie die Klägerin zu 1) in Ergänzung oder Abkehr von den §§161 ff. HGB mehrfach Sonderregeln unterstellt. So sind Gesellschaftsverträge solcher Gesellschaften nach objektiven Grundsätzen auszulegen (BGH WM 1979, 672; WM 1990, 714, 715) und unterliegen einer Inhaltskontrolle (BGHZ 64, 238, 241; 84, 11, 13 f.; 102, 172, 177 f.; 104, 50, 53 f.). Ladungsmängel führen anders als bei gewöhnlichen Personengesellschaften und ähnlich wie bei nicht zur Nichtigkeit führenden Mängeln im Rahmen der Einberufung zu Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften mangels Kausalität oder Relevanz (vgl. Hüffer, AktG, 4., Aufl., Rn. 11 ff. zu § 243) nicht immer zur Nichtigkeit der von der Gesellschafterversammlung getroffenen Beschlüsse (BGH WM 1983, 1407, 1408; WM 1987, 927, 928). Bei einer Publikumsgesellschaft mit mehr als 150 Gesellschaftern hat der Bundesgerichtshof die Einberufungsfrist in entsprechender Anwendung des § 121 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz AktG mit der Aufgabe der Einladungsschreiben zur Post beginnen lassen, wenn der Gesellschaftsvertrag keine ausdrücklich abweichende Regelung enthält (NJW 1998, 1946, 1947). Dem folgend haben das Oberlandesgericht Hamm (OLGZ 1991, 13, 17) und das Bayerische Oberste Landesgericht (ZIP 1993, 1086 ff.) § 273 Abs. 4 AktG entsprechend auf die Neubestellung oder Neuberufung von Abwicklern für eine Nachtragsliquidation einer Publikumsgesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG angewandt. Letzteres hat dies mit Beschluss vom 10.11.1992 gerade für die Klägerin zu 1) ausgeführt.

c) Diese analoge Anwendung drängt sich hier zudem deshalb auf, weil die Klägerin zu 2) als persönlich haftende Gesellschafterin nach dem Gesellschaftsvertrag der Kontrolle ihres Verwaltungsrates auch bei der Liquidation unterliegen soll. Ein alleiniges Aufleben von Rechten der Klägerin zu 2) als Abwicklerin wäre daher mit dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 1) unvereinbar.

2. Die Berufung der Klägerin zu 2) ist ebenfalls nicht begründet; soweit die Klägerin zu 2) in eigenem Namen Klage erhoben hat, war diese wegen fehlender Prozessführungsbefugnis unzulässig.

a) Als Ausfluss des Mitgliedschaftsrechtes kann nach zumindest gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein nicht allein zur Geschäftsführung berechtigter Gesellschafter einer Personengesellschaft in eigenem Namen von Mitgesellschaftern die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvertrag verlangen (BGH NJW 1985, 2830, 2831; NJW 1992, 1890, 1892). In einem solchen Fall steht dem einzelnen Gesellschafter die Prozessführungsbefugnis zu, da er ein berechtigtes Interesse hat, den Anspruch der Gesellschaft einzuklagen. Dasselbe gilt, wenn der oder die zur Geschäftsführung berechtigten Gesellschafter einer Personengesellschaft eine Forderung gegen einen Dritten aus gesellschaftswidrigen Gründen in bewusstem Zusammenwirken mit dem Dritten nicht einziehen (BGH NJW 2000, 734).

Hierauf indes kann sich die Klägerin zu 2) nicht berufen, soweit sie jetzt den ihrer Ansicht nach gegebenen Anspruch der Klägerin zu 1) auf Zahlung der Resteinlage in eigenem

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BFH, Urteil vom 1.7.2014 – IX R 47/13, zur Frage: Wann realisiert eine Kapitalgesellschaft den Auflösungsverlust für den Fall, dass später eine Nachtragsliquidation durchgeführt wird?

BFH, Urteil vom 1.7.2014 – IX R 47/13, zur Frage:

In welchem Jahr ist ein Auflösungsverlust zu berücksichtigen, wenn nach dem förmlichen Abschluss der Abwicklung eine Nachtragsliquidation durchgeführt wird?

Sachverhalt:

Der Kläger war Alleingesellschafter einer nach Insolvenz seit 2001 im Handelsregister gelöschten GmbH. 2005 wurde auf Betreiben von Gläubigern der GmbH eine Nachtragsliquidation angeordnet. Nach deren Abschluss 2005 erstellte die GmbH eine Schlussbilanz. Der Kläger begehrte danach, den gesamten aus der Auflösung der GmbH erzielten Verlust bei der Einkommensteuer 2005 zu berücksichtigen. Das FA lehnte dies ab. Die Klage hatte Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 4.6.2013, 2 K 2475/11, Haufe-Index 6449809). Das FG argumentierte mit der zivilrechtlichen Kontinuität der Gesellschaft im Fall einer Nachtragsliquidation.

Leitsätze:

1. Maßgebender Realisierungszeitpunkt des nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlusts ist auch im Fall einer Nachtragsliquidation derjenige, in dem mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen an den Gesellschafter und mit einer wesentlichen Änderung der durch die Beteiligung veranlassten Aufwendungen nicht mehr zu rechnen ist.
2. Fallen im Rahmen der Nachtragsliquidation Aufwendungen an, die nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. d. § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG sind, handelt es sich um ein nachträgliches Ereignis, das die Höhe des Auflösungsgewinns oder ‐verlusts beeinflusst und nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Zeitpunkt der Auflösung zurückzubeziehen ist.

Normenkette § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 17 EStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, § 273 Abs. 4 AktG

Entscheidung:

1. Bei der Ermittlung des Gewinns (oder Verlusts) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft oder aus der Auflösung der Gesellschaft ist eine Stichtagsbewertung vorzunehmen auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre.
2. Das bedeutet u. a., dass alle am jeweiligen Bewertungsstichtag bereits vorhersehbaren Risiken zu berücksichtigen sind. Es sind deshalb auch Sachverhalte zu berücksichtigen, die die GmbH am Bilanzstichtag zur Bildung einer Rückstellung verpflichten würden. Mit anderen Worten: Der Verlust muss zwar im Wesentlichen, aber noch nicht in voller Höhe endgültig feststehen.
3. Ein Auflösungsverlust ist nach der Rechtsprechung bereits in dem Jahr zu erfassen, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits (im Wesentlichen) feststehenden Verlusts nicht mehr zu rechnen ist, spätestens jedoch im Zeitpunkt des förmlichen Abschlusses der Liquidation, also mit der Eintragung im Handelsregister, dass die Gesellschaft gelöscht ist.
4. Entstehen nach diesem Zeitpunkt noch Aufwendungen, die sich auf die Höhe des Auflösungsverlusts auswirken (nachträgliche Anschaffungskosten), handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 AO). Der für die Berücksichtigung des Verlusts maßgebliche Zeitpunkt wird dadurch nicht beeinflusst.
5. Nichts anderes gilt, wenn nach dem förmlichen Abschluss der Liquidation eine Nachtragsliquidation durchgeführt wird. Der für die Berücksichtigung des Auflösungsverlusts maßgebliche Zeitpunkt (regelmäßig der Abschluss der Liquidation, nicht der Nachtragsliquidation) wird dadurch nicht beeinflusst. Unerheblich ist, dass die Gesellschaft im Fall einer Nachtragsliquidation handelsrechtlich als fortbestehend angesehen wird. Auf den Zeitpunkt der zivilrechtlichen Beendigung der Gesellschaft kommt es nicht an.

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Geschützt: Rechtliche Besonderheiten beim internationalen Handel mit Medizinalcannabis

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