Haftung des Geschäftsführers für Zahlung von Umsatz- und Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge nach Insolvenzreife

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der Geschäftsführer einer GmbH haftet nicht, wenn er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung rückständige Umsatz- und Lohnsteuer an das Finanzamt und rückständige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle zahlt. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 25. Januar 2011 (AZ: II ZR 196/09).

Nach § 64 GmbHG sind GmbH-Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung (Insolvenzreife) veranlasst haben, es sei denn, dass die Zahlungen auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Im vorliegenden Fall wurde im Januar 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH eröffnet. Der Insolvenzverwalter verlangte von deren ehemaligem Geschäftsführer Ersatz zweier Zahlungen, die dieser im Oktober 2005 zulasten des Gesellschaftsvermögens getätigt hatte. Hierbei handelte es sich um die Begleichung rückständiger Umsatz- und Lohnsteuer an das Finanzamt sowie rückständiger Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle. Der Insolvenzverwalter begründete seine Forderung damit, dass die GmbH zum Zeitpunkt der Zahlungen bereits überschuldet gewesen sei.

Hier hat der BGH entschieden, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft nicht für die getätigten Zahlungen haftet, da diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Wenn der Geschäftsführer einer GmbH (auch nach Eintritt der Insolvenzreife) fällige Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen nicht an das Finanzamt abführt, begeht er eine mit Geldbuße bedrohte Ordnungswidrigkeit nach § 26b UStG oder § 380 AO und setzt sich außerdem der persönlichen Haftung gemäß §§ 69, 34 Abs. 1 AO aus. Bereits in 2007 hat der BGH (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007, AZ: II ZR 48/06) entschieden, dass, bedingt durch den bestehenden Interessenkonflikt des Geschäftsführers zwischen der Befolgung der Massesicherungspflicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG und der steuerlichen Abführungspflicht, die Zahlung von Umsatz ? und Lohnsteuer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbart ist. Diese Rechtsprechung bezieht sich nicht nur auf laufende, erst nach Eintritt der Insolvenzreife fällig werdende Steuerforderungen, sondern auch auf Steuerrückstände. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann es dem Geschäftsführer nicht zugemutet werden, wegen des Zahlungsverbots aus § 64 GmbHG auf die Möglichkeit zu verzichten, die Voraussetzungen für eine Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens bzw. für die Verhängung einer geringeren Geldbuße sowie für die Befreiung von der persönlichen Haftung für die Steuerschuld zu schaffen. Wie der BGH in seinem Urteil vom 14. Mai 2007 ebenfalls entschieden hat, handelt der Geschäftsführer einer GmbH auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und haftet deshalb nicht nach § 64 GmbHG, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife fällige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die zuständige Einzugsstelle zahlt. Mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung kann ihm auch insoweit nicht zugemutet werden, diese Zahlung im Interesse einer gleichmäßigen und ranggerechten Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger im nachfolgenden Insolvenzverfahren zu unterlassen und sich dadurch wegen Untreue nach § 266 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 4 StGB strafbar und auch schadensersatzpflichtig zu machen. Insoweit gelten die gleichen Erwägungen wie zu den Steuerforderungen. Das gilt auch für die Frage, ob von der Privilegierung nur die laufenden, erst nach Eintritt der Insolvenzreife fällg werdenden Arbeitnehmerbeiträge oder auch die Beitragsrückstände erfasst werden.

Es widerspricht allerdings der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns im Sinne § 64 Satz 2 GmbHG, wenn der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle leistet. Denn nur das Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen ist in § 266 StGB unter Strafe gestellt und begründet eine Schadensersatzpflicht. Hinsichtlich der Arbeitgeberanteile fehlt es deshalb an einem Interessenkonflikt und damit an einem Grund, den Anwendungsbereich des Zahlungsverbots aus § 64 GmbHG einzuschränken.