Zur inkongruenten Deckung bei Befriedi­gung des Gläubigers aus einer erfüllungshal­ber abgetretenen Forderung

Anwalt - Nachtragsliquidator

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner ist als Nachtragsliquidator und Liquidator tätig.

BGH 19.12.2013, IX ZR 127/11:

Tritt ein Schuldner eine Forderung an den Gläubiger ab und soll sich der Gläubiger nach dem Willen der Parteien aus der abgetretenen Forderung befriedigen, handelt es sich in der Regel um eine Leistung erfüllungshalber. Erlangt der Gläubiger aus einer erfüllungs­halber abgetretenen Forderung Befriedigung, handelt es sich um eine inkongruente De­ckung, wenn die Abtretung ihrerseits anfechtbar ist.

Der Sachverhalt:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 30.6. am 20.8.2008 eröffneten In­solvenzverfahren über das Vermögen der F-GbR (Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb auf vom Beklagten gepachteten Flächen u.a. eine Erdbeerplantage. In dem im November 1998 geschlossenen Pachtvertrag war eine zwanzigjährige Laufzeit vereinbart. Im März 2002 schlossen der Beklagte und die beiden Gesellschafter der Schuldnerin zusammen mit einem weiteren Beteiligten einen Vertrag, mit dem der Beklagte der Schuldnerin ein Darlehen über 230.000 € ausschließlich für betriebliche Zwecke gewährte.

Aufgrund erheblicher Zahlungsrückstände sowohl aus dem Pacht- als auch dem Darle­hensvertrag vereinbarten der Beklagte, die Schuldnerin, deren Gesellschafter und der weitere Beteiligte am 4.5.2007 einen Zahlungsplan, mittels dessen die Rückstände durch Zahlungen der Schuldnerin – zuvörderst auf die Darlehensschuld – abgetragen werden sollten. Die Schuldnerin kam ihren Zahlungspflichten im Jahr 2007 i.H.v. 88.000 € nicht nach. Der Beklagte kündigte am 29.1.2008 die geschlossenen Verträge und berief sich auf sein Pfandrecht aus dem Landpachtvertrag.

Am 10.3.2008 schlossen der Beklagte und die Schuldnerin einen Saisonpachtvertrag für den Zeitraum 11.3. bis 20.7.2008 über die Flächen der Erdbeerplantage. In diesem Ver­trag vereinbarten die Parteien in Nr. 3 unter der Überschrift „Abtretung Erlöse Erdbeerern­te“, dass die Erlöse aus der Erdbeerernte grundsätzlich der Schuldnerin zustehen sollten. Allerdings verpflichtete sich die Schuldnerin, die einen Anlieferungsvertrag mit der L. e.G. schließen wollte, die Abnehmerin der Erdbeeren anzuhalten, an elf Abrechnungstermi­nen jeweils 10.900 € einzubehalten und direkt an den Beklagten auszuzahlen. Die Zahlun­gen der Abnehmerin an den Beklagten sollten vorrangig auf die rückständige Darlehens­schuld angerechnet werden. Aus dem Verkauf der Erdbeeren erhielt der Beklagte am 18.6.2008 einen Betrag i.H.v. rd. 23.000 €. Der Kläger verlangt diesen Betrag unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung zurück.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Beru­fungsurteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:

Die Zahlung der Abnehmerin der Erdbeeren an den Beklagten in Höhe von 23.368,90 € hat zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt.

Es fehlt regelmäßig an einer Gläubigerbenachteiligung, wenn sich ein Gläubiger aufgrund eines insolvenzfesten Absonderungsrechts befriedigt oder der Schuldner das Absonde­rungsrecht durch Zahlung ablöst. Denn Rechtshandlungen, die ausschließlich schuldner­fremdes Vermögen betreffen, wirken sich nicht auf die Insolvenzmasse und damit die Be­friedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger aus. Als gesetzliches Pfandrecht be­gründet auch das Verpächterpfandrecht aus § 592 BGB ein Absonderungsrecht (§ 50 Abs. 1 InsO). Durch die Zahlung i.H.v. rd. 23.000 € war nicht ausschließlich schuldner­fremdes Vermögen betroffen. Weder hat sich der Beklagte aus einem Verpächterpfand­recht befriedigt noch hat die Schuldnerin ein solches durch Zahlung abgelöst. Im maß­geblichen Zeitpunkt war das Pfandrecht bereits erloschen.

Die Zahlung hat der Beklagte durch die Abnehmerin der Erdbeeren erlangt, und zwar aus dem durch den Saisonpachtvertrag vom 10.3.2008 abgetretenen Recht der Schuldnerin. Nach den in diesem Vertrag getroffenen Regelungen ist die Abtretung der Ansprüche aus dem Verkauf der Erdbeeren als Leistung erfüllungshalber zunächst auf die Darlehens­forderung und sodann die Pachtforderungen aus dem früheren Pachtvertrag anzusehen. Tritt ein Schuldner einen Anspruch an den Gläubiger ab, gilt die Auslegungsregel des § 364 Abs. 2 BGB zwar nicht unmittelbar. Im Allgemeinen ist aber eine Leistung erfüllungs­halber anzunehmen, weil der Gläubiger regelmäßig nicht bereit sein wird, das Bonitätsri­siko (§ 365 BGB) zu tragen. Dies gilt vorliegend besonders, denn die Abtretung bezog sich auf künftige Forderungen aus einem noch gar nicht geschlossenen Vertrag.

Im Falle einer Leistung erfüllungshalber erlischt das Schuldverhältnis erst, wenn der Gläu­biger sich aus dem Geleisteten befriedigt. Zuvor kann demnach auch ein Verpächter­pfandrecht, das die zu befriedigende Forderung sichert, nicht abgelöst werden. Als der Beklagte am 18.6.2008 Befriedigung erlangt hat, war das Verpächterpfandrecht an den veräußerten Erdbeeren bereits erloschen (§ 592 S. 4, § 562a S. 1 BGB). Die Erdbeeren waren geerntet und zum Zwecke der Veräußerung von den gepachteten Flächen entfernt worden. Weil das Verpächterpfandrecht bereits erloschen war, ist es unerheblich, ob die in Rede stehenden Forderungen aus dem früheren Pachtvertrag und dem Darlehensver­trag durch ein solches gesichert waren.

Der objektiven Gläubigerbenachteiligung steht auch nicht die mit dem Saisonpachtver­trag erfolgte Abtretung der Ansprüche aus der Veräußerung der Erdbeeren entgegen. Diese ist gem. § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Auf die erfüllungshalber erfolgte Abtretung der Ansprüche aus der Veräußerung der Erdbeeren hatte der Beklagte keinen Anspruch. Sie stellt daher eine inkongruente Deckung dar. Aus Sicht des Beklagten bestand ange­sichts der Zahlungsprobleme der Schuldnerin unstreitig auch Anlass zu Zweifeln an de­ren Liquidität. Auch die übrigen Voraussetzungen des von dem Kläger geltend gemach­ten Rückgewähranspruchs liegen vor (§ 143 Abs. 1 S. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Zah­lung der Abnehmerin der Erdbeeren an den Beklagten erfolgte am 18.6.2008 und damit im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie war inkon­gruent, weil nach den vorstehenden Ausführungen auch die Abtretung in dem Saison­pachtvertrag anfechtbar war und deshalb das Forderungsrecht des Beklagten nicht in­solvenzfest begründet wurde.

Haftung des Geschäftsführers bei Zahlung nach Insolvenzreife

Anwalt

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner ist bei der IHK Berlin als Nachtragsliquidator registriert

Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH ist ein weites Feld. Eine Haftung trifft den Geschäftsführer in allererster Linie im Falle der Insolvenz der GmbH. Insolvenzverwalter begründen mittlerweile häufig die Insolvenzeröffnung einer ansonsten vermögenslosen GmbH mit Rückgriffsansprüchen gegen den Geschäftsführer.

Haftungsträchtig ist insbesondere jede Zahlung nach Insolvenzreife. Wird eine GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet, darf der Geschäftsführer grundsätzlich keine Zahlungen mehr für die Gesellschaft leisten. Nach § 64 S. 1 GmbHG ist der Geschäftsführer zum Ersatz derartiger Zahlungen gegenüber dem Insolvenzverwalter verpflichtet.

Ein Problem tritt jedoch auf, wenn der Geschäftsführer zu der Zahlung (auch nach Eintritt der Insolvenzreife) verpflichtet ist. Hier spricht man von einer Pflichtenkollision des Geschäftsführers.

Eine Ausnahme von dieser Haftung besteht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Ob Zahlungen an die Sozialversicherungsträger hierunter fallen, war früher umstritten. Der Geschäftsführer stand immer in der Gefahr, bei Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Insolvenzverwalter zu haften und bei Nichtzahlung dem Sozialversicherungsträger für die Arbeitnehmeranteile zu haften und sich insoweit auch strafbar zu machen.  In  zwei Urteilen vom 14.05.2007 und 02.06.2008 wies der BGH darauf hin, dass ein Geschäftsführer, der nach Insolvenzreife seiner strafbewehrten Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge nachkommt, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt und insoweit nicht persönlich gegenüber dem Insolvenzverwalter haftet.

Der Geschäftsführer muss jedoch unterscheiden: Strafbewehrt ist nur die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmeranteile. Führt der Geschäftsführer einer insolventen GmbH auch die Arbeitgeberanteile ab, kann er insoweit vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden. Führt er nur einen Betrag in Höhe der Arbeitnehmeranteile ab, gibt aber nicht an, dass die Zahlung nur auf die Arbeitnehmeranteile erfolgt, wird die Zahlung kraft Gesetzes je zur Hälfte auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile verrechnet. In Höhe des nicht gezahlten Arbeitnehmeranteils haftet der Geschäftsführer dann gegenüber dem Sozialversicherungsträger, in Höhe der Zahlung auf die Arbeitgeberanteile dem Insolvenzverwalter.

Der vom BGH aufgestellte Grundsatz, dass ein Geschäftsführer einer insolventen GmbH bei einer Zahlung dann mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt, wenn er sich bei Unterlassen der Zahlung strafbar machen würde, hat auch in anderen Fällen eine günstige Konsequenz für den Geschäftsführer. In einem vom BGH am 05.05.2008 entschiedenen Fall hatte eine Schwestergesellschaft an eine insolvente GmbH einen Betrag mit der Vereinbarung gezahlt, dass die GmbH den Betrag in bestimmter Weise weiterleiten sollte. Dies erfolgte auch, danach stellte der Geschäftsführer für die GmbH selbst einen Insolvenzantrag. Der BGH verneinte hier eine Haftung gegenüber dem Insolvenzverwalter mit der Begründung, dass sich der Geschäftsführer bei entgegen der Absprache nicht erfolgter Weiterleitung der erhaltenen Beträge gegenüber der Schwestergesellschaft einer Untreue strafbar gemacht hätte. Wenn aber der Geschäftsführer einer insolventen GmbH eine Zahlung leistet, um einer eigenen Strafbarkeit zu entgehen, sei diese Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu vereinbaren.

Geschäftsführerhaftung: Der Geschäftsführer einer GmbH haftet auch bei fehlender Kenntnis und fehlender Fähigkeit zur Prüfung der Insolvenzreife

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.06.2012 – II ZR 243/11 –

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der Entscheidung zur Geschäftsführerhaftung lag folgender Fall zugrunde: Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen auf eigenen Antrag das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangte von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Zahlungen ersetzt, die nach Insolvenzreife zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet wurden.

Der BGH entschied zu Gunsten des Klägers. Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG in der bis 31. Oktober 2008 gültigen Fassung (jetzt: § 64 S. 1 GmbHG) ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet wurden. Diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des Gerichtes vor. Zum Zeitpunkt der Zahlungen bestand unter dem Gesichtspunkt der Überschuldung Insolvenzreife.

Die Haftung des Geschäftsführers setzt Verschulden vor. Dabei genügt einfache Fahrlässigkeit. Maßstab ist nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a.F. die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes.

Hierzu stellt der BGH im genannten Urteil fest:

Auf die individuellen Fähigkeiten kommt es nicht an. Ebenso entschuldigt ihn nicht eine mangelnde Sachkenntnis. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögens leistet, wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2012 – II ZR 171/10). Als Ausgangspunkt reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus, wobei die Erkennbarkeit als Teil des Verschuldens vermutet wird (vgl. BGH, Urt. v. 29.09.1999 – II ZR 273/98 = BGHZ 143, 184).

Der Geschäftsführer hat sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets zu vergewissern. Er handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen. Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen muss, die ihm zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.1995 – II ZR 9/94).