Finanzgericht Köln: Geschäftsführerhaftung für Umsatzsteuerschulden einer GmbH in der Insolvenz

Wenn das das Finanzamt im Insolvenzfall einer GmbH mit Steuerforderungen ausfällt, nimmt es regelmäßig den Geschäftsführer in die Haftung. Unter welchen Voraussetzungen das möglich ist, wie schnell die Finanzgerichte den Verschuldensmaßstab der groben Fahrlässigkeit anlegen und inwieweit der „Grundsatz der anteiligen Tilgung“ anzuwenden ist, zeigt eine Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 17.06.2009 (FG Köln, 11 K 3017/05).

Sachverhalt:
Ein GmbH-Geschäftsführer hatte in den Umsatzsteuervoranmeldungen eine zu geringe Umsatzsteuerschuld ausgewiesen. Die später eingereichten berichtigten Anmeldungen führten zu erheblich höheren Umsatzsteuerfestsetzungen, mit denen das Finanzamt sodann im Zuge der Insolvenz der GmbH ausfiel. Es nahm den Geschäftsführer mit einer geschätzten Ausfallquote von 70% des Gesamtausfalls in Haftung. Hiergegen wendete sich der Geschäftsführer mit seiner nur teilweise erfolgreichen Klage.

Entscheidung:
Grundlage der Geschäftsführerhaftung sind § 69 i.V.m. § 34 AO

Gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer, § 34 Abs. 1 AO i.V.m. § 35 GmbHG. Er muss für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH Sorge tragen und deshalb Steuererklärungen rechtzeitig und wahrheitsgemäß abgeben (§ 18 Abs. 1, 3 UStG). Aus der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt sich nach der Finanzrechtsprechung außerdem die Verpflichtung, die fälligen Steuern aus den verwalteten Mitteln zu bezahlen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen.

Grob fahrlässige Pflichtverletzung:
Nach Auffassung des FG hatte der Kläger diese Pflichten verletzt. In den Umsatzsteuervoranmeldungen wurde eine zu geringe Umsatzsteuerschuld ausgewiesen. Die in der Folge eingereichten berichtigten Anmeldungen führten zu einer erheblich höheren Steuerfestsetzung. Dies lasse den Schluss zu, dass die zunächst abgegebenen Voranmeldungen nicht sorgfältig und vollständig erstellt worden sind. Außerdem habe der Kläger damit die ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten zur rechtzeitigen Zahlung der von der GmbH geschuldeten Umsatzsteuerbeträge nicht erfüllt.

Dies sei auch zumindest in grob fahrlässiger Weise und damit schuldhaft geschehen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH indiziert die in der Nichtentrichtung von Steuern liegende Pflichtwidrigkeit den gegenüber dem Geschäftsführer zu erhebenden Schuldvorwurf.

Auch der Einwand, die Zahlungsschwierigkeiten seien maßgeblich durch Hinhaltetaktik eigener Schuldner verursacht worden, änderte am Schuldvorwurf nichts. Denn es bei Zahlungsschwierigkeiten zu den Pflichten einer GmbH, ihre Steuerschulden in gleicher Weise zu tilgen wie die übrigen Schulden der Gesellschaft. Ein Geschäftsführer, der hiergegen verstößt, handelt in der Regel, d.h., soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen, zumindest grob fahrlässig.

Haftungsbegrenzender Grundsatz der anteiligen Tilgung:
Zu prüfen ist allerdings stets, ob zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der geschuldeten Abgabenbeträge entstandenen Vermögensschadens ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Maßstab ist u.a. bei der Haftung für Umsatzsteuerschulden der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung.

Dieser besagt, dass der gesetzliche Vertreter nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, in dem er bei der Tilgung der Gesamtverbindlichkeiten das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat. Denn verlangt wird von einem GmbH-Geschäftsführer, dass er in Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu einer in etwa anteiligen Befriedigung des Finanzamts und der übrigen Gläubiger verwendet. Der Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt entfällt, wenn mangels ausreichender Zahlungsmittel auch bei fristgerechter Abgabe der Steueranmeldung die geschuldete Steuer nicht hätte an das Finanzamt abgeführt werden können.

Die Feststellungslast für eine nicht anteilige, sondern nachteilige Befriedigung des Finanzamts trägt dieses. Der Haftungsschuldner hat jedoch eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht besteht die Verpflichtung, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen hat das Finanzamt die Haftungsquote zu ermitteln oder – soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann – im Schätzungswege gem. § 162 AO die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt. Eine ungerechtfertigte Weigerung des Haftungsschuldners, in seinem Wissensbereich liegende Auskünfte zu erteilen, kann das Finanzamt bzw. das Finanzgericht zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen.

Vor diesem Hintergrund schätzte das Finanzgericht im Streitfall nach Auswertung diversen Zahlenmaterial eine für den Geschäftsführer etwas günstigere Quote. An der grundsätzlichen Haftung aber ändert das nichts.