Auflösung, Abwicklung und Beendigung einer OHG effektiv!

Hervorgehoben

von Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner, Berlin

  1. Vorbemerkung

Das Ausscheiden einer Offenen Handelsgesellschaft aus dem Rechtsverkehr vollzieht sich in der Regel in drei Schritten. Am Beginn steht die Auflösung durch Gesellschafterbeschluss oder einen gesetzlichen Auflösungsgrund. Damit ist die recherche Existenz der Gesellschaft noch nicht beseitigt, zunächst müssen die laufenden Geschäfte abgewickelt und Forderungen beglichen beziehungsweise eingezogen werden. Dieses Stadium nennt man Auseinandersetzung oder Abwicklung, das Verfahren ist in den §§ 143 ff HGB geregelt.

HGB

Sechster Titel

Liquidation der Gesellschaft

§ 143 Notwendigkeit der Liquidation; anwendbare Vorschriften
(1) Nach Auflösung der Gesellschaft findet die Liquidation statt, sofern nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Ist die Gesellschaft durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst, findet eine Liquidation nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass noch Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt.
(2) Die Gesellschafter können anstelle der Liquidation eine andere Art der Abwicklung vereinbaren. Ist aufgrund einer Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag die Gesellschaft durch die Kündigung eines Privatgläubigers eines Gesellschafters oder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst, bedarf eine Vereinbarung über eine andere Art der Abwicklung der Zustimmung des Privatgläubigers oder des Insolvenzverwalters; ist im Insolvenzverfahren Eigenverwaltung angeordnet, tritt an die Stelle der Zustimmung des Insolvenzverwalters die Zustimmung des Schuldners.
(3) Die Liquidation erfolgt nach den folgenden Vorschriften dieses Titels, sofern sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag etwas anderes ergibt.

§ 144 Liquidatoren
(1) Zur Liquidation sind alle Gesellschafter berufen.
(2) Ist über das Vermögen eines Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt worden, tritt dieser an die Stelle des Gesellschafters.
(3) Mehrere Erben eines Gesellschafters haben einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen.
(4) Durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter können auch einzelne Gesellschafter oder andere Personen zu Liquidatoren berufen werden.
(5) Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, gilt dies im Zweifel nicht für die Berufung und Abberufung eines Liquidators.

§ 145 Gerichtliche Berufung und Abberufung von Liquidatoren
(1) Auf Antrag eines Beteiligten kann aus wichtigem Grund ein Liquidator durch das Gericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, berufen und abberufen werden. Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche dieses Recht ausschließt, ist unwirksam.
(2) Beteiligte sind:
1. jeder Gesellschafter (§ 144 Absatz 1),
2. der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Gesellschafters (§ 144 Absatz 2),
3. der gemeinsame Vertreter (§ 144 Absatz 3) und
4. der Privatgläubiger des Gesellschafters, durch den die zur Auflösung der Gesellschaft führende Kündigung erfolgt ist (§ 143 Absatz 2 Satz 2).
(3) Gehört der Liquidator nicht zu den Gesellschaftern, hat er Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen und auf Vergütung für seine Tätigkeit. Einigen sich der Liquidator und die Gesellschaft hierüber nicht, setzt das Gericht die Aufwendungen und die Vergütung fest. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde zulässig; die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräftigen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung statt.

  1. § 146 Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Liquidatoren
  2. (1) Mit der Auflösung erlischt die einem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung. Diese Befugnis steht von der Auflösung an allen Liquidatoren gemeinsam zu.
  3. (2) Die bisherige Befugnis eines Gesellschafters zur Geschäftsführung gilt gleichwohl zu seinen Gunsten als fortbestehend, bis er von der Auflösung der Gesellschaft Kenntnis erlangt hat oder die Auflösung kennen muss.

§ 147 Anmeldung der Liquidatoren
(1) Die Liquidatoren und ihre Vertretungsbefugnis sind von sämtlichen Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Das Gleiche gilt für jede Änderung in der Person des Liquidators oder in seiner Vertretungsbefugnis. Wenn im Fall des Todes eines Gesellschafters anzunehmen ist, dass die Anmeldung den Tatsachen entspricht, kann die Eintragung erfolgen, auch ohne dass die Erben bei der Anmeldung mitwirken, sofern einer solchen Mitwirkung besondere Hindernisse entgegenstehen.
(2) Die Eintragung gerichtlich berufener Liquidatoren sowie die Eintragung der gerichtlichen Abberufung von Liquidatoren geschieht von Amts wegen.

§ 148 Rechtsstellung der Liquidatoren
(1) Die Liquidatoren haben, auch wenn sie vom Gericht berufen sind, den Weisungen Folge zu leisten, welche die Beteiligten in Bezug auf die Geschäftsführung beschließen. Hat nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen zu entscheiden, bedarf der Beschluss der Zustimmung der Beteiligten nach § 145 Absatz 2 Nummer 2 und 4.
(2) Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen, die Forderungen der Gesellschaft einzuziehen und das übrige Vermögen in Geld umzusetzen. Zur Beendigung der laufenden Geschäfte können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen.
(3) Die Liquidatoren haben bei Abgabe ihrer Unterschrift der Firma einen Liquidationszusatz beizufügen. Dies gilt entsprechend für die Pflicht nach § 125.
(4) Die Liquidatoren haben gegenüber den nach § 145 Absatz 2 Beteiligten zur Ermittlung des zu verteilenden Gesellschaftsvermögens bei Beginn und Beendigung der Liquidation eine Bilanz aufzustellen. Die Pflichten zur Buchführung (§§ 238 bis 241a) und Jahresrechnungslegung (§§ 242 bis 256a) bleiben unberührt.
(5) Aus dem Vermögen der Gesellschaft sind zunächst die Gläubiger der Gesellschaft zu befriedigen. Ist eine Verbindlichkeit noch nicht fällig oder ist sie streitig, ist das zur Berichtigung der Verbindlichkeit Erforderliche zurückzubehalten.
(6) Aus dem nach der Berichtigung der Verbindlichkeiten verbleibenden Gesellschaftsvermögen sind die geleisteten Beiträge zurückzuerstatten. Für Beiträge, die nicht in Geld bestanden haben, ist der Wert zu ersetzen, den sie zur Zeit der Einbringung gehabt haben. Für Beiträge, die in der Leistung von Diensten oder in der Überlassung der Benutzung eines Gegenstands bestanden haben, kann im Zweifel kein Ersatz verlangt werden.
(7) Das während der Liquidation entbehrliche Geld wird unter Berücksichtigung der den Gesellschaftern bei der Schlussverteilung zukommenden Beträge vorläufig verteilt.
(8) Das nach Berichtigung der Verbindlichkeiten und Rückerstattung der Beiträge verbleibende Vermögen der Gesellschaft ist unter den Gesellschaftern nach dem Verhältnis ihrer Kapitalanteile, wie sie sich aufgrund der Schlussbilanz im Sinne von Absatz 4 ergeben, schließlich zu verteilen.

§ 149 Haftung des Gesellschafters für Fehlbetrag
Reicht das Gesellschaftsvermögen zur Berichtigung der Verbindlichkeiten und zur Rückerstattung der Beiträge nicht aus, haben die Gesellschafter der Gesellschaft für den Fehlbetrag nach dem Verhältnis ihrer Kapitalanteile aufzukommen. Kann von einem Gesellschafter der auf ihn entfallende Betrag nicht erlangt werden, haben die anderen Gesellschafter den Ausfall nach dem gleichen Verhältnis zu tragen.

§ 150 Anmeldung des Erlöschens der Firma
Nach der Beendigung der Liquidation ist das Erlöschen der Firma von sämtlichen Liquidatoren zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.

§ 151 Verjährung von Ansprüchen aus der Gesellschafterhaftung
(1) Ist die Gesellschaft durch Liquidation oder auf andere Weise erloschen, verjähren Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt.
(2) Die Verjährung beginnt abweichend von § 199 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sobald der Gläubiger von dem Erlöschen der Firma Kenntnis erlangt hat oder das Erlöschen der Firma im Handelsregister eingetragen worden ist.
(3) Beginnt die Verjährung des Anspruchs gegen die Gesellschaft neu oder wird die Verjährung des Anspruchs gegenüber der Gesellschaft nach den §§ 203, 204, 205 oder 206 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt, wirkt dies auch gegenüber den Gesellschaftern, die der Gesellschaft zur Zeit des Erlöschens angehört haben.

§ 152 Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen; Einsicht in die Geschäftsunterlagen
(1) Die Geschäftsunterlagen der aufgelösten Gesellschaft werden einem der Gesellschafter oder einem Dritten in Verwahrung gegeben. In Ermangelung einer Verständigung wird der Gesellschafter oder der Dritte durch das Gericht bestimmt, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat.
(2) Die Gesellschafter und deren Erben behalten das Recht auf Einsicht und Benutzung der Geschäftsunterlagen.

Die Abwicklung ist vollständig beendet, wenn das letzte Aktivvermögen verteilt wurde. Mit der Vollbeendigung erlischt die Gesellschaft. Diese Rechtsfolge tritt „automatisch” ein und ist nicht mit der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister verknüpft: Die Handelsregistereintragung hat nur eine klarstellende Funktion.

Denkbar ist aber auch, dass die Gesellschafter anstelle der Abwicklung eine andere Art der Auseinandersetzung vereinbaren, § 143 Absatz 1 HGB. Beispielsweise können die Gesellschafter eine Lösung dergestalt wählen, dass das Gesellschaftsvermögen im Ganzen auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird und es auf diese Weise zu einer Vollbeendigung der Gesellschaft ohne Abwicklung kommt.

Während der Abwicklung können die Gesellschafter die Fortführung der Gesellschaft jederzeit beschließen, es sei denn, der Auflösungsgrund liegt in der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und dieses wurde nicht auf Antrag des Schuldners, beziehungsweise durch einen bestätigten Insolvenzplan, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, eingestellt.

  1. Auflösungsgründe

Auflösungsgründe können im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, daneben bestehen auch gesetzliche Auflösungsgründe. Letztere sind in § 138 HGB definiert. Die Auflösung tritt demnach ein durch:
– Zeitablauf, wenn die OHG für eine bestimmt Dauer gegründet wurde
– Auflösungsbeschluss der Gesellschafter
– Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft
gerichtliche Entscheidung

Auch außerhalb des Handelsgesetzbuches finden sich gesetzliche Auflösungsgründe, etwa in § 38 Abs. 2 KWG, wonach die BaFin bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften bestimmen kann, dass das Institut abzuwickeln ist. Die Entscheidung der BaFin wirkt wie ein Auflösungsbeschluß.

Bei Eintritt eines Auflösungsgrunds folgt automatisch die Abwicklung der Gesellschaft.

Keine Auflösung erfolgt bei der Umwandlung einer Offene Handelsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie bei einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz.

  1. Auflösung nach Zeitablauf

Ist im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden, dass die Gesellschaft nur für eine bestimmte Zeit bestehen soll, ist die Offene Handelsgesellschaft nach Ablauf der Zeit automatisch aufgelöst. Die Zeitdauer muss kalendermäßig bestimmbar sein oder sich, wenn ein bestimmter Zeitpunkt noch nicht bestimmbar ist, an einem feststehenden Ereignis orientieren. Für den Fall, dass die Gesellschafter die Offene Handelsgesellschaft nach Eintritt des Zeitablaufes fortführen, gilt diese als Gesellschaft auf unbestimmte Zeit.

  1. Auflösungsbeschluss

Die Gesellschaft kann durch Gesellschafterbeschluss jederzeit aufgelöst werden. Das Gesetz gibt als Regelfall einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss vor, im Gesellschaftsvertrag kann aber auch ein einfacher Mehrheitsbeschluss vorgesehen werden. Für den Auflösungsbeschluss ist keine bestimmte gesetzliche Form vorgeschrieben und er kann weder durch Gesellschaftsvertrag noch durch einen Vertrag mit Dritten ausgeschlossen werden. Solange die Offene Handelsgesellschaft nicht vollbeendet ist, können die Gesellschafter Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft beschließen.

  • Auflösung durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens

Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Offene Handelsgesellschaft wird die Gesellschaft aufgelöst. Eine Abwicklung nach den Regelungen der §§ 143 ff HGB findet in diesem Fall nicht statt. Stattdessen wird das Vermögen der Offenen Handelsgesellschaft nach den Vorschriften der Insolvenzordnung durch den Insolvenzverwalter zugunsten der Gläubiger verwaltet und verwertet. Daneben ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters, die Gesellschaft bis zur Vollbeendigung abzuwickeln.

Unter bestimmten Voraussetzungen können die Gesellschafter beschließen, die Gesellschaft fortführen. Die Voraussetzungen einer Fortführung sind in § 142 HGB geregelt. Möglich ist die Fortsetzung beispielsweise, wenn das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners, also der Offenen Handelsgesellschaft, eingestellt wird. Oder wenn der Insolvenzplan, der ein Fortbestehen der Gesellschaft vorsieht, bestätigt wurde. Auch andere Fälle der Beendigung des Insolvenzverfahrens, etwa die Verfahrenseinstellung mangels Masse, ermöglichen eine Fortsetzung, sofern die materielle Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) behoben wird, da die Gesellschafter ihre Handlungsbefugnis zurückerlangen.

  • Auflösungsklage

Beim Vorliegen eines wichtigen Grundes haben die Gesellschafter die Möglichkeit die Auflösung der Gesellschaft einzuklagen. Die Auflösungsklage führt zur Zerschlagung der Gesellschaft und kann nur als letztes Mittel der Wahl angesehen werden. Deshalb müssen wichtige Gründe für eine Auflösungsklage vorliegen. Ein solcher Grund ist beispielsweise gegeben, wenn ein Gesellschafter eine wesentliche Gesellschafterpflicht verletzt, sich persönlich bereichert oder Straftaten zu Lasten der Gesellschaft begeht.

  • Tod eines Gesellschafters

Der Tod eines Gesellschafters führt nicht automatisch zur Auflösung der Gesellschaft. Wenn im Gesellschaftsvertrag dazu nichts geregelt ist, geht der Gesetzgeber von der Fortführung der Gesellschaft aus. Anders ist es, wenn der Gesellschaftsvertrag die Auflösung beim Tod bzw. Wegfall eines Gesellschafters vorsieht. Besonderheiten sind nur dann zu beachten, wenn es um einen von zwei verbliebenen Gesellschaftern handelt.

  • Ausscheiden eines von zwei verbliebenen Gesellschaftern

Hat eine Offene Handelsgesellschaft nur (noch) zwei Gesellschafter, führt das Ausscheiden des einen Gesellschafters zum Erlöschen der Gesellschaft ohne Abwicklung. Das Gesellschaftsvermögen geht auf den verbliebenen Gesellschafter über. Der verbliebene Gesellschafter kann das Unternehmen alleine fortführen. Sofern das Unternehmen (noch) den Umfang eines Handelgewerbes einnimmt, müsste sich der verbliebene, fortführende Gesellschafter als „eingetragener Kaufmann (e.K)” im Handelsregister eintragen lassen.

  1. Besonderheiten, wenn kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist

Hier führen folgende weitere Gründe zur Auflösung der Gesellschaft

  • Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde
  • Löschung wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG
  • Eintragung der Auflösung

Die Auflösung muss in notariell beglaubigter Form von sämtlichen Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden, § 141 Abs. 1 HGB. Es empfiehlt sich den Auflösungsgrund bei der Anmeldung mit bekanntzugeben. Die Eintragung an sich hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Auflösung, da sie nur deklaratorisch ist. Mit der Eintragung wird die Auflösung aber dokumentiert und erleichtert so die Berechnung von Haftungsfristen.

Abweichendes gilt bei der Eröffnung oder Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. In diesen Fällen muss das Gericht die Auflösung und ihren Grund von Amts wegen im Handelsregister eintragen. Bei Löschung wegen Vermögenslosigkeit der Gesellschaften entfällt die Eintragung der Auflösung der Gesellschaft.

  • Liquidatoren

Die Liquidatoren haben Geschäftsführer- und Vertretungsbefugnisse. Sie vertreten die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Allerdings sind diese Befugnisse auf den Abwicklungszweck beschränkt.

Das Abwicklungsverfahren besteht im wesentlichen aus fünf Aufgaben:

  • Aufstellung einer Bilanz
  • Beendigung aller laufender Geschäfte
  • Forderungseinzug und Schuldenbegleichung
  • Umsetzung des restlichen Vermögens
  • Verteilung des Gesellschaftsvermögens

Bestellt werden die Liquidatoren aufgrund gesetzlicher oder gesellschaftsvertraglicher Regelung. Nach dem Gesetz werden sämtliche Gesellschafter automatisch zu Liquidatoren. Grundsätzlich können die Gesellschafter aber im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss einen oder mehrere Liquidatoren bestimmen. Beim Vorliegen eines wichtigen Grundes kann jeder Abwicklungsbeteiligte die gerichtliche Bestellung von Liquidatoren beantragen.

Neben der Auflösung müssen alle Gesellschafter die Liquidatoren und deren Vertretungsmacht zur Eintragung ins Handelsregister anmelden. Die Liquidatoren müssen mit Beginn der Abwicklung eine Eröffnungsbilanz erstellen. Diese dient als reine Vermögensbilanz die den Liquidatoren einen Überblick über das Gesellschaftsvermögen schaffen soll. Mit Beendigung der Abwicklung ist ebenfalls eine Bilanz aufzustellen. Diese dient dann bei der Verteilung des Geschäftsvermögens als Grundlage.

  • Beendigung der laufenden Geschäfte, geordnete Abwicklung

Die Liquidatoren müssen die laufenden Geschäfte beenden, vgl. Hopt-Roth, HGB, 42. Aufl. 2023, § 149 Rn. 2.

Außerdem sind schwebende Verfahren weiterzuführen und abzuschließen. Zur Befriedigung schwebender Geschäfte (§ 147 Abs. 1 S. 1 HGB)dürgen die Liquidatoren neue Geschäfte eingehen.

Die Liquidatoren haben die Forderungen der Gesellschaft einzuziehen und das übrigen Vermögensgegen in Geld umzusetzen, vgl. Hopt-Roth, HGB, 42. Aufl. 2023, § 149 Rn. 3, 4.

Denkbar ist aber auch, dass neue Geschäfte getätigt werden, um den laufenden Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten um so eine geordnete Abwicklung erst zu ermöglichen.

  • Einzug/Begleichung von Forderungen

Sämtliche Forderungen der Gesellschaft sind fällig zu stellen und einzufordern. Notfalls sind sie einzuklagen. Alle anfallenden Maßnahmen, die zum Einzug oder sonstiger Verwertung von Forderungen zweckdienlich sind, zählen hier zu den Aufgaben der Liquidatoren.

Gleichermaßen müssen die Liquidatoren alle Schulden der Gesellschaft tilgen.vgl. Hopt-Roth, HGB, 42. Aufl. 2023, § 149 Rn. 2 die Liquidatoren haben die Klägbiger zu begriedigen. Sie haften diesen nur nach § 826 BGB. § 147 HGB ust bucgt Geettz zum Schutz der Gläubiger i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB, vgl. vgl. Hopt-Roth, HGB, 42. Aufl. 2023, § 149 Rn. 5.

Die Begründetheit der Forderung ist vor Bezahlung zu überprüfen und bei Bedarf sind Einwendungen oder Klage zu erheben.

  • Umsetzung des Restvermögens

Das verbleibende Vermögen ist unter den Gesellschaftern aufzuteilen. Der Verteilungsmaßstab für die Gesellschafter ist hierbei der jeweilige Kapitalanteil an der Gesellschaft. Es ist das gesamte Geldvermögen der Gesellschaft aufzuteilen, wobei die Kosten für die Verwahrung der Unterlagen im Vorfeld abzuziehen sind. Im Gesellschaftsvertrag kann auch eine andere Art der Auseinandersetzung vereinbart werden. Es ist auch möglich, solche Vereinbarungen auch noch während des Abwicklungsverfahrens zu treffen.

  • Abschluss der Abwicklung

Mit Abschluss der Schlussverteilung oder mit der Hinterlegung im Streitfall ist die Abwicklung beendet. Nach Vollbeendigung kann die Gesellschaft nicht mehr wiederhergestellt werden. Die Gesellschafter können nur eine völlig neue Gesellschaft gründen. Die Beendigung der Abwicklung muss von allen Gesellschaftern zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden. Bei der Eintragung ist mit anzugeben, wo die Bücher und Papiere der Gesellschaft verwahrt werden. Die Löschung der Gesellschaft wird von Amtswegen durch das Registergericht bekannt gegeben. Eine zusätzliche Veröffentlichung seitens der Liquidatoren ist nicht notwendig. Sofern noch nicht geschehen, ist das Gewerbe der Gesellschaft beim Gewerbeamt abzumelden.

  • Nachtragsabwicklung

Sollte sich nach Beendigung der Abwicklung herausstellen, das die Gesellschaft doch noch über Vermögen verfügt bzw. noch Abwicklungsmaßnahmen durchzuführen sind, dann kann die Gesellschaft für die Dauer der Abwicklung mit den selben Liquidatoren als wieder in Abwicklung befindlich eingetragen werden.

Die Voraussetzungen sind in § 143 Abs. 1 S. 2 HGB: geregelt:

  • durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst;
  • nach der Löschung herausstellt, dass noch Vermögen vorhanden.
  • Haftung

Ansprüche aus Gesellschaftsverbindlichkeiten verjähren fünf Jahre nach Eintragung der Auflösung in das Handelsregister. Wird eine Forderung erst nach Eintragung der Auflösung fällig, so läuft die Frist ab diesem Zeitpunkt. Die Liquidatoren haften gegenüber der Gesellschaft nach den gleichen Grundsätzen wie geschäftsführende Gesellschafter.

Ihr Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Meine Unterstützung richtet sich, entsprechend dem mir zu erteilenden Auftrag von Unternehmen aus Berlin, Deutschland und international.

EU hat AI Act verabschiedet

Einheitliche Regeln für Künstliche Intelligenz in der EU

Die EU-Mitgliedstaaten haben das weltweit erste Gesetz zur Regulierung von KI verabschiedet. Die Bundesregierung steht für eine Balance zwischen Innovation und Risikoschutz. Sie muss den AI Act nun in nationales Recht umsetzen.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen – sei es im Arbeitsalltag oder privat zuhause. Um das Vertrauen in die Technologie zu stärken, braucht es klare Regeln.

Künstliche Intelligenz beschreibt die Fähigkeit von Maschinen, basierend auf Algorithmen Aufgaben autonom auszuführen und dabei die Problemlösungs- und Entscheidungsfähigkeiten des menschlichen Verstandes nachzuahmen.

Der Rat der 27 EU-Mitgliedstaaten hat am 21. Mai 2024 daher den AI Act und damit einen einheitlichen Rahmen für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Europäischen Union verabschiedet. Die KI-Verordnung ist das weltweilt erste umfassende Regelwerk für KI. Mit dem AI Act hat die EU nun ein starkes Fundament für die Regulierung von Künstlicher Intelligenz, das Vertrauen und Akzeptanz in die Technologie schafft und Innovationen „made in Europe“ ermöglicht.

AI Act: Strenge Vorgaben bei hohem Risiko

Der  AI Act schreibt vor, dass KI-Anwendungen nicht missbraucht werden dürfen. Ebenso muss der Schutz der Grundrechte gewährleistet sein. Gleichzeitig brauchen Wissenschaft und Wirtschaft Freiraum für Innovationen. Der AI Act verfolgt hier einen sogenannten risikobasierten Ansatz. Das heißt, je höher das Risiko bei der Anwendung eingeschätzt wird, desto strenger sind auch die Vorgaben.

Ein inakzeptables Risiko stellen zum Beispiel KI-Systeme dar, die eingesetzt werden können, um das Verhalten von Personen gezielt zu beeinflussen und sie so zu manipulieren. Für sie gilt ein Verbot, genauso wie für KI-basiertes „Social Scoring“, also die Vergabe von Punkten nach erwünschtem Verhalten.

Es gibt außerdem eine Transparenzpflicht. Das heißt, künstlich erzeugte oder bearbeitete Inhalte (Audios, Bilder, Videos) müssen eindeutig als solche gekennzeichnet werden.

Hochriskante KI-Systeme – zum Beispiel in den Bereichen kritische Infrastruktur, Beschäftigung sowie Gesundheits- oder Bankenwesen – müssen eine Reihe von Anforderungen erfüllen, um für den EU-Markt zugelassen zu werden. Für Anwendungen mit einem geringen Risiko gelten lediglich eingegrenzte Transparenz- und Informationspflichten.

EU will „Gesellschaft fit für die Zukunft machen“

Die EU-Mitgliedstaaten müssen den AI Act nun in nationales Recht umsetzen. Bundesdigitalminister Volker Wissing dazu: „Wir brauchen KI in allen Bereichen, wenn wir unsere Gesellschaft fit für die Zukunft machen und unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig halten wollen.“ Die KI-Verordnung könne die Grundlage für einen breiten und sicheren Einsatz von KI in unserem Land sein. Gleichzeitig betonte Wissing, dass bei der Umsetzung in nationales Recht darauf zu achten ist, die maximalen Spielräume für Innovationen zu nutzen, „damit KI-Unternehmen in Deutschland und Europa eine Zukunft haben“.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich am 21. Mai 2024 auf Einladung Südkoreas und Großbritanniens an einem KI-Gipfel beteiligt. Während auf der Vorgängerkonferenz im Herbst 2023 in London das Thema Sicherheit besprochen wurde, tauschten sich die Staats- und Regierungschefs nun darüber aus, wie man Innovationen durch KI besser fördern kann – und wie sichergestellt wird, dass möglichst viele Menschen von den neuen technologischen Möglichkeiten profitieren.

So fördert die Bundesregierung KI

Der Bundesregierung ist es wichtig, sich mit den Risiken auseinandersetzen, gleichzeitig aber auch die Chancen von KI zu betonen. Für diese Balance setzt sie sich ein. Mit ihrer nationalen KI-Strategie will die Bundesregierung Deutschland zu einem führenden Standort für die Entwicklung und Anwendung von KI-Technologien machen. Dafür unterstützt sie die Erforschung und Anwendung von KI in einer Reihe von Vorhaben, zum Beispiel deutschlandweit in neu eingerichteten KI-Servicezentren für die Wissenschaft und Wirtschaft, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.

AI Act – Juristische Beratung zur KI-VO

Was Unternehmen über die AI-Verordnung der EU wissen müssen

Was die Veröffentlichung von ChatGPT mit dem neuen AI Act der EU zu tun hat und welche Auswirkungen das Ganze auf Unternehmen haben wird.

Die Veröffentlichung von ChatGPT schlug hohe Wellen bei Fans und Kritikern der künstlichen Intelligenz. Begeisterung über erste Gehversuche mit dem Programm traf schnell auf mahnende Stimmen; schließlich folgte sogar die Warnung führender KI-Unternehmer, innezuhalten und sich auf einen Regelkatalog für die revolutionäre Technologie zu einigen.

Jedem ist klar, dass künstliche Intelligenz reguliert werden muss. Vorschläge für einen freiwilligen KI-Verhaltenskodex kursieren, auch die Forderung nach einer unabhängigen internationalen Behörde zur Überwachung von KI steht im Raum.

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner, Berlin
Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Im Dezember 2023 erzielte die EU nach 37 Stunden Verhandlungen eine vorläufige Einigung über ihr KI-Gesetz. Thierry Breton, EU-Kommissar für den Binnenmarkt, bezeichnete diese Entwicklung als „historisch“. Sie soll das erste umfassende internationale Gesetz zur Regulierung der künstlichen Intelligenz einleiten.

Was plant die EU?

Brüssel geht es darum, einen verantwortungsvollen Umgang mit künstlicher Intelligenz zu etablieren. Die Regulierungen der EU sollen dafür sorgen, dass die neuen Möglichkeiten zum Wohl der Öffentlichkeit eingesetzt werden und Persönlichkeitsrechte geschützt werden.

Um das Feld zu regulieren, unterscheidet Brüssel die KI-Anwendungsfelder nach den vier Risikoklassen niedrig, mittel, hoch und inakzeptabel.

Inakzeptable KI-Anwendungen sind etwa in Echtzeit und ferngesteuerte Gesichtserkennungssysteme oder sprachgesteuerte, verhaltensmanipulierende Anwendungen. Auch Anwendungen, die zur Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern dienen und damit demokratiefeindlichen Zwecken dienen können, fallen in diese Kategorie.

Als KI-Anwendungen mit hohem Risiko klassifiziert die EU nach dem bisherigen Plan Anwendungen für biometrische Identifizierung, für den Betrieb von kritischer Infrastruktur, für Bildungs- und Ausbildungszwecke, für Grenzkontrollen und z. B. im Rechtsbereich.

Im mittleren Risikobereich sieht Brüssel generative KI wie ChatGPT, die Bilder und Texte generieren kann. Geht es nach der EU, unterliegt ChatGPT künftig besonderen Transparenzregeln: Nutzerinnen und Nutzer müssen informiert werden, dass sie ein KI-generiertes Bild oder einen KI-generierten Text vor sich haben und die Hersteller müssen sicherstellen, dass Anwendungen wie ChatGPT nicht für die Produktion von illegalen Inhalten verwendet werden.

Einzig KI-Anwendungen mit niedrigem Risiko, etwa Programme die Bilder manipulieren können, sollen mit niedrigen Transparenz-Anforderungen belegt werden.

Zur Regulierung sieht Brüssel Risikomanagement-Systeme für die Anwendungen vor, die stetig aktualisiert werden müssen. Auch eine technische Dokumentation, eine menschliche Aufsicht und die Möglichkeit der Abschaltung werden gefordert. Beim Verstoß gegen die Regulierungen sollen Unternehmen mit Strafen bis zu 40 Millionen Euro oder 7 Prozent des Jahresumsatzes belegt werden.

Im Juni wurde der AI Act bereits im Europaparlament angenommen. Im nächsten Schritt müssen sich die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten abstimmen, schon zum Jahresende könnte die Regulierung in Kraft treten. Nach einigen Übergangsfristen würden die Regeln dann voraussichtlich ab 2026 greifen. Über die Einzelheiten des Gesetzes muss noch entschieden werden – es wird wahrscheinlich frühestens 2025 in Kraft treten.

Schützender Standard oder Bremse?

Manche KI-Experten sind der Ansicht, gut definierte Standards für KI auf europäischer Ebene könnten für Deutschland und Europa zum Standortvorteil werden, weil Nutzerinnen und Nutzer dann wüssten, worauf sie sich einlassen.

Doch mehr als 100 hochrangige europäische Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter, darunter die CEOs von Siemens, Airbus und ARM, beklagten im Juni 2023 in einem Brandbrief, das geplante Gesetz gehe zu weit.

Ein besonderer Dorn im Auge sind ihnen Brüssels Regulierungsansätze für die generative KI nach dem Vorbild von ChatGPT, die Bilder und Texte generieren können. Ihre Sorge: Unternehmen müssten dann eventuell allein für die Transparenz-Anforderungen der EU für generative KI-Anwendungen eigene Compliance-Abteilungen einrichten. Der damit verbundene Aufwand und die Kosten würden die Wettbewerbsfähigkeit Europas gefährden und Unternehmen dazu zwingen, ihre Aktivitäten ins Ausland zu verlagern, argumentieren die Unterstützer des Briefes.

Die europäischen Wirtschaftsvertreter fürchten, dass mit der Regulierung aus Brüssel die Entwicklung von KI-Anwendungen behindert wird, während vor allem in den USA die weitgehend unregulierte Konkurrenz ungehemmt voranpreschen kann. Deshalb forderten die Wirtschaftsbosse eine engere Abstimmung der EU mit den USA, um ein transatlantisches Regelwerk aufzustellen.

Tatsächlich lässt auch die US-Regierung derzeit prüfen, ob die USA die Branche regulieren sollten; denkbar wäre auch ein Zertifizierungsprozess für Anwendungen. US-Regierungsbehörden werden beim Einsatz von künstlicher Intelligenz bereits Regeln auferlegt, für die freie Wirtschaft gelten sie jedoch noch nicht. Ob die EU und die USA sich bei der Regulierung von KI tatsächlich enger abstimmen, ist noch nicht abschätzbar – undenkbar ist es nicht.

Rat der Europäischen Union Pressemitteilung 9 Dezember 2023

Gesetz über künstliche Intelligenz: Rat und Parlament einigen sich über weltweit erste Regelung von KI

Nach dreitägigen Marathonverhandlungen haben der Ratsvorsitz und die Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments eine vorläufige Einigung über die vorgeschlagenen harmonisierten Vorschriften für künstliche Intelligenz – das sogenannte KI-Gesetz – erzielt. Mit dem Verordnungsentwurf soll gewährleistet werden, dass KI-Systeme, die auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht und in der Union verwendet werden, sicher sind und die Grundrechte und die Werte der EU wahren. Ziel dieses wegweisenden Vorschlags ist es auch, Investitionen und Innovationen im KI-Bereich in Europa anzuregen.

Dies ist eine historische Errungenschaft und ein großer Schritt in die Zukunft! Mit der heutigen Einigung gehen wir eine globale Herausforderung in einem technologischen Umfeld an, das im raschen Wandel begriffen ist, und das ein Schlüsselbereich für die Zukunft unserer Gesellschaften und Volkswirtschaften ist. Dabei ist es uns gelungen, ein äußerst empfindliches Gleichgewicht zu wahren, nämlich einerseits Innovationen und die Nutzung von künstlicher Intelligenz in Europa zu fördern und andererseits dafür zu sorgen, dass die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger uneingeschränkt geachtet werden. Carme Artigas, spanische Staatssekretärin für Digitalisierung und künstliche Intelligenz

Das KI-Gesetz ist eine legislative Leitinitiative und hat das Potenzial, die Entwicklung und Verbreitung sicherer und vertrauenswürdiger KI durch private und öffentliche Akteure im gesamten EU-Binnenmarkt zu fördern. Im Wesentlichen geht es darum, KI zu regulieren, da sie gesellschaftlichen Schaden anrichten könnte; dabei gilt es, einen „risikobasierten“ Ansatz zu verfolgen: Je höher das Risiko, desto strenger die Vorschriften. Als weltweit erster Legislativvorschlag dieser Art könnte er – wie schon die DSGVO – zu einem globalen Standard für die Regulierung von KI in anderen Rechtsräumen werden und so dem europäischen Ansatz bei der Regulierung von Technologien auf globaler Ebene größere Geltung verschaffen.

Wichtigste Bestandteile der vorläufigen Einigung

Im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag lassen sich die wichtigsten neuen Elemente der vorläufigen Einigung wie folgt zusammenfassen:

  • Vorschriften für KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck und beträchtlichen Auswirkungen, die zukünftig systemische Risiken verursachen können, sowie für Hochrisiko-KI-Systeme
  • ein überarbeitetes Governance-System mit bestimmten Durchsetzungsbefugnissen auf EU-Ebene
  • eine Erweiterung der Liste der Verbote, jedoch mit der Möglichkeit, den Strafverfolgungsbehörden vorbehaltlich bestimmter Schutzvorkehrungen zu erlauben, im öffentlichen Raum biometrische Fernidentifizierung einzusetzen
  • besser geschützte Rechte, indem die Betreiber von Hochrisiko-KI-Systemen verpflichtet werden, vor der Inbetriebnahme eines KI-Systems eine Folgenabschätzung in Bezug auf die Grundrechte durchzuführen.

Konkret geht es in der vorläufigen Einigung um folgende Aspekte:

Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich

Um sicherzustellen, dass die Definition eines KI-Systems ausreichend klare Kriterien zur Unterscheidung zwischen KI und einfacheren Softwaresystemen enthält, wird sie im ausgehandelten Kompromiss an den von der OECD vorgeschlagenen Ansatz angepasst.

Außerdem wird klargestellt, dass die Verordnung nur für Bereiche gilt, die in den Anwendungsbereich des EU-Rechts fallen, und keinesfalls die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten oder anderer, mit entsprechenden Aufgaben betrauter Stellen in Bezug auf die nationale Sicherheit berühren sollte. Darüber hinaus wird das KI-Gesetz nicht für Systeme gelten, die ausschließlich militärischen oder verteidigungspolitischen Zwecken dienen. Ausgenommen sind auch KI-Systeme, die ausschließlich für Forschung und Innovation verwendet werden, sowie Personen, die KI aus nichtgewerblichen Gründen nutzen.

Klassifizierung von KI-Systemen als Hochrisiko-Systeme und verbotene KI-Praktiken

Der ausgehandelte Kompromiss enthält eine horizontale Schutzebene (zu der auch die Hochrisiko-Klassifizierung gehört), um sicherzustellen, dass KI-Systeme, die wahrscheinlich keine schwerwiegenden Grundrechtsverletzungen oder andere bedeutende Risiken verursachen, nicht erfasst werden. Für KI-Systeme mit begrenztem Risiko würden nur sehr geringe Transparenzpflichten gelten, z. B. die Offenlegung, dass die Inhalte KI-generiert sind, sodass Nutzerinnen und Nutzer fundierte Entscheidungen über deren Weiterverwendung treffen können.

Eine ganze Reihe von Hochrisiko-KI-Systemen würden zugelassen, müssten aber bestimmte Anforderungen und Verpflichtungen erfüllen, um Zugang zum EU-Markt zu erhalten. Die Anforderungen wurden dahingehend präzisiert und angepasst, dass sie technisch machbarer sind und für die, die sie einhalten müssen, eine geringere Belastung darstellen, wenn es zum Beispiel um die Datenqualität oder die technische Dokumentation geht, die von KMU erstellt werden sollte, um nachzuweisen, dass ihre Hochrisiko-KI-Systeme den Anforderungen entsprechen.

Da KI-Systeme über komplexe Wertschöpfungsketten entwickelt und verbreitet werden, enthält der ausgehandelte Kompromiss Änderungen, mit denen die Zuweisung der Zuständigkeiten und Aufgaben der verschiedenen Akteure in diesen Ketten, insbesondere der Anbieter und Nutzer von KI-Systemen, klargestellt werden. Präzisiert wird auch die Beziehung zwischen den Verantwortlichkeiten im Rahmen des KI-Gesetzes und jenen, die bereits im Rahmen anderer Rechtsvorschriften bestehen, wie etwa der einschlägigen Datenschutz- oder sektoralen Rechtsvorschriften der EU.

KI-Anwendungen, deren Risiko als unannehmbar gilt, werden in der EU verboten. Unter dieses Verbot sollen laut vorläufiger Einigung unter anderem folgende Anwendungen fallen: kognitive Verhaltensmanipulation, das ungezielte Auslesen („Scraping“) von Gesichtsbildern aus dem Internet oder aus CCTV-Aufzeichnungen, Emotionserkennung am Arbeitsplatz oder in Bildungseinrichtungen, Sozialkreditsysteme, biometrische Kategorisierung, die auf sensible Daten wie die sexuelle Orientierung oder religiöse Überzeugungen schließen lässt, sowie bestimmte Fälle vorausschauender Polizeiarbeit („Predictive Policing“) in Bezug auf einzelne Personen.

Ausnahmen für die Strafverfolgung

Angesichts der besonderen Situation von Strafverfolgungsbehörden und der Notwendigkeit, dass sie weiterhin in der Lage sein müssen, KI für ihre unverzichtbare Arbeit zu nutzen, wurden mehrere Änderungen des Kommissionsvorschlags in Bezug auf den Einsatz von KI-Systemen für Strafverfolgungszwecke vereinbart. Vorbehaltlich angemessener Schutzvorkehrungen soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Vertraulichkeit sensibler operativer Daten im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden gewahrt werden muss. So wurde beispielsweise ein Notfallverfahren eingeführt, das es Strafverfolgungsbehörden erlaubt, in dringenden Fällen auch Hochrisiko-KI-Instrumente einzusetzen, die das Konformitätsbewertungsverfahren nicht bestanden haben. Zugleich wurde jedoch ein spezifischer Mechanismus eingeführt, um sicherzustellen, dass die Grundrechte ausreichend vor potenziellem Missbrauch durch KI-Systeme geschützt werden.

In Bezug auf die Verwendung biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierungssysteme im öffentlichen Raum werden zudem die Ziele präzisiert, für die eine solche Verwendung zu Strafverfolgungszwecken unbedingt notwendig ist, und zu denen den Strafverfolgungsbehörden die Verwendung solcher Systeme daher ausnahmsweise gestattet werden sollte. In der Kompromissvereinbarung sind jedoch zusätzliche Schutzvorkehrungen vorgesehen; zudem bleiben die genannten Ausnahmen auf Fälle und Situationen beschränkt, in denen es um Opfer bestimmter Straftaten, um die Verhütung echter, gegenwärtiger bzw. vorhersehbarer Bedrohungen wie Terroranschläge oder um die Suche nach Personen geht, die schwerster Straftaten verdächtigt werden.

KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck und Basismodelle

Neue Bestimmungen wurden hinzugefügt, um Situationen Rechnung zu tragen, in denen KI-Systeme für viele verschiedene Zwecke genutzt werden können (KI mit allgemeinem Verwendungszweck) und die Technologie anschließend in ein anderes System integriert wird, das als hochriskant gilt. In der vorläufigen Einigung wird auch auf den Sonderfall der KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck („general purpose artificial intelligence systems“, GPAI) eingegangen.

Spezielle Vorschriften sollen auch für Basismodelle gelten – große Systeme, die ein breites Spektrum verschiedener Aufgaben erfüllen und z. B. Videos, Texte und Bilder erzeugen, Gespräche führen, Daten verarbeiten und Computercodes erstellen können. So ist vorgesehen, dass sie bestimmte Transparenzpflichten erfüllen müssen, bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen. Für Basismodelle mit erheblichen Auswirkungen wurde eine strengere Regelung eingeführt. Dabei geht es um Basismodelle, die mit großen Datenmengen trainiert werden und durch ihre fortgeschrittene Komplexität, Fähigkeiten und Leistung weit über dem Durchschnitt liegen. Dies birgt die Gefahr, dass systemische Risiken entlang der Wertschöpfungskette weiterverbreitet werden.

Eine neue Governance-Architektur

Nach den neuen Vorschriften für GPAI-Modelle und angesichts der offenkundigen Notwendigkeit ihrer Durchsetzung auf EU-Ebene wird bei der Kommission ein Amt für künstliche Intelligenz („KI-Amt“) eingerichtet. Seine Aufgabe wird es sein, die am weitesten fortgeschrittenen KI-Modelle zu überwachen; daneben soll es Normen und Testverfahren fördern und die gemeinsamen Vorschriften in allen Mitgliedstaaten durchsetzen. Ein wissenschaftliches Gremium unabhängiger Sachverständiger wird das KI-Amt zu GPAI-Modellen beraten. So soll es dazu beitragen, Methoden zur Bewertung der Fähigkeiten von Basismodellen zu entwickeln, sich zur Benennung und Entstehung von Basismodellen mit erheblichen Auswirkungen äußern und mögliche materielle Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit Basismodellen überwachen.

Der aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzte Ausschuss für künstliche Intelligenz (KI-Ausschuss), soll wie vorgeschlagen als Koordinierungsplattform und beratendes Gremium für die Kommission fungieren. Die Mitgliedstaaten würden somit eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Verordnung spielen, etwa bei der Ausarbeitung von Verhaltenskodizes für Basismodelle. Schließlich wird ein Beratungsforum für Interessenträger wie Vertreter der Industrie, KMU, Start-ups, Zivilgesellschaft und Hochschulen/Wissenschaft eingerichtet, das dem KI-Ausschuss technisches Fachwissen zur Verfügung stellt.

Sanktionen

Die Geldbußen für Verstöße gegen das KI-Gesetz wurden als Prozentsatz des weltweiten Jahresumsatzes des zuwiderhandelnden Unternehmens im vorangegangenen Geschäftsjahr bzw. als im Voraus festgelegter Betrag festgelegt, je nachdem, welcher Betrag höher ist. Das wären 35 Mio. € bzw. 7 % für Verstöße im Zusammenhang mit verbotenen KI-Anwendungen, 15 Mio. € bzw. 3 % für Verstöße gegen die im KI-Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtungen und 7,5 Mio. € bzw. 1,5 % für die Bereitstellung von Fehlinformationen. Für KMU und Start-ups sind jedoch verhältnismäßigere Obergrenzen vorgesehen.

Im ausgehandelten Kompromiss wird auch klargestellt, dass eine natürliche oder juristische Person bei der zuständigen Marktüberwachungsbehörde eine Beschwerde wegen Nichteinhaltung des KI-Gesetzes einreichen und erwarten kann, dass eine solche Beschwerde gemäß den dafür eingerichteten Verfahren dieser Behörde bearbeitet wird.

Transparenz und Schutz der Grundrechte

In der vorläufigen Einigung ist eine Folgenabschätzung in Bezug auf die Grundrechte vorgesehen, die durchgeführt werden muss, bevor ein Hochrisiko-KI-System in Verkehr gebracht wird. Zudem wird mehr Transparenz bei der Verwendung von Hochrisiko-KI-Systemen gefordert. Insbesondere wurden einige Bestimmungen des Kommissionsvorschlags geändert, um darauf hinzuweisen, dass bestimmte Nutzer von Hochrisiko-KI-Systemen, die öffentliche Einrichtungen sind, ebenfalls verpflichtet sein werden, sich in der EU-Datenbank für Hochrisiko-KI-Systeme zu registrieren. Darüber hinaus wurden Bestimmungen hinzugefügt, bei denen der Schwerpunkt auf der Pflicht für Nutzer eines Emotionserkennungssystems liegt, die von dem System betroffenen natürlichen Personen entsprechend zu informieren.

Maßnahmen zur Innovationsförderung

Mit dem Ziel, einen innovationsfreundlicheren Rechtsrahmen zu schaffen, und um faktengestütztes regulatorisches Lernen zu fördern, wurden die Bestimmungen in Bezug auf Maßnahmen zur Innovationsförderung im Vergleich zum Kommissionsvorschlag maßgeblich geändert.

Insbesondere wurde klargestellt, dass die regulatorischen KI-Reallabore, die eine kontrollierte Umgebung für die Entwicklung, Testung und Validierung innovativer KI-Systeme schaffen sollen, auch das Testen innovativer KI-Systeme unter realen Bedingungen ermöglichen sollten. Ferner wurden neue Bestimmungen aufgenommen, wonach KI-Systeme unter realen Bedingungengetestet werden können, wenn bestimmte Bedingungen und Schutzvorkehrungen erfüllt werden. Um den Verwaltungsaufwand für kleinere Unternehmen zu mindern, sind Maßnahmen zu ihrer Unterstützung aufgelistet und einige begrenzte, klar festgelegte Ausnahmeregelungen vorgesehen.

Inkrafttreten

Laut vorläufiger Einigung soll das KI-Gesetz – mit Ausnahme einiger spezifischer Bestimmungen – zwei Jahre nach seinem Inkrafttreten zur Anwendung kommen.

Nächste Schritte

Nach der heute erzielten vorläufigen Einigung werden die Arbeiten in den kommenden Wochen auf fachlicher Ebene fortgesetzt, um die Einzelheiten der neuen Verordnung fertigzustellen. Anschließend wird der Vorsitz den Vertretern der Mitgliedstaaten (AStV) den Kompromisstext zur Billigung vorlegen.

Der vollständige Text muss dann noch vom Rat und vom Parlament bestätigt und von den Rechts- und Sprachsachverständigen überarbeitet werden, bevor er von den beiden gesetzgebenden Organen förmlich angenommen wird.

Diese Pressemitteilung wurde am 2. Februar 2024 aktualisiert, um den endgültigen Kompromisstext im Hinblick auf eine Einigung hinzuzufügen.

BFH Urteil vom 19. März 2024, II R 33/22

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. März 2024, Aktenzeichen II R 33/22, befasst sich mit der Bekanntgabe eines Grunderwerbsteuerbescheids bei einem Formwechsel einer KG in eine GmbH. Es wurde entschieden, dass ein solcher Bescheid auch nach dem Formwechsel an die KG wirksam ist, da sich lediglich die Rechtsform ändert, während die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschaft unverändert bleibt.

BFH Urteil vom 19. März 2024, II R 33/22

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner, BerlinRechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner berät zu grenzüberschreitenden Formwechsel. Er begleitet fachkundig den gesamte (grenzüberschreitenden) Formwechselvorgang und arbeitet dafür mit versierten Partnern zusammen, insbesondere erfahrene Notaren in Deutschland, versierte Buch- und Wirtschaftsprüfer und für den Gründungsvorgang im jeweiligen Ausland die ausländischen Rechtsanwaltskollegen und die dort benötigten Notare.

Leitsätze

Wird eine KG formwechselnd in eine GmbH umgewandelt, ist ein nach dem Formwechsel noch an die KG adressierter Grunderwerbsteuerbescheid wirksam. Bei einem Formwechsel ändert sich nur die Rechtsform, während die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschaft unverändert bleibt. Bei einer falschen Adressierung handelt es sich allenfalls um die unrichtige Bezeichnung ein und derselben Rechtsperson.

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine ausländische Kapitalgesellschaft, ist durch mehrere Umwandlungen entstanden. Sie geht ursprünglich auf die KG1 zurück.Die KG1 war Eigentümerin eines Grundstücks in X. Kommanditisten der KG1 waren A mit einer Beteiligung in Höhe von 58,9 %, B mit einer Beteiligung von 36,1 % und die KG2 mit einer Beteiligung von 5 %.

Mit Vertrag vom 30.09.2011 haben A und B ihre Anteile an der KG1 in die KG3 eingebracht, an der sie als (alleinige) Kommanditisten beteiligt waren, sodass die KG3 nun zu 95 % an der KG1 beteiligt war. A hielt an der KG3 einen Anteil in Höhe von 62 % und B einen Anteil in Höhe von 38 %.

    Am 28.08.2012 hat die KG3 die noch verbliebenen 5 % der Kommanditanteile der KG1 erworben. Am 29.08.2012 ist der Formwechsel der KG1 in die B-GmbH (Klägerin beim Finanzgericht ‑‑FG‑‑) erfolgt. Nach einer Umfirmierung der B-GmbH in die C-GmbH im Januar 2021 hat sich am 08.12.2021 der grenzüberschreitende Formwechsel der C-GmbH in die Klägerin angeschlossen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) hat aufgrund einer Kontrollmitteilung im Jahr 2014 Kenntnis von der am 30.09.2011 erfolgten Einbringung der Anteile der KG1 in die KG3 erhalten. Auf Anforderung hat die Klägerin (unter ihrer damaligen Firma B-GmbH) dem FA am 14.11.2014 unter anderem den Einbringungsvertrag übersandt. Außerdem hat sie mitgeteilt, dass die vormalige KG1 nunmehr die B-GmbH sei.

Am 08.04.2015 hat das FA einen Grunderwerbsteuerbescheid erlassen und ausgeführt, dass die Einbringung der Anteile von A und B an der KG1 in die KG3 zwar gemäß § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitzeitraum anwendbaren Fassung (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliege, die Steuer aber nach § 6 Abs. 3 GrEStG wegen des Übergangs der Anteile von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand nicht erhoben werde. Der Bescheid war an die KG1 adressiert. Er ist bestandskräftig geworden.

Am 02.02.2018 hat das FA einen weiteren Grunderwerbsteuerbescheid erlassen, der an die Klägerin (unter ihrer damaligen Firma B-GmbH) als Rechtsnachfolgerin der KG1 adressiert war. Für den zum 01.10.2011 Wirkung entfaltenden Einbringungsvorgang vom 30.09.2011 hat es nunmehr, ausgehend von einem Schätzwert des Grundstücks in Höhe von … €, Grunderwerbsteuer in Höhe von … € festgesetzt. Die Steuerbegünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG ist aufgrund des Formwechsels der KG1 in die B-GmbH im Jahr 2012 nicht mehr gewährt worden.

Während des gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 02.02.2018 geführten Einspruchsverfahrens hat das FA nach Erlass eines entsprechenden Wertfeststellungsbescheids mit Änderungsbescheid vom 22.08.2018 die Grunderwerbsteuer auf … € herabgesetzt.

Die nachfolgend erhobene Untätigkeitsklage blieb ohne Erfolg. Das FG kam zu dem Ergebnis, dass dem Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids vom 02.02.2018 der bestandskräftige Grunderwerbsteuerbescheid vom 08.04.2015 nicht entgegengestanden habe, da dieser aufgrund falscher Adressatenbezeichnung nichtig gewesen sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 1774 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 125 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO). Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 08.04.2015 sei nicht nichtig. Er sei an den richtigen Adressaten wirksam bekanntgegeben worden. Bei einer formwechselnden Umwandlung bleibe die Identität des Rechtsträgers erhalten. Deshalb richteten sich Verwaltungsakte, die trotz erfolgter formwechselnder Umwandlung unter Nennung der ehemaligen Rechtsform adressiert würden, dennoch an die zutreffende Rechtsperson. Es handele sich folglich um eine bloße falsche Bezeichnung der zutreffenden Rechtsperson, welche nicht zur Nichtigkeit des Grunderwerbsteuerbescheids führe.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils sowie zur Stattgabe der Klage. Der Senat entscheidet in der Sache selbst und hebt den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 02.02.2018 und den Änderungsbescheid vom 22.08.2018 auf (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Entgegen der Auffassung des FG stand dem Erlass des Grunderwerbsteuerbescheids vom 02.02.2018 und dem Änderungsbescheid vom 22.08.2018 die Steuerfestsetzung durch den Grunderwerbsteuerbescheid vom 08.04.2015 entgegen. Letztgenannter Bescheid wurde an die KG1 als richtige Inhaltsadressatin wirksam bekanntgegeben und erwuchs mangels Anfechtung in formelle und materielle Bestandskraft. Die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift (§§ 172 ff. AO) sind nicht erfüllt.

1. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 08.04.2015 wurde der KG1 als richtige Inhaltsadressatin wirksam bekanntgegeben.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) muss ein Verwaltungsakt bestimmt, unzweideutig und vollständig den Willen der Behörde zum Ausdruck bringen und damit auch klar erkennen lassen, an wen er sich richtet (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.10.1985 – GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230, unter C.I.1., m.w.N.). Die Angabe des Inhaltsadressaten ist nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO konstituierender Bestandteil eines jeden Verwaltungsakts. In diesem muss gemäß § 119 Abs. 1 AO hinreichend bestimmt sein, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll (BFH-Urteil vom 11.11.2020 – XI R 11/18, BFHE 271, 41, BStBl II 2021, 415, Rz 27).

b) Ein nach einem Formwechsel im Sinne der §§ 190 ff., 214 ff. des Umwandlungsgesetzes (UmwG) noch an den formwechselnden Rechtsträger und nicht bereits an den Rechtsträger neuer Rechtsform adressierter Bescheid ist wirksam (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2008 – 4 K 1236/07, EFG 2009, 894; FG Münster, Urteile vom 25.02.2005 – 9 K 861/02 G, EFG 2005, 1211; vom 25.04.2006 – 11 K 6822/02 und vom 06.10.2011 – 9 K 1308/10 K, EFG 2012, 990 [jeweils im Nachgang vom BFH aus anderen Gründen aufgehoben bzw. eingestellt]; Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ‑‑OVG‑‑ Berlin-Brandenburg vom 27.01.2011 – OVG 9 N 45.09; OVG-Urteil Nordrhein-Westfalen vom 20.08.2002 – 15 A 1031/01, Zeitschrift für Kommunalfinanzen 2003, 124; BeckOK AO/Füssenich, 27. Ed. [15.01.2024], AO § 125 Rz 32.3; Güroff in Gosch, AO § 122 Rz 9; Müller-Franken in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 122 AO Rz 222; Pahlke in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 122 AO Rz 144; Seer in Tipke/Kruse, § 122 AO Rz 25; a.A. FG Münster, Urteil vom 25.11.2021 – 5 K 3819/18 U, EFG 2022, 148; Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 03.12.2019 – AN 1 K 17.02722 [zu einem identitätswahrenden Formwechsel außerhalb des Umwandlungsgesetzes]). Die Falschbezeichnung ist insoweit unschädlich.

    aa) Nach § 190 Abs. 1 UmwG kann ein Rechtsträger durch Formwechsel eine andere Rechtsform erhalten. Formwechselnder Rechtsträger kann gemäß § 191 Abs. 1 Nr. 1 UmwG eine Personenhandelsgesellschaft sein. Rechtsträger neuer Rechtsform kann gemäß § 191 Abs. 2 Nr. 2 UmwG eine Kapitalgesellschaft sein. Der Formwechsel führt zwar zu einer Änderung der Rechtsform. Die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschaft bleibt jedoch unverändert; die Gesellschaft tauscht nur ihr „Rechtskleid“ aus (vgl. z.B. Hoger in Lutter, Umwandlungsgesetz, 7. Aufl. 2024, § 190 Rz 1, m.w.N.). Danach besteht der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Formwechselbeschluss bestimmten Rechtsform weiter (vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Der Rechtsträger neuer Rechtsform darf grundsätzlich seine bisher geführte Firma beibehalten (§ 200 Abs. 1 Satz 1 UmwG).

bb) Nach einer formwechselnden Umwandlung steht der Rechtswirksamkeit eines Bescheids daher nicht entgegen, wenn dieser noch an die Gesellschaft unter dem Namen der alten Rechtsform gerichtet ist. Denn es handelt sich allenfalls um die unrichtige Bezeichnung ein und derselben Rechtsperson (vgl. dazu grundlegend Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.10.1985 – GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230, C.II.2.). Dies hat der Senat bereits mit Urteil vom 26.06.1974 – II R 199/72 (BFHE 113, 90, BStBl II 1974, 724) für einen Grunderwerbsteuerbescheid entschieden, der noch auf eine OHG lautete, nachdem die OHG sich formwechselnd in eine KG umgewandelt hatte. Der Senat hat bereits in dieser Entscheidung darauf abgestellt, dass die Identität der Gesellschaft durch den Formwechsel unberührt blieb. Diese Grundsätze können auf den Formwechsel einer KG in eine GmbH nach Einführung des Umwandlungsgesetzes übertragen werden, da auch in diesem Fall sich die Rechtsperson der Gesellschaft nicht ändert.

2. Nach diesen Grundsätzen ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Grunderwerbsteuerbescheid vom 08.04.2015 mangels wirksamer Bekanntgabe nichtig war …

a) Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 08.04.2015 wurde der KG1 als richtige Inhaltsadressatin nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO wirksam bekanntgegeben. Die KG1 wurde formwechselnd in die Klägerin (unter ihrer damaligen Firmierung als B-GmbH) umgewandelt. Ein Rechtsträgerwechsel erfolgte nicht. Die Falschbezeichnung der KG1 im Bescheid vom 08.04.2015 stellt deshalb die bloße unrichtige Bezeichnung der Klägerin als identische Rechtsperson dar.

b) Mit der wirksamen Bekanntgabe an die KG1 als richtige Inhaltsadressatin erwuchs der Grunderwerbsteuerbescheid vom 08.04.2015 in materieller Bestandskraft. Danach war das FA an die in diesem Bescheid getroffene Regelung inhaltlich gebunden und konnte ‑‑vorbehaltlich etwaiger Änderungsvorschriften nach §§ 172 ff. AO‑‑ nicht mehr in einem neuen Bescheid eine damit unvereinbare Regelung treffen.

 …

 3. Die Kostenentscheidung …..