Eine Kapitalgesellschaft ist innerhalb wie außerhalb der Liquidation als Handelsgesellschaft gem. §§ 238ff. HGB buchführungspflichtig. Das Bilanzrecht aus dem Handelsgesetzbuch ist auch in der Liquidation anwendbar. Den Liquidator treffen identische Buchführungs- Rechnungslegungspflichten mit einer damit verbundenen Schadensersatzhaftung.
Archiv für den Monat: Februar 2015
Amtsniederlegung eines Liquidators
Der Liquidator kann sein Amt jederzeit ohne Angabe eines wichtigen Grundes niederlegen (Amtsniederlegung des Liquidators). Die Niederlegung ist sofort wirksam. Grundsätzlich ist die Amtsniederlegung gegenüber den Gesellschaftern erklärt werden. Wurde der Liquidator gem. § 66 Abs. 2 GmbHG durch das Gericht bestellt, kann er die Amtsniederlegung gegenüber dem bestellenden Registergericht als auch gegenüber den Gesellschaftern erklären.
Zu GmbHG §§ 66, 74 (Amtsniederlegung eines GmbH-Liquidators) hat das BayObLG, Beschluss vom 13.1.1994 – 3 Z BR 311/93 – entschieden:
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Die Amtsniederlegung eines Liquidators ist grundsätzlich sofort wirksam; hierfür muss weder ein wichtiger Grund vorliegen noch behauptet werden.
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Der Einmann-Gesellschafter-Liquidator hat eine Amtsniederlegung gegenüber dem Registergericht zu erklären.
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Die Anmeldung des Liquidators, dass die Liquidation beendet und die Firma (Gesellschaft) erloschen sei, enthält auch ohne ausdrückliche Erklärung die Niederlegung des Liquidatorenamtes und die Anmeldung von dessen Beendigung.
Aus dem Tatbestand:
Im Handelsregister sind die X-GmbH i. L. und der Beteiligte als ihr Liquidator eingetragen. Die Anmeldung des Beteiligten vom 6. 8. 1993, er habe das Amt des Liquidators niedergelegt, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13. 10. 1993 zurückgewiesen. Der hiergegen eingelegten Erinnerung des Anmelders haben Rechtspfleger und Registerrichter nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Erinnerung als Beschwerde behandelt und als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten.
Aus den Gründen
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann der Liquidator sein Amt jederzeit und fristlos niederlegen, wenn die Satzung hierzu keine Regelung enthält. Für eine wirksame Amtsniederlegung ist ein wichtiger Grund nicht erforderlich, auch nicht die Behauptung eines solchen (h.M.Nachweise: OLG Köln GmbHR 1983, 304; Baumbach/ Hück/Schulze-Osterloh GmbHG 15. Aufl. Rz. 31, Scholz in: Karsten Schmidt (Hrsg.), GmbHG, 7.Aufl. Rz.51; Rowedder/Rasner GmbHG 2. Aufl. Rz. 17, Hachenburg/ Hohner GmbHG, 7. Aufl. Rz. 4, je zu § 66; für den vergleichbaren Fall der Amtsniederlegung eines Geschäftsführers BGHZ 121, 25).
Die Amtsniederlegung wird grundsätzlich wirksam, sobald sie dem Erklärungsgegner zugeht. Das sind zunächst die übrigen Liquidatoren. Falls solche nicht vorhanden sind, die Gesellschafter (vgl. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh § 66 Rz. 30 m. w. N.). Ist, wie hier, bei einer Einmann-GmbH der Gesellschafter alleiniger Liquidator, kann er sein Amt nur durch Erklärung gegenüber dem Registergericht niederlegen (vgl. Rowedder/Rasner a.a.0.). In einem solchen Fall kann deshalb die Anmeldung der Amtsniederlegung nicht, wie das Amtsgericht meint, mit der Begründung zurückgewiesen werden, der Liquidator sei hierfür nicht antragsberechtigt.
Die Vorinstanzen haben den nach Aktenlage für die Entscheidung zusätzlich maßgeblichen Sachverhalt weder festgestellt noch gewürdigt. Der Liquidator hat mit notariell beglaubigter Urkunde vom 17. 3. 1993 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, dass die Liquidation beendet und die Firma erloschen sei. Diese Anmeldung ist am 22. 3. 1993 beim Registergericht eingegangen. Eine solche Anmeldung schlieBt regelmaBig die Niederlegung des Liquidatorenamtes und die Anmeldung von dessen Beendigung in sich (vgl. BGHZ 53, 264/267 = DNotZ 1970, 427; Scholz in: Carsten Schmidt, GmbHG, §67 Rz. 9). In einem solchen Fall bedarf es daher einer besonderen Anmeldung der Beendigung des Liquidatorenamtes selbst dann nicht, wenn die Liquidatoren ihr Amt auch noch ausdrUcklich niedergelegt haben. Deshalb war die besondere Anmeldung der Niederle別ng des Amtes vom 6. 8. 1993 zwar unschadlich, aber auch unerheblich, da hier die Beendigung des Liquidatorenamtes auch ohne weitere Anmeldung einzutragen ist und eine 比rmliche Entscheidung ti ber eine solche Anmeldung dann regelmaBig entbehrlich wird (vgl. Hachenburg/Hohner§74 Rz. 30 m. w. N.).
Liquidatoren der anderen Art: Die Firmenbestatter
Die Firmenbestatter
Mit diesen Aussagen:
- Anstatt Insolvenz anzumelden und dann den lästigen Insolvenzverwalter in meine Bücher reinschauen zu lassen, können Sie Ihre GmbH auch einfach liquidieren!
- Haben Sie Angst, weil Sie wegen Insolvenzverschleppung strafbar und gegenüber Gläubigern haftbar sein könnten?
- Dann verkaufen Sie Ihre Gesellschaft. Wir übernehmen! Ohne Insolvenzverwalter! Die elegante Methode, eine unangenehme GmbH loszuwerden, ohne dass Ihnen jemand auf die Schliche kommt.
werben die sogenannten „Firmenbestatter“.
Beim sogenannten „Abwicklungsverkauf“ wird die Gesellschaft (GmbH, GmbH & Co. KG, AG…) zum Zwecke der Liquidation an eine sogenannte „Liquidationsgesellschaft“ veräußert. Das Liquidationsverfahren führt die Liquidationsgesellschaft „als professioneller Liquidator“ d.h. Firmenbestatter durch.
Es wird in Anzeigen behauptet, je nach Struktur der Gläubiger und Verbindlichkeiten sei eine „stille“ oder „kalte“ Liquidation eine Möglichkeit, die Beantragung einer Insolvenz zu vermeiden. Es heißt dort z.B. ausdrücklich: „Eine Insolvenz kann durch eine Liquidation vermieden werden.“
Das ist natürlich falsch! Sollte eine GmbH insolvent werden, so haben die Geschäftsführer nach § 17, 18 InsO die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zu beantragen (Antragspflicht). Kommt der Geschäftsführer dieser Verpflichtung nicht nach, macht er sich ggf. gem. § 84 GmbHG strafbar und gem. § 64 GmbHG schadensersatzpflichtig. An diesen bereits entstandenen Verantwortlichkeiten kann auch die Bestellung von Firmenbestattern nichts ändern. Eine seriöse Rechtsberatung kann Sie dazu beraten, wie mit diesen bereits verwirklichten Straf- und Haftungstatbeständen umgegangen werden kann.
Kommt ein Verfahren zur Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen vor den Gutachter, hat dieser zu prüfen, ob etwaige Ansprüche oder etwaiges Vermögen der Gesellschaft vorhanden sind, durch deren Realisierung die voraussichtlichen Kosten des Insolvenzverfahrens getragen werden. Diese spezialisierten Insolvenzverwaltungsbüros spüren in der Regel bereits im Prüfungsverfahren verstecktes Vermögen oder nicht genutztes Vermögen der GmbH auf, um mittels deren Realisierung ihr eigenes Einkommen zu erzielen. Dabei werden heutzutage insbesondere die Ansprüche der Gesellschaft gegen Gesellschafter und Geschäftsführer aus den §§ 64 GmbHG, § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 16ff InsO geprüft. In den Focus geraten dabei auch zunehmend Ansprüche gegen frühere Gesellschafter-Geschäftsführer. Gibt ein Gesellschafter-Geschäftsführer seine GmbH an einen Firmenbestatter ab, so entgeht er der In-Anspruchnahme durch den Insolvenzverwalter keineswegs. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hilft den Insolvenzverwaltern dabei.
Folgende Werbeaussagen der Firmenbestatter findet man nicht selten im Internet:
„Die Liquidation empfiehlt sich auch für Gesellschaften, welche unter Massearmut leiden, aber hohe Rückstellungen gebildet haben oder liquide Mittel anderweitig verhaftet sind (stille Reserven, Bürgschaften, Pensionsansprüche). Die Gesellschaft kann in ein anderes Bundesland sitzverlegt werden, um zum Beispiel regionale Befindlichkeiten, (Veröffentlichung im Bundesanzeiger usw.) zu umgehen. Die Sitzverlegung muss jedoch plausibel und in einem rechtlich sicheren Rahmen erfolgen. Eine Firmenabwicklung sollte geplant und koordiniert vollzogen werden, um eventuelle Verstimmungen seitens der Gläubiger zu vermeiden. Die Liquidation wird am Ende des Verfahrens die Löschung im Handelsregister beinhalten. Das Verfahren ist langjährig etabliert und wird bevorzugt von Unternehmen, welche selbst nicht durch eine Insolvenz oder Liquidation ‚in die Öffentlichkeit gezerrt‘ werden wollen.“
Die Liquidation soll nach Aussage der Firmenbestatter folgende Vorteile bieten:
- „Ausscheiden des Geschäftsführers
- Durchführung des Verfahrens in einem anderen Bundesland möglich
- Bonitätserhalt des Alt-Geschäftsführers
- Neue Zeit- und Handlungsoptionen
- Forderungsminimierung durch Gläubigervergleiche
- Vermeidung der Risiken des Insolvenzverfahrens
- Gesetzeskonforme Variante für die Liquidierung der Gesellschaft“
Leider sind bis auf Nr. 1 und 2 sämtliche weiter genannten Punkte (oben Nr. 3 – 7) leere Versprechungen. Firmenbestatter können derartiges nicht leisten, da sie nicht dafür sorgen, dass Gläubigerrechte befriedigt werden.
Zum Trost versprechen die Firmenbestatter dann noch:
„Die Liquidatoren werden dann Geschäftsführer und Gesellschafter zusätzlich zum Insolvenzverwalter ‚vornehmen‘. Sollte nämlich der erfolgreiche Abschluss des Liquidationsverfahrens nicht möglich werden, führen die Firmenbestatter die Unternehmensliquidation im vom Gericht eingesetzten Insolvenzverwalter geführten Insolvenzverfahren fort.“
„In jedem Falle sind Sie als Geschäftsführer längst ausgeschieden, so dass die mit dem Insolvenzverfahren einhergehende Ansehens- und Bonitätsbeeinträchtigung vermieden wird. Die Bedingungen und Voraussetzungen für das professionelle und ordentliche Liquidationsverfahren sind vom Gesetzgeber gesetzlich geregelt.“
„Zu beachten bleiben jedoch im Insolvenzverfahren die massiven Gefahren durch die Insolvenzanfechtung.“
Firmenbestatter werben in diesem Zusammenhang gerne mit Slogans wie:
„Sie möchten Ihre Gesellschaft zum Zwecke der Liquidation verkaufen? Sie möchten die bereits bestehende Liquidation der Gesellschaft übertragen? Gerne. – Wir übernehmen das „Ruder“! Der Verkauf zum Zwecke der Liquidation kann auch als Alternative zum regulären Insolvenzverfahren durchgeführt werden.“
„Der Unterschied zum Insolvenzverfahren besteht darin, dass der Vermögenszugriff und die Abwicklung unter Gesellschafterhoheit bestehen bleibt.“
Bestellung der Liquidatoren einer GmbH durch das Gericht – Der gerichtlich bestellte Liquidator
§ 67 GmbHG
Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Nachtragsliquidator
Der Schadensersatzanspruch einer Genossenschaft gegen ihren Nachtragsliquidator wegen Verletzung seiner Pflichten verjährt nach § 34 Abs. 6 GenG in fünf Jahren.
Der mögliche Schadensersatzanspruch der Genossenschaft (hier: der LPG) gegen den Nachtragsliquidator ergibt sich aus § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG. Diese Vorschrift regelt die Organhaftung des Vorstandes, der seine Pflichten gegenüber der Genossenschaft verletzt. Sie gilt gemäß § 89 Satz 1 GenG auch für den Liquidator einer Genossenschaft. Auf die Tätigkeit des Nachtragsliquidators, dessen Rechte und Pflichten im Genossenschaftsgesetz nicht gesondert geregelt sind, ist sie in gleicher Weise anzuwenden.
Die Durchführung der Nachtragsliquidation unterliegt den allgemeinen Vorschriften über die Liquidation einer Genossenschaft jedenfalls insoweit, als dies dem eingeschränkten Zweck einer Nachtragsliquidation nicht widerspricht1. Die Sorgfaltspflichten, die ein Liquidator gegenüber der Genossenschaft zu beachten hat, werden durch den eingeschränkten Zweck der Nachtragsliquidation nicht berührt. Daher gelten für die Liquidatoren im Verfahren der Nachtragsliquidation die gleichen Haftungsregeln wie bei jeder Liquidation2.
Ein Schadensersatzanspruch aus § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG verjährt, auch wenn er sich gegen den Liquidator der Genossenschaft richtet (§ 89 Satz 1 GenG), gemäß § 34 Abs. 6 GenG in fünf Jahren. Nichts anderes gilt für den Nachtragsliquidator, da sich aus seiner besonderen Aufgabenstellung keine Gründe ergeben, die es rechtfertigen, die den Nachtragsliquidator treffende Organhaftung aus § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG abweichend von § 34 Abs. 6 GenG der allgemeinen Verjährungsfrist zu unterstellen.
Soweit im hier entschiedenen Fall das Berufungsgericht3, das eine analoge Anwendung des § 34 Abs. 6 GenG erwogen und abgelehnt hat, darauf abgestellt hat, dass die Rechte und Pflichten des Nachtragsliquidators im Genossenschaftsgesetz nicht speziell geregelt seien, spricht dies nicht für einen Rückgriff auf die Regelverjährung, sondern für die Anwendung der Bestimmungen, die für die Liquidation im Allgemeinen gelten. Zu diesen Bestimmungen gehört § 34 Abs. 6 GenG in Verbindung mit § 89 Satz 1 GenG.
Auch der Hinweis auf Erwägungen der Bundesregierung, die das Gesetzgebungsverfahren bei der Neufassung der allgemeinen Verjährungsvorschriften begleitet haben4, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar wurde in der Begründung des Gesetzentwurfs die Beibehaltung der kenntnisunabhängigen fünfjährigen Verjährungsfrist in Fällen gesellschaftsrechtlicher Organhaftung auch damit gerechtfertigt, dass es insoweit um die Folgen unternehmerischer Entscheidungen gehe und Geschäftsführer und Vorstände für ihre Tätigkeit nach objektiven Kriterien Gewissheit benötigten, ab wann ihnen für ein bestimmtes Verhalten keine Inanspruchnahme mehr drohe. Diese Erwägungen haben den Gesetzgeber aber nicht dazu bewogen, die Liquidatoren einer Gesellschaft von der für die Organhaftung einschlägigen Verjährungsregelung auszunehmen (vgl. neben §§ 34, 89 Satz 1 GenG auch §§ 43, 71 Abs. 4 GmbHG und §§ 93, 268 Abs. 2 AktG). Die gegenüber dem Geschäftsleiter einer werbenden Gesellschaft unterschiedliche Aufgabenstellung des Nachtragsliquidators gibt daher keinen hinreichenden Anlass für eine Ausnahme von der für die Organhaftung geltenden Verjährungsregelung. Begründen ließe sich eine verjährungsrechtliche Sonderstellung des Nachtragsliquidators allenfalls, wenn (auch) zu der Tätigkeit eines Liquidators im Allgemeinen wesentliche und für die Ausgestaltung der Haftung bedeutsame Unterschiede bestünden. Derartige Unterschiede sind aber nicht gegeben.
Die Vorschrift des § 34 Abs. 6 GenG gilt auch für den Nachtragsliquidator einer LPG; ihre Anwendbarkeit beschränkt sich nicht auf einen Teilbereich seiner Abwicklungstätigkeit.
Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs einer LPG gegen ihren Nachtragsliquidator folgt den Regeln, die für Genossenschaften im Allgemeinen gelten. § 42 Abs. 1 Satz 1 LwAnpG verweist generell auf die Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes über die Abwicklung der eingetragenen Genossenschaften5. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine Beschränkung der Verweisung auf den (eng verstandenen) Bereich der Vermögensverteilung nicht angenommen werden. Eine solche Beschränkung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 LwAnpG hat zwar die Vermögensaufteilung unter Beachtung des § 44 LwAnpG zu erfolgen. Daraus folgt aber keine Einschränkung der Verweisung, die mit der einleitenden Formulierung „im übrigen gelten“ konkret bezeichnete Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes einbezieht, die die Abwicklung insgesamt und nicht nur die Vermögensaufteilung in einem engen Sinne betreffen.
Die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 34 Abs. 6 GenG beginnt mit der Entstehung des Anspruchs6. Sie gilt auch für einen neben dem Anspruch aus § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG möglicherweise bestehenden Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung7.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Juli 2012 – II ZR 117/10
- vgl. Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 83 Rn. 13; Müller, GenG, § 93 Rn. 8b; Bauer, GenossenschaftsHandbuch [Loseblatt], § 93 GenG Rn. 36.
- vgl. zum Aktienrecht: Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 273 Rn. 23; Drescher in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG § 273 Rn. 16.
- ThürOLG, Urteil vom 02.06.2010 – 8 U 830/09.
- vgl. die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks.15/3653, S. 12.
- BGH, Beschluss vom 28.11.2008 – BLw 7/08, juris Rn. 25.
- BGH, Urteil vom 09.12.1965 – II ZR 177/63, WM 1966, 323, 324; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 34 Rn. 29.
- vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 334/87, ZIP 1989, 1390, 1392 zu § 43 Abs. 4 GmbHG.
Fortsetzung der gerichtlich aufgelösten Gesellschaft
Die Auflösungsklage
§ 61 GmbHG:
„(1) Die Gesellschaft kann durch gerichtliches Urteil aufgelöst werden, wenn die Erreichung des Gesellschaftszweckes unmöglich wird, oder wenn andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende, wichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind.
(2) Die Auflösungsklage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Sie kann nur von Gesellschaftern erhoben werden, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen.
(3) Für die Klage ist das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.“
Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft
Fraglich ist nach einem ergangenen Auflösungsurteil, ob die aufgelöste Gesellschaft fortgesetzt werden kann. Dies ist entgegen dem ersten Anschein über den Sinn und Zweck des § 61 GmbHG möglich. Voraussetzung ist ein wirksamer Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter.
Zulässigkeit
Die Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft bleibt auch im Rahmen von § 61 GmbHG möglich. Dem steht die Rechtskraft des Auflösungsurteils nach § 61 Abs. 1 GmbHG nicht entgegen. Das Auflösungsurteil überführt die Gesellschaft in das Stadium der Abwicklung. Aus dem Abwicklungsstadium ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts eine Rückkehr in das Stadium einer werbenden Gesellschaft möglich.i
Wirksamkeit des Fortsetzungsbeschlusses
Die allgemeinen Regeln zur Fassung eines Gesellschaftsbeschlusses nach der letzten gültigen Satzung und dem GmbH-Recht sind zu beachten. Das heißt zunächst ist zu prüfen, ob die Allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Beschlussfassung eingehalten worden sind. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob es sich um einen
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förmlichen „ordentlichen“ Gesellschafterbeschluss (in der ordentlich Versammlung der Gesellschafter, unter Beachtung der gesetzlichen Form und Frist zur Einberufung oder
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ohne der Beachtung der gesetzlichen Formen geschlossenen „außerordentlichen“ Gesellschafterbeschluss (Voraussetzung: Alle Gesellschafter müssen „auf die Einhaltung der gesetzlichen förmlichen Beschlussvoraussetzungen“ verzichten. Ein Gesellschafter erklärt sein Einverständnis mit einer Beschlussfassung ohne Einhaltung von Förmlichkeiten bereits damit, dass er an der formlosen Beschlussfassung teilnimmt, gleichgültig, ob er seine Stimme mit „ja“, „nein“ oder „Enthaltung“ abgibt.)
handelt.
Dann ist nach den allgemeinen Regeln des Gesellschaftsrecht zur Wirksamkeit des Fortsetzungsbeschlusses eine Dreiviertelmehrheit in der Gesellschaftsversammlung notwendig.
Zusätzlich bedarf die Wirksamkeit eines Fortsetzungsbeschlusses, dass der oder die Auflösungskläger dem Beschluss mit „ja“ zustimmen.ii Die herrschende Meinung begründet dies mit der zwingenden Natur von Minderheitsrechten.iii Anderes soll wiederum dann gelten, wenn es der Mehrheit in der Gesellschafterversammlung gelänge, nachträglich den Auflösungsgrund zu beseitigen.iv
iBeckmann/Hoffmann in: Gehrlein, Ekkenga, Simon (Hrsg.): GmbHG, 2. Auflage, Köln 2015, § 61 Rz. 40 m.w.N.
iiBeckmann/Hoffmann, a.a.O., § 61 Rz. 41 m.w.N.
iiiBeckmann/Hoffmann, a.a.O. m.w.N.
ivBeckmann/Hoffmann, a.a.O. m.w.N.
Berufsmusiker in Kulturorchestern: Kein Anspruch auf Abschluss eines Tarifvertrages
Die etwa 8500 Staats- und Kommunal-Orchestermusiker in Deutschland werden künftig nicht die Tariferhöhungen des Öffentlichen Dienstes erhalten: Das Bundesarbeitsgericht hat diesem Quasi-Automatismus einen Riegel vorgeschoben. Gerald Mertens von der Deutschen Orchestervereinigung prophezeit in einem Gespräch, das Karin Fischer am 25.09.2013 für den Deutschlandfunk führte, harte Tarifauseinandersetzungen.
Welche Gerichtsentscheidung liegt dieser Aussage zu Grunde?
In Salzburg sitzen hoch bezahlte Spitzenmusiker wie die Wiener oder Berliner Philharmoniker im Orchestergraben der Felsenreitschule. Orchestermusiker sind, abhängig vom Instrument, den Berufsjahren oder der Größe des Orchesters auch in den 131 deutschen Kulturorchestern nicht schlecht gestellt – allerdings haben die meisten von ihnen seit Januar 2010 keine Gehaltserhöhung erhalten. Damals hatte der Bühnenverein, also die Arbeitgeberseite, die quasi automatische Koppelung des Tarifvertrags für Orchestermusiker an den des Öffentlichen Dienstes ausgesetzt. Die Deutsche Orchestervereinigung, also die Musiker-Gewerkschaft, ging vor Gericht, um gegen diese Abkoppelung zu klagen.
Nachtragsliquidator haftet für Nichttilgung bekannter und bereits entstandener Steuerforderung bei Fälligkeit
Die Tätigkeit des Nachtragsliquidators ist haftungsträchtig. Insbesondere muss der Nachtragsliquidator dafür Sorge tragen, dass die zu liquidierende Gesellschaft ihre gesamten Steuerverpflichtungen erfüllt. Unter Umständen haftet er für nichterfüllte Steuerverbindlichkeiten der zu liquidierenden Gesellschaft. Dies verdeutlichen Entscheidungen des Finanzgerichts Hamburg und des Verwaltungsgerichts Stade. Die Entscheidungen ergingen in der Sache wie folgt:
FG Hamburg, 10.02.2009 – 2 K 251/07
Hier stellte das Gericht fest, dass der Nachtragsliquidator einer gelöschten GmbH persönlich haftet, wenn er den Erlös aus einer Grundstücksveräußerung vorab an die Gesellschafter auskehrt, obwohl eine Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Anteilseigner erst nach Befriedigung der Gläubiger erfolgen darf. Denn so vereitelt er, dass das Finanzamt als Gläubiger der Gesellschaft aus dem Vermögen der GmbH befriedigt werden kann. Dies gilt nicht nur bei bereits festgesetzten Steuern, sondern auch wenn er außer Stande ist, eine bereits entstandene und ihm bekannte Steuerforderung bei Eintritt der Fälligkeit zu tilgen.
VG Stade, 02.04. 2014 – Az. 3 A 1404/12
Der Entscheidung lag ein Fall zu Grunde, bei dem der Liquidator (unten im Text auch: ‚Kläger‘) als gesetzlicher Vertreter im Juni 2008 das Liquidationsverfahren beendet und so das Erlöschen der zu liquidierenden Gesellschaft bewirkt hat. Er hatte sich dadurch außer Stande gesetzt, die zuvor im Jahre 2005 bereits entstandene, aber noch nicht fällig gewordene Gewerbesteuerforderung zu erfüllen.
Die Haftung des Liquidators hat das Gericht bejaht und den ergangenen Haftungsbescheid bestätigt. Es hat u.a. folgendes zur Begründung angeführt:
Die Haftung des Liquidators findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 191 Abs. 1 Satz 1, 69 AO. Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner). Nach § 69 Satz 1 AO haften u. a. die in § 34 bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerverhältnis in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht erfüllt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge (§ 69 Satz 2 AO). Eine Haftung auslösen können insbesondere die Verletzung der Pflichten, Steuererklärungen abzugeben und fällige Steuern zu entrichten (Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 11. Auflage 2012, § 69 Rn. 46; Pahlke/König, AO, Kommentar, 2. Auflage 2009, § 34 Rn. 17).
Der Nachtragsliquidator erfüllt den weiteren Haftungstatbestand nach § 69 AO. Er gehört zu den in § 34 Abs. 1 Satz 1 AO bezeichneten Personen. Nach dieser Vorschrift haben u.a. die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. So liegt der Fall hier. Denn der Liquidator war der gesetzliche Vertreter der aufgeloesten Gesellschaft in diesem Fall einer GmbH & Co. KG (vgl. §§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 149 HGB).
Eine Pflichtverletzung des Liquidators i.S.v. § 69 AO liegt vor. Zu den durch einen Liquidator zu erfüllenden steuerrechtlichen Pflichten gehört es insbesondere, die vor der Auflösung und während der Liquidation entstandenen Steuern der juristischen Person zu entrichten (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 01.04.2010 – 9 LA 400/08 – mit Bezug auf Loose, in Tipke/Kruse, AO, Kommentar, Band I, Stand März 2010, § 34 Rn. 33). Eine die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insofern auch darin liegen, dass sich der gesetzliche Vertreter durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise außerstande setzt, eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 01.04.2010 – 9 LA 400/08 – mit Bezug auf BVerwG, Urteil vom 09.12.1988 – 8 C 13/87 – juris; BFH, Urteil vom 26.04.1984 – V R 128/79 – juris; vgl. auch etwa BFH, Urteil vom 21.12.2004 – I B 128/04 – juris; FG Hamburg, Urteil vom 10.02.2009 – 2 K 251/07 – juris).
Zur ‚groben Fahrlaessigkeit‘ teilte das Gericht mit:
Grob fahrlässig handelt derjenige, der die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Rüsken in Klein, AO, Kommentar, 11. Aufl., 2012, § 69 Rn. 32 m.w.N.). Es kann davon ausgegangen werden, dass der Liquidator, der bis zum 20. April 2007 (Zeitpunkt der gesellschaftsrechtlichen Auflösung der „H. GmbH“) Geschäftsführer der „H. GmbH“, der Komplementärin der „H. KG“, und zeitgleich als Mitgesellschafter der „B. GbR“ deren Kommanditist sowie später – wie erwähnt – ihr Liquidator war, über die zur Ausübung dieser Funktionen notwendigen, hohen persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte und verfügt. Hätte er die ihm danach mögliche Sorgfalt walten lassen, hätte ihm ohne Weiteres klar sein können und müssen, dass mit der „vorläufigen“ Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages unter dem „Vorbehalt der Nachprüfung“ das Besteuerungsverfahren für die Gewerbesteuer 2005 nicht beendet ist und es – gerade im Hinblick auf den Vorbehalt der Nachprüfung in dem Bescheid vom 1. September 2006 – zu abweichenden Einschätzungen durch das Finanzamt und damit auch zu Steuerfestsetzungen gegenüber der Steuerpflichtigen „H. KG“ kommen könnte. Im Rahmen des Besteuerungsverfahrens ist es dem Finanzamt nicht verwehrt, einen von der Steuererklärung abweichenden „Ansatz“ zu wählen. Dadurch, dass er diese nahe liegende Möglichkeit, die tatsächlich nach erfolgter Außenprüfung im Jahre 2011 eingetreten ist, außer Acht gelassen hat und nicht dafür Sorge getragen hat, dass ausreichende Mittel zur Deckung noch nicht fälliger oder streitiger Verbindlichkeiten vorhanden sind – wie es zu seinen steuerrechtlichen Pflichten als Liquidator gehört hätte (§§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 155 Abs. 2 Satz 2 HGB; vgl. auch BFH, Urteil vom 16.06.1971 – I R 58/68 – juris) -, sondern das Liquidationsverfahren beendet hat, hat er seine Sorgfaltspflichten in ungewöhnlich hohem Maße verletzt.
Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, er sei steuerrechtlicher Laie und habe das Steuerberaterbüro mit der Erstellung der Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2005 beauftragt. Denn das Liquidationsverfahren wurde von dem Kläger betrieben. Er ist in dieser Stellung als Liquidator verpflichtet, sich selbst mit elementaren handelsrechtlichen und allgemeinen steuerrechtlichen Pflichten und in dem Zusammenhang geltenden Grundsätzen vertraut zu machen (vgl. BFH, Urteil vom 12.05.1992 -VII R 52/91 – sowie Urteil vom 03.12.2004 – VII B 178/04 – jeweils juris). Zu diesen zählt es, dass ein Besteuerungsverfahren nicht mit Erlass eines vorläufigen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewerbesteuermessbetragsbescheides beendet ist und bis zur Beendigung des Verfahrens, mithin mit Ablauf der jeweiligen Festsetzungsfrist bzw. dem Erlass eines – ggf. abändernden – Gewerbesteuermessbetragsbescheides unter Aufhebung der Anordnung der Vorläufigkeit, mit von der Steuererklärung bzw. der vorläufigen Festsetzung abweichenden Beurteilungen und Festsetzungen gerechnet werden muss.