BGH: Verjährung der Erstattungsansprüche der GmbH mit Entstehung der Unterbilanz

Vorliegen einer verbotenen Auszahlung zu Lasten des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens; Bestellung einer dinglichen Sicherheit für einen Darlehensrückzahlungsanspruch eines Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter; Verjährung der Erstattungsansprüche der Gesellschaft mit Entstehung einer Unterbilanz

BGH, Urteil, 21.03.2017, II ZR 93/16.

Amtlicher Leitsatz:

GmbHG § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 2Eine verbotene Auszahlung im Sinn von § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu Lasten des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens liegt mit der Bestellung einer dinglichen Sicherheit für einen Darlehensrückzahlungsanspruch eines Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter vor, wenn der Gesellschafter nicht voraussichtlich zur Rückzahlung in der Lage ist und zudem eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird. Damit und nicht erst mit der Verwertung der Sicherheit beginnt die Verjährung der Erstattungsansprüche der Gesellschaft nach § 31 Abs. 5 Satz 2 GmbHG.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. mbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Die Beklagten sind Kommanditisten der Schuldnerin und Gesellschafter ihrer Komplementärin.
Zum Betriebsvermögen der Schuldnerin gehörte das Grundstück J. in G. . Dieses war zugunsten der S. Bank mit einer Buchgrundschuld belastet, die zuletzt aufgrund der Zweckerklärung vom 7. Juli 2003 eine Darlehensforderung der Gläubigerin gegen die frühere Beklagte zu 1 sicherte.
Im Juni 2011 kündigte die S. Bank das Darlehen. Nach Insolvenzeröffnung am 6. Dezember 2011 meldete sie eine Forderung von 306.604,92 € zur Tabelle an und verlangte abgesonderte Befriedigung aus der Grundschuld. Am 21. März 2013 gab die Beklagte zu 1 die eidesstattliche Versicherung ab. Der Kläger verkaufte das Grundstück am 18. Oktober 2013 im Einvernehmen mit der S. Bank für 74.000 €. Davon gelangte ein Kostenbeitrag von 4.998 € zur Insolvenzmasse, 54.876,63 € erhielt die S. Bank und den Restbetrag die Stadt G. .
Der Kläger hat mit seiner am 31. Dezember 2014 eingegangen Klage von der Beklagten zu 1 Zahlung von 54.876,63 € verlangt und hinsichtlich der Beklagten zu 2 bis 4 jeweils die Feststellung begehrt, dass sie verpflichtet seien, jeweils 8.521,53 € bei Ausfall der Beklagten zu 1 zu zahlen und zudem jeweils diesen Betrag bei Ausfall der weiteren Beklagten. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 durch Teilversäumnisurteil zur Zahlung verurteilt und die Klage gegen die Beklagten zu 2 bis 4 abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, mit der er von den Beklagten zu 2 bis 4 jeweils Zahlung von 8.521,53 € verlangt und die Feststellung ihrer Verpflichtung zur Zahlung dieses Betrags bei Ausfall der weiteren verbliebenen Beklagten beantragt hat. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwar verstoße eine Zahlung der Kommanditgesellschaft an einen Kommanditisten, der zugleich GmbHGesellschafter sei, gegen das Verbot des § 30 GmbHG, wenn sie dazu führe, dass das Vermögen der Komplementär-GmbH nach Abzug der Verbindlichkeiten nicht der Höhe des Stammkapitals entspreche. Der Rückzahlungsanspruch aus § 31 GmbHG stehe der Kommanditgesellschaft zu. Durch die Gewährung der Sicherheit und deren Verwertung sei eine Auszahlung an die Beklagte zu 1 als Gesellschafterin erfolgt. Die Beklagte zu 1 sei als Adressatin des Auszahlungsverbots und zugleich als haftende Empfängerin der verbotenen Auszahlung im Sinne des § 31 GmbHG anzusehen, weil sie vereinbarungsgemäß durch die Verwertung der Sicherheit von ihrer Darlehensverbindlichkeit gegenüber der S. Bank befreit werden sollte und auch teilweise befreit worden sei.
Es sei aber nicht festzustellen, dass die Auszahlung zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz geführt habe. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Auszahlung gegen das Kapitalerhaltungsgebot verstoße, sei der Moment, in dem die Haftung der Grundschuld für eine allein gegenüber der Beklagten zu 1 bestehende Forderung begründet worden sei. Gewähre die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen, werde die Auszahlung des Darlehens als maßgeblicher Zeitpunkt angesehen, zu dem die Vereinbarkeit mit § 30 Abs. 1 GmbHG zu prüfen sei. Für die Stellung einer dinglichen Sicherheit aus dem Vermögen der Gesellschaft für eine Verbindlichkeit eines Gesellschafters könne nichts anderes gelten. Die Bestellung einer dinglichen Sicherheit entspreche wirtschaftlich der unmittelbaren Finanzierung des Gesellschafters durch ein Gesellschafterdarlehen. Wie die Auszahlung eines Darlehens führe sie zu einem Vermögensabfluss, auch wenn dieser nach § 251 HGB zunächst nur unter der Bilanz auszuweisen sei. Durch sie gehöre der als Sicherheit gewährte Gegenstand sachenrechtlich und insolvenzrechtlich nicht mehr allein der Gesellschaft, sondern stehe vorrangig dem Gläubiger des Gesellschafters zur Verfügung. Dieser sei auch dann nicht an einer Verwertung der Sicherheit gehindert, wenn dies zu einer Unterbilanz der Gesellschaft führe, da er als außenstehender Dritter nicht an die Kapitalerhaltungsvorschriften gebunden sei.
Stelle man demgegenüber nicht auf die Bestellung der Sicherheit, sondern auf den Zeitpunkt der mit Wahrscheinlichkeit drohenden Inanspruchnahme oder der Verwertung ab, könnten regelmäßig weder die Gesellschafter noch der Geschäftsführer absehen, ob sich aus der Bestellung der dinglichen Sicherheit künftig eine verbotene Auszahlung ergeben werde, die zu verhindern nicht mehr in ihrer Macht stehe. Die Gesellschafter und Geschäftsführer zur Vermeidung ihrer Haftung auf die Möglichkeit zu verweisen, bei der Einräumung der Sicherheit eine vertragliche Verwertungsbeschränkung zu vereinbaren, würde die Möglichkeit, Gesellschaftssicherheiten für Gesellschafterverbindlichkeiten zu bestellen, stark einschränken, da der Kreditgeber nicht ohne weiteres bereit sein werde, eine derartige Schwächung der von ihm geforderten Sicherheit hinzunehmen.
Nach dieser Maßgabe sei die Auszahlung hier mit Abschluss der Sicherheitenabrede vom 7. Juli 2003 erfolgt. Da der Kläger zur Vermögenssituation der Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt nichts vorgetragen habe, könne nicht beurteilt werden, ob das Stammkapital durch die Auszahlung angegriffen worden sei. Eine später eingetretene Unterbilanz genüge zur Begründung des Erstattungsanspruchs für sich genommen nicht.
Es könne indes dahinstehen, ob die Haftung der Beklagten zu 2 bis 4 nach § 31 Abs. 3 GmbHG begründet worden sei, da der Erstattungsanspruch jedenfalls verjährt sei. Unterstelle man die Entstehung oder Vertiefung einer Bilanz und eine Unterbilanz am 7. Juli 2003, habe die Verjährung des Haftungsanspruchs nach § 31 Abs. 5 Satz 2 GmbHG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts in diesem Zeitpunkt begonnen und wäre am 7. Juli 2008 eingetreten. Eine Hemmung sei nicht ersichtlich. Eine neue Verjährungsfrist habe im späteren Zeitpunkt der Verwertung nicht zu laufen begonnen, da es sich dabei lediglich um die rechtlich nicht selbständig zu beurteilende Auswirkung der ursprünglichen, schon vorher durch die Bestellung der Sicherheit bewirkten Auszahlung handele.
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine Zahlung aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft an einen Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder einen Kommanditisten eine nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlung ist, wenn dadurch das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer sinkt oder eine bilanzielle Überschuldung vertieft wird (BGH, Urteil vom 29. März 1973 – II ZR 25/70, BGHZ 60, 324, 328 f.; Urteil vom 27. September 1976 – II ZR 162/75, BGHZ 67, 171, 175; Urteil vom 29. September 1977 – II ZR 157/76, BGHZ 69, 274, 279; Urteil vom 24. März 1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326, 329; Urteil vom 8. Juli 1985 – II ZR 269/84, BGHZ 95, 188, 191; Urteil vom 25. November 1985 – II ZR 93/85, WM 1986, 447, 448; Urteil vom 6. Juli 1998 – II ZR 284/94, ZIP 1998, 1437, 1438; Urteil vom 10. Dezember 2007 – II ZR 180/06, BGHZ 174, 370 Rn. 10; Urteil vom 9. Dezember 2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 Rn. 8).
2. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass ein Erstattungsanspruch nach § 31 Abs. 3 Satz 1 GmbHG gegen die Beklagten zu 2 bis 4 nicht entstanden oder jedenfalls verjährt ist. Eine verbotene Auszahlung im Sinn von § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu Lasten des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens liegt mit der Bestellung einer dinglichen Sicherheit für einen Darlehensrückzahlungsanspruch eines Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter vor, wenn der Gesellschafter nicht voraussichtlich zur Rückzahlung in der Lage ist und zudem eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird. Damit und nicht erst mit der Verwertung der Sicherheit beginnt auch die Verjährung der Erstattungsansprüche der Gesellschaft nach § 31 Abs. 5 Satz 2 GmbHG.
a) Bei der Bestellung einer dinglichen Sicherheit durch die Gesellschaft für einen Darlehensrückzahlungsanspruch des Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter kommt als Auszahlung im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG regelmäßig die Bestellung der Sicherheit in Betracht (vgl. zur Aktiengesellschaft BGH, Urteil vom 10. Januar 2017 – II ZR 94/15, ZIP 2017, 472 Rn. 15; Urteil vom 31. Mai 2011 – II ZR 141/09, BGHZ 190, 7 Rn. 21 – Dritter Börsengang; zur Kommanditgesellschaft BGH, Urteil vom 20. Oktober 1975 – II ZR 214/74, WM 1976, 130, 131; offengelassen bei BGH, Urteil vom 18. Juni 2007 – II ZR 86/06, BGHZ 173, 1 Rn. 25). Das Auszahlungsverbot betrifft nicht nur Geldleistungen an Gesellschafter, sondern Leistungen aller Art (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258, 276; Urteil vom 1. Dezember 1986 – II ZR 306/85, WM 1987, 348, 349). Auch mit der Überlassung einer Grundschuld für Zwecke der Kreditbeschaffung wird dem Gesellschafter Vermögen der Gesellschaft zur Verfügung gestellt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1975 – II ZR 214/74, WM 1976, 130, 131). Die übrigen Gläubiger haben im Umfang der Sicherheit keinen Zugriff mehr auf das Vermögen der Gesellschaft, die die Verwertung zugunsten des Sicherungsnehmers bei Fälligkeit auch nicht verhindern kann.
Dafür spricht auch, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Gleichbehandlung der mittelbaren Finanzierung mit einer direkten Finanzierung des Gesellschafters durch ein Darlehen (MünchKommGmbHG/Ekkenga, 2. Aufl., § 30 Rn. 140; Schön, ZHR 159 [1995], 351, 356; Habersack/Schürnbrand, NZG 2004, 689, 696; Freitag, Der Konzern, 2011, 330, 331). In diesem Fall läge eine Auszahlung ohne weiteres vor, wenn das Darlehen an den Gesellschafter selbst oder auf dessen Weisung an dessen Gläubiger ausgezahlt würde. Das gilt dann auch, wenn anstelle einer unmittelbaren Auszahlung eine dingliche Sicherheit für die Auszahlung eines Darlehens eines Dritten an den Gesellschafter gestellt wird.
Dass sich die Bestellung der Sicherheit in der Handelsbilanz nicht unmittelbar auswirkt (§ 251 Satz 1 HGB), steht dem nicht entgegen. Wenn der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) zum bilanziellen Denken zurückkehren wollte (Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen [MoMiG], BT-Drucks. 16/6140 S. 41), hatte er Darlehen im Blick, bei denen die Auszahlung immer bilanzwirksam ist. In anderen Fällen, in denen eine Auszahlung vorliegt, wie etwa bei der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes zum Buchwert statt zum Verkehrswert, muss sich dies nicht in der Handelsbilanz niederschlagen. Eine strikte Orientierung an den Bilanzierungsgrundsätzen für die Handelsbilanz wird diesen Fallgestaltungen nicht gerecht. Vielmehr ist mit dem „bilanziellen“ Denken eher eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gemeint (Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 30 Rn 62; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 30 Rn. 145).
b) Zu einer Auszahlung kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht erst, wenn eine Inanspruchnahme der Sicherheit droht (so aber im Ergebnis Michalski/Heidinger, GmbHG, 2. Aufl., § 30 Rn. 95, 207; Thiessen in Bork/Schäfer, GmbHG, 3. Aufl., § 30 GmbHG Rn. 42 f.; Winkler/Becker, ZIP 2009, 2361, 2363; Dampf, Der Konzern 2007, 157, 165; Sutter/Masseli, WM 2010, 1064, 1068; Steinbeck, WM 1999, 885, 887).
Bei Leistungen der Gesellschaft, welche durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind, liegt nach § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG keine Auszahlung vor. Bei der Bestellung einer dinglichen Sicherheit ist dieser Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch der Anspruch der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter, sie von der Inanspruchnahme der Sicherheit bei Fälligkeit des Darlehens freizustellen. Ob der Darlehensgeber und Sicherungsnehmer auf die Sicherheit zugreifen wird, hängt davon ab, ob der Gesellschafter aus der ex-ante-Perspektive zur Darlehensrückzahlung in der Lage ist (BGH, Urteil vom 10. Januar 2017 – II ZR 94/15, ZIP 2017, 472 Rn. 18 zu § 57 Abs. 1 AktG).
Insoweit ist der Freistellungsanspruch als „Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch“ vollwertig und ein Ausfall unwahrscheinlich, wenn der Ausfall des Darlehensrückzahlungsanspruchs des Sicherungsnehmers unwahrscheinlich ist. In diesem Fall liegt auch bei der Stellung einer dinglichen Sicherheit der vom Gesetzgeber mit der bilanziellen Betrachtungsweise (Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen [MoMiG], BT-Drucks. 16/6140 S. 41) zugelassene „Aktiventausch“ vor, der nach § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG eine Bewertung als Auszahlung ausschließt (vgl. MünchKommGmbHG/Ekkenga, GmbHG, 2. Aufl., § 30 Rn. 253 ff.; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 30 Rn. 125; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 30 Rn. 62; Freitag, WM 2007, 1681, 1685). Der Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung ist insoweit geschwächt. Diese Schwächung beruht aber auf der Entscheidung des Gesetzgebers, einen Tausch von vorhandenen Vermögenswerten in einen Anspruch gegen den Gesellschafter zuzulassen.
aa) Ist der Freistellungsanspruch bei der Bestellung der Sicherheit nicht werthaltig, liegt bereits darin die Auszahlung im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und sind nachfolgende Verschlechterungen ohne Bedeutung. Die Auszahlung und damit die Bestellung der Sicherheit sind nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verboten, wenn der Wert des Vermögensabflusses durch die Bestellung der Sicherheit, der einer unterstellten Verwertung im Zeitpunkt der Bestellung entspricht (vgl. Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 30 Rn. 35), durch den Freistellungsanspruch nicht ausgeglichen wird und die rechnerische Unterdeckung – unabhängig davon, ob sie sich in einer Handelsbilanz abbilden würde – zu einer Unterbilanz führt oder eine Unterbilanz vertieft. Führt der Vermögensabfluss dagegen nicht zu einer Unterbilanz oder vertieft er nicht eine bestehende Unterbilanz, ist die Auszahlung an den Gesellschafter erlaubt und es entsteht kein Erstattungsanspruch (Habersack in Ulmer/Habersack/ Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 30 Rn. 98). Eine weitergehende Verschlechterung der Werthaltigkeit des Freistellungsanspruchs oder das spätere Entstehen einer Unterbilanz sind dann ebenfalls ohne Bedeutung.
bb) Auch wenn der Freistellungsanspruch bei der Bestellung der Sicherheit werthaltig ist, ist wie bei der Gewährung eines Darlehens eine spätere Verschlechterung der Vermögenslage des Gesellschafters für das Vorliegen einer Auszahlung grundsätzlich nicht von Bedeutung (Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 785; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 30 Rn. 43, 63; Kuntz in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 3. Aufl., § 30 Rn. 45; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 30 Rn. 144 f.; Wicke, GmbHG, 3. Aufl., § 30 Rn. 12). Bei einem werthaltigen Freistellungsanspruch gegen den Gesellschafter bei der Bestellung der Sicherheit, also wenn der das Darlehen in Anspruch nehmende Gesellschafter aus der ex-ante-Sicht zur Rückzahlung in der Lage sein wird, d.h. seine Bonität ausreichend ist, ist die Inanspruchnahme der Sicherheit unwahrscheinlich. Dann liegt nach § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ein bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise bilanzneutraler Aktiventausch vor, der nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers unabhängig vom Bestehen oder dem Entstehen einer Unterbilanz keine verbotene Auszahlung ist. Wenn sich der Wert des Freistellungsanspruchs danach wider Erwarten verschlechtert, führt nicht allein diese Verschlechterung zu einer verbotenen Auszahlung (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 13 – MPS zum Darlehen). Eine negative Entwicklung lässt die ex ante bestehende Vollwertigkeit des Freistellungsanspruchs nicht rückwirkend entfallen.cc) Daran ändert auch die Pflicht des Geschäftsführers nichts, die Vermögensverhältnisse des Gesellschafters zu beobachten und auf eine sich nach der Sicherheitenbestellung andeutende Bonitätsverschlechterung mit der Anforderung von Sicherheiten oder der Durchsetzung des Freistellungsanspruchs zu reagieren (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 14 – MPS zum Darlehen). Die Unterlassung solcher Maßnahmen kann zur Schadenersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG führen (Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen [MoMiG], BT-Drucks. 16/6140 S. 41; BGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 14 – MPS zum Darlehen).
Die bloße Unterlassung, einen Befreiungs-, Rückgriffs- oder Sicherungsanspruch gegen den Gesellschafter geltend zu machen, ist jedoch keine Auszahlung im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG (Altmeppen in Roth/ Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 30 Rn. 145; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 30 Rn. 63; aA bei „Stehenlassen“ Scholz/Verse, 11. Aufl., § 30 GmbHG, § 30 Rn. 101). Zwar darf der Geschäftsführer nicht auf einen Freistellungsanspruch oder einen Anspruch auf Sicherheitsleistung für die drohende Inanspruchnahme der Sicherheit verzichten, weil dann im Verzicht auf den Anspruch eine Auszahlung läge (vgl. Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 30 Rn. 145; Schön, ZHR 159 [1995], 351, 363; vgl. auch Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 30 Rn. 111 und 54 zum Darlehen). Die bloße Unterlassung der Geltendmachung eines Anspruchs ist aber allein noch kein Verzicht. Der Anspruch, der nicht geltend gemacht wird, besteht fort. Ein Verzicht auf den Freistellungsanspruch wäre außerdem eine andere „Auszahlung“ als die Auszahlung durch Bestellung der Sicherheit, die wertmäßig auch nur den liquiden Wert des wegen der Verschlechterung der Vermögenslage des Gesellschafters gegenüber dem Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung wertgeminderten Freistellungsanspruchs umfassen kann (vgl. MünchKommGmbHG/Ekkenga, 2. Aufl., § 30 Rn. 224). Da der Freistellungsanspruch gegen den begünstigten Gesellschafter fortbesteht, selbst wenn der Geschäftsführer ihn geltend macht, würde die Anwendung von § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auf die Unterlassung der Geltendmachung des Freistellungsanspruchs lediglich eine zusätzliche Forderung nach § 31 Abs. 3 GmbHG gegen die übrigen Gesellschafter begründen. Dafür besteht bei ordnungsgemäßem Handeln der Gesellschafter aber kein Anlass (Schön, ZHR 159 [1995], 351, 363).
c) Die nachfolgende Verwertung ist bei einer dinglichen Sicherheitenbestellung für eine Forderung des Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter nicht für die Auszahlung im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG maßgeblich (Scholz/Verse, GmbHG, 11. Aufl., § 30 Rn. 103; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 30 Rn. 61; Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 30 Rn. 110; Schön, ZHR 159 [1995], 351, 359 ff.; J. Flume, GmbHR 2011, 1258, 1264; Theusinger/Kapteina, NZG 2011, 881, 883 f.; aA J. Vetter in Goette/Habersack, MoMiG, Rn. 4.79 ff.; Tillmann, NZG 2008, 401, 405; Komo, GmbHR 2010, 230, 233).
Das ist nicht deshalb der Fall, weil erst die Verwertung bilanzwirksam wäre und eine Unterbilanz hervorrufen oder vertiefen könnte. Wegen des vom Gesetzgeber für möglich erachteten Aktiventausches ist vielmehr bei fehlender Werthaltigkeit des Freistellungsanspruchs bereits die Bestellung, wie gezeigt, bilanzwirksam, weil die Verwertung unterstellt wird, sie wahrscheinlich ist bzw. entsprechende Rückstellungen gebildet werden müssen.
Für die Annahme einer „effektiven Zahlung“ (in diese Richtung BGH, Urteil vom 18. Juni 2007 – II ZR 86/06, BGHZ 173, 1 Rn. 25 und 27) durch die Verwertung als Auszahlung mag sprechen, dass bei der Bestellung der Sicherheit oft nicht offenbar sein wird, dass eine Auszahlung erfolgt ist, weil erst die Verwertung sie spürbar macht. Auch bei der Darlehensgewährung legt aber regelmäßig erst die ausbleibende Rückzahlung den Vermögensverlust offen. Dass für die Sicherheitenbestellung strengere Grundsätze gelten sollen, leuchtet nicht ein. Auch der mit der Kapitalerhaltung bezweckte Gläubigerschutz erfordert es nicht, erst die Verwertung als Auszahlung anzusehen. Der Gesetzgeber hat mit der Rückkehr zum bilanziellen Denken gerade den Tausch von Aktivvermögen gegen Ansprüche ermöglichen wollen und den Gläubigerschutz insoweit eingeschränkt. Würde man immer auf den Zeitpunkt der Verwertung abstellen, liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, dass die Gesellschaft nie Sicherheitenrksam bestellen könnte, was den Zielsetzungen des Gesetzgebers des MoMiG zuwider liefe (Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 30 Rn. 110).
Entgegen der Revision liegt in der Bestellung der Sicherheit nicht nur eine Vermögensgefährdung, die sich mit einem andersartigen Werteverzehr erst in der Verwertung als Auszahlung realisiert, so dass damit eine neue Verjährungsfrist beginnt (Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 31 Rn. 38; Scholz/Verse, GmbHG, 11. Aufl., § 31 Rn. 77 i.V.m. § 30 Rn. 103; aA Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 31 Rn. 27; Fleischer in Henssler/ Strohn, GesR, 3. Aufl., § 31 GmbHG Rn. 41; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 31 Rn. 31 und § 30 Rn. 8). Die Sicherheit scheidet vielmehr bereits mit der Bestellung aus dem Vermögen der Gesellschaft aus. Die Minderung des Vermögens besteht im Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit nicht nur in einer Risikoübernahme, wenn der Freistellungsanspruch nicht werthaltig ist.
28 Danach besteht kein Erstattungsanspruch. Die Revision selbst geht nicht davon aus, dass im Zeitpunkt der Bestellung der Grundschuld für die Forderung der S. Bank gegen die frühere Beklagte zu 1 am 7. Juli 2003 eine Unterbilanz bestand. Das Berufungsgericht hat zwar keine Feststellung dazu getroffen, ob der Freistellungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 damals werthaltig war. Wenn bei fehlender Werthaltigkeit eine Auszahlung vorlag, fehlt aber die Verursachung einer Unterbilanz. Das Berufungsgericht konnte zu einer bestehenden oder entstehenden Unterbilanz mangels Vortrags des Klägers keine Feststellungen treffen. War der Freistellungsanspruch aufgrund ausreichender Bonität der Beklagten zu 1 am 7. Juli 2003 werthaltig, scheidet eine Auszahlung aus, ohne dass es auf eine bestehende Unterbilanz ankäme.
29
Eine spätere Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Beklagten zu 1 führt allein nicht zu einer Auszahlung. Ob der Vortrag des Klägers, die Inanspruchnahme der Sicherheit habe erstmals mit Inanspruchnahme der Bürgen gedroht, zutreffend ist und die erstmalige Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Beklagten zu 1 bzw. den Wertverfall des gegen sie gerichteten Freistellungsanspruchs belegt, kann daher offenbleiben. Dafür, dass zu diesem Zeitpunkt noch ein werthaltiger Freistellungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 bestand, auf den verzichtet wurde, bestehen keine Anhaltspunkte.
Richter: Drescher,Wöstmann, Born, Sunder, Grüneberg.Von Rechts wegen.
Verkündet am: 21. März 2017.
Redatktioneller Hinweis:Verantwortlich für die Präsentation des Urteils auf dieser Webseite (ra-hoeffner.com): Rechtsanwalt und Liquidator Dr. Dietmar Höffner.

Zur inkongruenten Deckung bei Befriedi­gung des Gläubigers aus einer erfüllungshal­ber abgetretenen Forderung

Anwalt - Nachtragsliquidator

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner ist als Nachtragsliquidator und Liquidator tätig.

BGH 19.12.2013, IX ZR 127/11:

Tritt ein Schuldner eine Forderung an den Gläubiger ab und soll sich der Gläubiger nach dem Willen der Parteien aus der abgetretenen Forderung befriedigen, handelt es sich in der Regel um eine Leistung erfüllungshalber. Erlangt der Gläubiger aus einer erfüllungs­halber abgetretenen Forderung Befriedigung, handelt es sich um eine inkongruente De­ckung, wenn die Abtretung ihrerseits anfechtbar ist.

Der Sachverhalt:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 30.6. am 20.8.2008 eröffneten In­solvenzverfahren über das Vermögen der F-GbR (Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb auf vom Beklagten gepachteten Flächen u.a. eine Erdbeerplantage. In dem im November 1998 geschlossenen Pachtvertrag war eine zwanzigjährige Laufzeit vereinbart. Im März 2002 schlossen der Beklagte und die beiden Gesellschafter der Schuldnerin zusammen mit einem weiteren Beteiligten einen Vertrag, mit dem der Beklagte der Schuldnerin ein Darlehen über 230.000 € ausschließlich für betriebliche Zwecke gewährte.

Aufgrund erheblicher Zahlungsrückstände sowohl aus dem Pacht- als auch dem Darle­hensvertrag vereinbarten der Beklagte, die Schuldnerin, deren Gesellschafter und der weitere Beteiligte am 4.5.2007 einen Zahlungsplan, mittels dessen die Rückstände durch Zahlungen der Schuldnerin – zuvörderst auf die Darlehensschuld – abgetragen werden sollten. Die Schuldnerin kam ihren Zahlungspflichten im Jahr 2007 i.H.v. 88.000 € nicht nach. Der Beklagte kündigte am 29.1.2008 die geschlossenen Verträge und berief sich auf sein Pfandrecht aus dem Landpachtvertrag.

Am 10.3.2008 schlossen der Beklagte und die Schuldnerin einen Saisonpachtvertrag für den Zeitraum 11.3. bis 20.7.2008 über die Flächen der Erdbeerplantage. In diesem Ver­trag vereinbarten die Parteien in Nr. 3 unter der Überschrift „Abtretung Erlöse Erdbeerern­te“, dass die Erlöse aus der Erdbeerernte grundsätzlich der Schuldnerin zustehen sollten. Allerdings verpflichtete sich die Schuldnerin, die einen Anlieferungsvertrag mit der L. e.G. schließen wollte, die Abnehmerin der Erdbeeren anzuhalten, an elf Abrechnungstermi­nen jeweils 10.900 € einzubehalten und direkt an den Beklagten auszuzahlen. Die Zahlun­gen der Abnehmerin an den Beklagten sollten vorrangig auf die rückständige Darlehens­schuld angerechnet werden. Aus dem Verkauf der Erdbeeren erhielt der Beklagte am 18.6.2008 einen Betrag i.H.v. rd. 23.000 €. Der Kläger verlangt diesen Betrag unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung zurück.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Beru­fungsurteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:

Die Zahlung der Abnehmerin der Erdbeeren an den Beklagten in Höhe von 23.368,90 € hat zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt.

Es fehlt regelmäßig an einer Gläubigerbenachteiligung, wenn sich ein Gläubiger aufgrund eines insolvenzfesten Absonderungsrechts befriedigt oder der Schuldner das Absonde­rungsrecht durch Zahlung ablöst. Denn Rechtshandlungen, die ausschließlich schuldner­fremdes Vermögen betreffen, wirken sich nicht auf die Insolvenzmasse und damit die Be­friedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger aus. Als gesetzliches Pfandrecht be­gründet auch das Verpächterpfandrecht aus § 592 BGB ein Absonderungsrecht (§ 50 Abs. 1 InsO). Durch die Zahlung i.H.v. rd. 23.000 € war nicht ausschließlich schuldner­fremdes Vermögen betroffen. Weder hat sich der Beklagte aus einem Verpächterpfand­recht befriedigt noch hat die Schuldnerin ein solches durch Zahlung abgelöst. Im maß­geblichen Zeitpunkt war das Pfandrecht bereits erloschen.

Die Zahlung hat der Beklagte durch die Abnehmerin der Erdbeeren erlangt, und zwar aus dem durch den Saisonpachtvertrag vom 10.3.2008 abgetretenen Recht der Schuldnerin. Nach den in diesem Vertrag getroffenen Regelungen ist die Abtretung der Ansprüche aus dem Verkauf der Erdbeeren als Leistung erfüllungshalber zunächst auf die Darlehens­forderung und sodann die Pachtforderungen aus dem früheren Pachtvertrag anzusehen. Tritt ein Schuldner einen Anspruch an den Gläubiger ab, gilt die Auslegungsregel des § 364 Abs. 2 BGB zwar nicht unmittelbar. Im Allgemeinen ist aber eine Leistung erfüllungs­halber anzunehmen, weil der Gläubiger regelmäßig nicht bereit sein wird, das Bonitätsri­siko (§ 365 BGB) zu tragen. Dies gilt vorliegend besonders, denn die Abtretung bezog sich auf künftige Forderungen aus einem noch gar nicht geschlossenen Vertrag.

Im Falle einer Leistung erfüllungshalber erlischt das Schuldverhältnis erst, wenn der Gläu­biger sich aus dem Geleisteten befriedigt. Zuvor kann demnach auch ein Verpächter­pfandrecht, das die zu befriedigende Forderung sichert, nicht abgelöst werden. Als der Beklagte am 18.6.2008 Befriedigung erlangt hat, war das Verpächterpfandrecht an den veräußerten Erdbeeren bereits erloschen (§ 592 S. 4, § 562a S. 1 BGB). Die Erdbeeren waren geerntet und zum Zwecke der Veräußerung von den gepachteten Flächen entfernt worden. Weil das Verpächterpfandrecht bereits erloschen war, ist es unerheblich, ob die in Rede stehenden Forderungen aus dem früheren Pachtvertrag und dem Darlehensver­trag durch ein solches gesichert waren.

Der objektiven Gläubigerbenachteiligung steht auch nicht die mit dem Saisonpachtver­trag erfolgte Abtretung der Ansprüche aus der Veräußerung der Erdbeeren entgegen. Diese ist gem. § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Auf die erfüllungshalber erfolgte Abtretung der Ansprüche aus der Veräußerung der Erdbeeren hatte der Beklagte keinen Anspruch. Sie stellt daher eine inkongruente Deckung dar. Aus Sicht des Beklagten bestand ange­sichts der Zahlungsprobleme der Schuldnerin unstreitig auch Anlass zu Zweifeln an de­ren Liquidität. Auch die übrigen Voraussetzungen des von dem Kläger geltend gemach­ten Rückgewähranspruchs liegen vor (§ 143 Abs. 1 S. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Zah­lung der Abnehmerin der Erdbeeren an den Beklagten erfolgte am 18.6.2008 und damit im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie war inkon­gruent, weil nach den vorstehenden Ausführungen auch die Abtretung in dem Saison­pachtvertrag anfechtbar war und deshalb das Forderungsrecht des Beklagten nicht in­solvenzfest begründet wurde.

Liquidatoren lösen im Auftrag der Gesellschafter einer werbenden GmbH auf, wickeln sie ab und beenden sie

Um eine werbende GmbH rechtlich korrekt zu beenden genügt es nicht, den Geschäftsbetrieb einzustellen oder die Erlaubnis für den Geschäftsbetrieb entzogen zu bekommen. Bis zur Löschung im Handelregister muss die GmbH folgende Stadien durchlaufen:

  1. Die Auflösung  (§ 60 GmbHG) und die Abwicklung beziehungsweise Liquidation (§§ 66ff. GmbHG) und
  2. die Löschung.

Auflösung und Liquidation der GmbH erfolgen in der Regel in folgenden Schritten:

  1. Schriftlicher Gesellschafterbeschluss, mit dem gleichzeitig auch der Liquidator bestellt wird.
  2. Dieser Gesellschafterbeschluss wird mit öffentlich beglaubigter Unterschrift der Gesellschafter oder des Geschäftsführers beim Amtsgericht eingereicht.
  3. Der zu bestellende Liquidator erklärt sich zur Übernahme des Amts bereit und versichert, dass in seiner Person keine Bestellungshindernisse vorliegen.
  4. Die Auflösung und Liquidation muss dann im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht werden.
  5. Erst nach Beendigung der Liquidation, frühestens nach einem Jahr nach der Veröffentlichung, kann dann die Löschung im Handelsregister angemeldet werden.

Im Einzelnen:

Die Auflösung

Die Auflösung wird meistens durch den Beschluss der Gesellschafter vollzogen. Die übrigen Auflösungsgründe sind in § 60 GmbHG genannt. Es ist eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich, soweit der Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt.

Der Auflösungsbeschluss ist formal gültig gemäß § 48 GmbHG. Er sollte eindeutig sein und ist sofort wirksam, sofern nicht ein Wirksamkeitsdatum in der Zukunft vereinbart ist.

Mit der Auflösung der Gesellschaft erlischt die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer!

Gleichzeitig mit dem Auflösungsbeschluss ist deswegen auch über die Person(en) des Liquidators oder der Liquidatoren zu beschließen. In der Regel werden die bei der Auflösung amtierenden Geschäftsführer zu Liquidatoren bestimmt (vergleiche § 66 Abs.1 GmbHG), es sei denn, im Gesellschaftsvertrag ist festgelegt oder die Gesellschafter haben beschlossen, andere Personen zu bestimmen.

Alternativ kann bedacht werden: Dies gilt nicht, wenn die GmbH wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht werden muss. In diesem Fall gibt es nichts zu liquidieren.

Anmeldung

Anmeldung der Auflösung

Die Auflösung der Gesellschaft ist sodann gemäß § 65 Abs.1 GmbHG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Anmeldung muss schriftlich abgefasst. Die Unterschrift des Erklärenden muss ein Notar beglaubigen (öffentliche Beglaubigung).

Das Gesetz verlangt zwar nicht vor, zum Nachweis der Auflösung, Urkunden beizufügen. Da der Vorgang aber so bedeutend ist, verlässt sich das Registergericht nicht auf die bloße Erklärung der Liquidatoren. Das Gericht wird die Vorlage dieser Nachweise verlangen. In der Anmeldung ist daher der Gesellschafterbeschluss als Anlage einzureichen.

Anmeldung der Liquidatoren

Weiterhin müssen sie die Liquidatoren der Gesellschaft in das Handelsregister anmelden (§ 67 GmbHG). Diese Anmeldung sollten Sie zweckmäßiger Weise zusammen mit der Anmeldung der Auflösung vornehmen.

Versicherung der Liquidatoren

Die Liquidatoren müssen bei der Anmeldung im Handelsregister gemäß § 67 Abs.3 GmbHG versichern, dass gegen ihre Bestellung keine straf-, gewerbe- oder berufsrechtlichen Gründe sprechen. Diese Pflicht gilt auch dann, wenn die bisherigen Geschäftsführer zu Liquidatoren ernannt werden.

Die Aufgabe des Liquidators: Die Abwicklung beziehungsweise Liquidation

Die Liquidatoren wickeln in der Folge die aufgelöste GmbH ab. Im Rahmen der Abwicklung beziehungsweise Liquidation der GmbH nach § 72 GmbHG wird das Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter verteilt. Die Liquidatoren:

  1. übernehmen mit ihrer Eintragung ins Handelsregister die Vertretung der GmbH nach außen;
  2. sind für die ordnungsgemäße Abwicklung der GmbH verantwortlich. Ihre wichtigsten Pflichten sind in den §§ 70 – 73 GmbHG geregelt.

Pflichten / Tätigkeiten der Liquidatoren:

  • Vertretung der Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich;
  • Beenden der laufenden Geschäfte;
  • Befriedigung der Gläubiger (Erfüllung der Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft);
  • Einziehung der Forderungen;
  • Liquidierung (In-Geld-Umzusetzen) des Vermögens;
  • Zeichnung unter Verwendung der Firma mit Liquidationszusatz (X-GmbH in Liquidation, beziehungsweise X-GmbH i.L.);
  • Rechnungslegung;
  • Die Liquidatoren müssen mit dem so genannten Gläubigeraufruf die Auflösung bekannt machen und dabei die Gläubiger auffordern, sich bei der Gesellschaft zu melden. Die Bekanntmachung muss in den im Gesellschaftsvertrag genannten Blättern – auf jeden Fall aber auch im e-bundesanzeiger – erscheinen. Mit dem Aufruf beginnt das so genannte Sperrjahr. Vor Ablauf dieses Jahres ist die Verteilung des Vermögens auf die Gesellschafter nicht möglich.

Gläubigerbefriedigung/Vermögensverteilung

Die Die Versilberung des Vermögens, die Gläubigerbefriedigung und anschließende Vermögensverteilung bilden den Kern der Tätigkeit des Liquidators. Über diese Tätigkeit hat der Liquidator Buch zu führen und zum Ende seiner Tätigkeit Rechnung zu legen. Die einzelnen Bausteine zur Liquidation einer GmbH sind:

Buchführung des Liquidators

Der Liquidator hat ständig eine Vermögensaufstellung zu führen. Zu Beginn seiner Tätigkeit ist das Vermögen der Gesellschaft zu inventarisieren.

Versilberung des Vermögens

Tätigkeiten im Einzelnen

Die Tätigkeiten zur Versilberung des Vermögens entsprechen der Tätigkeit eines Insolvenzverwalters. Hierzu zählen:

  • Einziehung der Forderungen
  • Ggf. laufende Geschäftstätigkeit zur Steigerung des Liquidationserlöses
  • Verkauf der Grundstücke und sonstigen beweglichen, materillen oder immateriellen Gegenstände.

Buchführungspflicht

Als Bestandteil der Buchführungspflicht gilt dabei: Im Zuge der Versilberung des Vermögens hat der Liquidator die Vermögensaufstellung ständig zu aktualisieren.

Gläubigeraufruf

Gläubiger melden ihre Forderungen nach Aufruf des Liquidators bei diesem an. Dem Gläubigeraufruf folgt das Sperrjahr. Gleichzeitig hat der Liquidator eine Gläubigerliste zu führen.

Insolvenzantragspflicht gilt auch für den Liquidator

Bevor Vermögen an die Gesellschafter verteilt werden darf ist anhand der Buchführung zu prüfen, ob der Liquidationserlös zur Befriedigung der Gläubiger ausreicht.

Vor Erlösverteilung hat der Liquidator eine Gläubigerliste zu erstellen und zu führen. Anhand einer Gegenüberstellung des Vermögensverzeichnisses mit der Gläubigertabelle ist festzustellen, ob die Liquidationsgesellschaft überschuldet, Tatbestand der Überschuldung, § 19 Abs. 2 S. 1 GmbHG:

„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“

oder gar zahlungsunfähig, Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO:

„Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.“

ist.

Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages (entsprechend der Pflicht des GmbH-Geschäftsführers) gilt für den Liquidator während der gesamten Dauer des Liquidationsverfahrens fort. § 64 GmbHG bestimmt für den Liquidator die Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung: „Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Die gleiche Verpflichtung trifft die Geschäftsführer für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung.

Befriedigung der Gläubiger (Erlösverteilung an die Gläubiger

Als nächstes hat der Liquidator die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen.

Auch in diesem Rahmen hat der Liquidator seine Insolvenzantragspflicht im Blick zu haben.

Vermögensverteilung

§ 73 Abs. 1 GmbHG (Sperrjahr) lautet:

„Die Verteilung darf nicht vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage vorgenommen werden, an welchem die Aufforderung an die Gläubiger (§ 65 Abs. 2) in den Gesellschaftsblättern erfolgt ist.“

Für die zeitlich nachfolgende Vermögensverteilung gilt nach § 72 dann:

„Das Vermögen der Gesellschaft wird unter die Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile verteilt. Durch den Gesellschaftsvertrag kann ein anderes Verhältnis für die Verteilung bestimmt werden.“

Merke: Mit der Vermögensverteilung auf die Gesellschafter ist die Tätigkeit des Liquidators zur Liquidation beendet. Hernach treffen ihn nurmehr Berichtspflichten gegenüber dem Gericht. Zu diesen: Siehe gesonderten Artikel.

Die Löschung

Die Löschung bildet das Ende des gerichtlichen Liquidationsverfahrens. Mit der Löschung der GmbH im Handelsregister ist das Leben der GmbH beendet.

Anmeldung

Das Ende der Liquidation und damit das Erlöschen der GmbH müssen die Liquidatoren zur Eintragung ins Handelsregister anmelden.

Die Anmeldung müssen die Liquidatoren beim Notar unterschreiben und von diesem die Unterschrift beglaubigen lassen.

§ 74 GmbHG bestimmt für den Schluss der Liquidation:

„Ist die Liquidation beendet und die Schlußrechnung gelegt, so haben die Liquidatoren den Schluß der Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.“

Die Schlussbilanz ist dem Gericht mit der Anmeldung zu übermitteln.

Aufbewahrungspflicht

Nach dem Ende der Liquidation müssen die Bücher und Schriften der Gesellschaft zehn Jahre lang aufbewahrt werden.

Verfahren beim Auflösungsgrund „Insolvenz“

Zu den Auflösungsgründen gehört neben dem Auflösungsbeschluss der Gesellschafter auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Gemäß § 15a Inso haben der oder die Geschäftsführer die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Die Abwicklung der Gesellschaft findet in diesem Fall nicht im Wege der oben beschriebenen Liquidation statt, sondern richtet sich nach den Regeln des Insolvenzrechts.

Ich führe rechtliche Beratung zu den Themen

  • Rechtliche Aspekte der Liquidation,
  • Der Liquidator – Stellung, Rechte und Pflichten und Haftung,
  • Die Beteiligten in der Liqudation,
  • Rechtliche Rahmenbedingung: Das gerichtliche Verfahren bei der Liquidation,
  • Honorierung des Liquidators,
  • Vertragsgestaltungen in der Liquidation,
  • Rechnungslegung in der Liquidation,
  • Vermögensausschüttung in der Liquidation,
  • Gläubigerbefriedigung in der Lliquidation,
  • Beendigung der Liqudation.

durch. Falls Sie mit rechtlichen Problemen bei o.g. Themen konfrontiert sind, nehmen Sie Kontakt mit mir auf. Als Rechtsanwalt berate Sie gern.

Rechtsanwalt

Dr. Dietmar Höffner

Zimmerstr. 69

D-10117 Berlin

T: +49(0)30.89542311

F: +49(0)30.89542313

E-Mail: dh (a) kanzlei-hoeffner.de

Web: www.kanzlei-hoeffner.de

Liquidationsmandate übernehme ich gerne – nach vorheriger Absprache – bundesweit. Wenn Sie meine diesbezüglichen Leistungen kennen lernen wollen, nehmen Sie bitte mit mir Kontakt auf.

Ich verweise auch auf ein Merkblatt, dass befreundete Notare verfasst haben: merkblattliquidation

Buchführung und Rechnungslegung in der Liquidation

Anwalt
Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner ist bei der IHK Berlin als Nachtragsliquidator registriert

Eine Kapitalgesellschaft ist innerhalb wie außerhalb der Liquidation als Handelsgesellschaft gem. §§ 238ff. HGB buchführungspflichtig. Das Bilanzrecht aus dem Handelsgesetzbuch ist auch in der Liquidation anwendbar. Den Liquidator treffen identische Buchführungs- Rechnungslegungspflichten mit einer damit verbundenen Schadensersatzhaftung.

Handelsgesetzbuch
§ 238 Buchführungspflicht

(1) Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Die Buchführung muß so beschaffen sein, daß sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen.
(2) Der Kaufmann ist verpflichtet, eine mit der Urschrift übereinstimmende Wiedergabe der abgesandten Handelsbriefe (Kopie, Abdruck, Abschrift oder sonstige Wiedergabe des Wortlauts auf einem Schrift-, Bild- oder anderen Datenträger) zurückzubehalten.

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Fortsetzung der gerichtlich aufgelösten Gesellschaft

Anwalt

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner ist bei der IHK Berlin als Nachtragsliquidator registriert

Die Auflösungsklage

§ 61 GmbHG:

„(1) Die Gesellschaft kann durch gerichtliches Urteil aufgelöst werden, wenn die Errei­chung des Gesellschaftszweckes unmöglich wird, oder wenn andere, in den Verhältnis­sen der Gesellschaft liegende, wichtige Gründe für die Auflösung vorhanden sind.

(2) Die Auflösungsklage ist gegen die Gesellschaft zu richten. Sie kann nur von Gesell­schaftern erhoben werden, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen.

(3) Für die Klage ist das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Ge­sellschaft ihren Sitz hat.“

Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft

Fraglich ist nach einem ergangenen Auflösungsurteil, ob die aufgelöste Gesellschaft fortgesetzt werden kann. Dies ist entgegen dem ersten Anschein über den Sinn und Zweck des § 61 GmbHG möglich. Voraussetzung ist ein wirksamer Fortsetzungsbeschluss der Gesellschafter.

Zulässigkeit

Die Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft bleibt auch im Rahmen von § 61 GmbHG möglich. Dem steht die Rechtskraft des Auflösungsurteils nach § 61 Abs. 1 GmbHG nicht entgegen. Das Auflösungsurteil überführt die Gesellschaft in das Stadium der Abwicklung. Aus dem Abwicklungsstadium ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Gesellschaftsrechts eine Rückkehr in das Stadium einer werbenden Gesellschaft möglich.i

Wirksamkeit des Fortsetzungsbeschlusses

Die allgemeinen Regeln zur Fassung eines Gesellschaftsbeschlusses nach der letzten gültigen Satzung und dem GmbH-Recht sind zu beachten. Das heißt zunächst ist zu prüfen, ob die Allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine Beschlussfassung eingehalten worden sind. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob es sich um einen

  1. förmlichen „ordentlichen“ Gesellschafterbeschluss (in der ordentlich Versammlung der Gesellschafter, unter Beachtung der gesetzlichen Form und Frist zur Einberufung oder

  2. ohne der Beachtung der gesetzlichen Formen geschlossenen „außerordentlichen“ Gesellschafterbeschluss (Voraussetzung: Alle Gesellschafter müssen „auf die Einhaltung der gesetzlichen förmlichen Beschlussvoraussetzungen“ verzichten. Ein Gesellschafter erklärt sein Einverständnis mit einer Beschlussfassung ohne Einhaltung von Förmlichkeiten bereits damit, dass er an der formlosen Beschlussfassung teilnimmt, gleichgültig, ob er seine Stimme mit „ja“, „nein“ oder „Enthaltung“ abgibt.)

handelt.

Dann ist nach den allgemeinen Regeln des Gesellschaftsrecht zur Wirksamkeit des Fortsetzungsbeschlusses eine Dreiviertelmehrheit in der Gesellschaftsversammlung notwendig.

Zusätzlich bedarf die Wirksamkeit eines Fortsetzungsbeschlusses, dass der oder die Auflösungskläger dem Beschluss mit „ja“ zustimmen.ii Die herrschende Meinung begründet dies mit der zwingenden Natur von Minderheitsrechten.iii Anderes soll wiederum dann gelten, wenn es der Mehrheit in der Gesellschafterversammlung gelänge, nachträglich den Auflösungsgrund zu beseitigen.iv

iBeckmann/Hoffmann in: Gehrlein, Ekkenga, Simon (Hrsg.): GmbHG, 2. Auflage, Köln 2015, § 61 Rz. 40 m.w.N.

iiBeckmann/Hoffmann, a.a.O., § 61 Rz. 41 m.w.N.

iiiBeckmann/Hoffmann, a.a.O. m.w.N.

ivBeckmann/Hoffmann, a.a.O. m.w.N.

Haftung des Geschäftsführers bei Zahlung nach Insolvenzreife

Anwalt

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner ist bei der IHK Berlin als Nachtragsliquidator registriert

Die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH ist ein weites Feld. Eine Haftung trifft den Geschäftsführer in allererster Linie im Falle der Insolvenz der GmbH. Insolvenzverwalter begründen mittlerweile häufig die Insolvenzeröffnung einer ansonsten vermögenslosen GmbH mit Rückgriffsansprüchen gegen den Geschäftsführer.

Haftungsträchtig ist insbesondere jede Zahlung nach Insolvenzreife. Wird eine GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet, darf der Geschäftsführer grundsätzlich keine Zahlungen mehr für die Gesellschaft leisten. Nach § 64 S. 1 GmbHG ist der Geschäftsführer zum Ersatz derartiger Zahlungen gegenüber dem Insolvenzverwalter verpflichtet.

Ein Problem tritt jedoch auf, wenn der Geschäftsführer zu der Zahlung (auch nach Eintritt der Insolvenzreife) verpflichtet ist. Hier spricht man von einer Pflichtenkollision des Geschäftsführers.

Eine Ausnahme von dieser Haftung besteht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Ob Zahlungen an die Sozialversicherungsträger hierunter fallen, war früher umstritten. Der Geschäftsführer stand immer in der Gefahr, bei Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Insolvenzverwalter zu haften und bei Nichtzahlung dem Sozialversicherungsträger für die Arbeitnehmeranteile zu haften und sich insoweit auch strafbar zu machen.  In  zwei Urteilen vom 14.05.2007 und 02.06.2008 wies der BGH darauf hin, dass ein Geschäftsführer, der nach Insolvenzreife seiner strafbewehrten Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge nachkommt, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt und insoweit nicht persönlich gegenüber dem Insolvenzverwalter haftet.

Der Geschäftsführer muss jedoch unterscheiden: Strafbewehrt ist nur die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmeranteile. Führt der Geschäftsführer einer insolventen GmbH auch die Arbeitgeberanteile ab, kann er insoweit vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden. Führt er nur einen Betrag in Höhe der Arbeitnehmeranteile ab, gibt aber nicht an, dass die Zahlung nur auf die Arbeitnehmeranteile erfolgt, wird die Zahlung kraft Gesetzes je zur Hälfte auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile verrechnet. In Höhe des nicht gezahlten Arbeitnehmeranteils haftet der Geschäftsführer dann gegenüber dem Sozialversicherungsträger, in Höhe der Zahlung auf die Arbeitgeberanteile dem Insolvenzverwalter.

Der vom BGH aufgestellte Grundsatz, dass ein Geschäftsführer einer insolventen GmbH bei einer Zahlung dann mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt, wenn er sich bei Unterlassen der Zahlung strafbar machen würde, hat auch in anderen Fällen eine günstige Konsequenz für den Geschäftsführer. In einem vom BGH am 05.05.2008 entschiedenen Fall hatte eine Schwestergesellschaft an eine insolvente GmbH einen Betrag mit der Vereinbarung gezahlt, dass die GmbH den Betrag in bestimmter Weise weiterleiten sollte. Dies erfolgte auch, danach stellte der Geschäftsführer für die GmbH selbst einen Insolvenzantrag. Der BGH verneinte hier eine Haftung gegenüber dem Insolvenzverwalter mit der Begründung, dass sich der Geschäftsführer bei entgegen der Absprache nicht erfolgter Weiterleitung der erhaltenen Beträge gegenüber der Schwestergesellschaft einer Untreue strafbar gemacht hätte. Wenn aber der Geschäftsführer einer insolventen GmbH eine Zahlung leistet, um einer eigenen Strafbarkeit zu entgehen, sei diese Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu vereinbaren.

Haftung des Geschäftsführers für Zahlung von Umsatz- und Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge nach Insolvenzreife

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der Geschäftsführer einer GmbH haftet nicht, wenn er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung rückständige Umsatz- und Lohnsteuer an das Finanzamt und rückständige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle zahlt. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 25. Januar 2011 (AZ: II ZR 196/09).

Nach § 64 GmbHG sind GmbH-Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung (Insolvenzreife) veranlasst haben, es sei denn, dass die Zahlungen auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Im vorliegenden Fall wurde im Januar 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH eröffnet. Der Insolvenzverwalter verlangte von deren ehemaligem Geschäftsführer Ersatz zweier Zahlungen, die dieser im Oktober 2005 zulasten des Gesellschaftsvermögens getätigt hatte. Hierbei handelte es sich um die Begleichung rückständiger Umsatz- und Lohnsteuer an das Finanzamt sowie rückständiger Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle. Der Insolvenzverwalter begründete seine Forderung damit, dass die GmbH zum Zeitpunkt der Zahlungen bereits überschuldet gewesen sei.

Hier hat der BGH entschieden, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft nicht für die getätigten Zahlungen haftet, da diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind. Wenn der Geschäftsführer einer GmbH (auch nach Eintritt der Insolvenzreife) fällige Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen nicht an das Finanzamt abführt, begeht er eine mit Geldbuße bedrohte Ordnungswidrigkeit nach § 26b UStG oder § 380 AO und setzt sich außerdem der persönlichen Haftung gemäß §§ 69, 34 Abs. 1 AO aus. Bereits in 2007 hat der BGH (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007, AZ: II ZR 48/06) entschieden, dass, bedingt durch den bestehenden Interessenkonflikt des Geschäftsführers zwischen der Befolgung der Massesicherungspflicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG und der steuerlichen Abführungspflicht, die Zahlung von Umsatz ? und Lohnsteuer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbart ist. Diese Rechtsprechung bezieht sich nicht nur auf laufende, erst nach Eintritt der Insolvenzreife fällig werdende Steuerforderungen, sondern auch auf Steuerrückstände. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann es dem Geschäftsführer nicht zugemutet werden, wegen des Zahlungsverbots aus § 64 GmbHG auf die Möglichkeit zu verzichten, die Voraussetzungen für eine Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens bzw. für die Verhängung einer geringeren Geldbuße sowie für die Befreiung von der persönlichen Haftung für die Steuerschuld zu schaffen. Wie der BGH in seinem Urteil vom 14. Mai 2007 ebenfalls entschieden hat, handelt der Geschäftsführer einer GmbH auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und haftet deshalb nicht nach § 64 GmbHG, wenn er nach Eintritt der Insolvenzreife fällige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die zuständige Einzugsstelle zahlt. Mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung kann ihm auch insoweit nicht zugemutet werden, diese Zahlung im Interesse einer gleichmäßigen und ranggerechten Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger im nachfolgenden Insolvenzverfahren zu unterlassen und sich dadurch wegen Untreue nach § 266 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 4 StGB strafbar und auch schadensersatzpflichtig zu machen. Insoweit gelten die gleichen Erwägungen wie zu den Steuerforderungen. Das gilt auch für die Frage, ob von der Privilegierung nur die laufenden, erst nach Eintritt der Insolvenzreife fällg werdenden Arbeitnehmerbeiträge oder auch die Beitragsrückstände erfasst werden.

Es widerspricht allerdings der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns im Sinne § 64 Satz 2 GmbHG, wenn der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle leistet. Denn nur das Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen ist in § 266 StGB unter Strafe gestellt und begründet eine Schadensersatzpflicht. Hinsichtlich der Arbeitgeberanteile fehlt es deshalb an einem Interessenkonflikt und damit an einem Grund, den Anwendungsbereich des Zahlungsverbots aus § 64 GmbHG einzuschränken.

BGH-Entscheidung zur Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers

Anwalt

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

In einem aktuellen Urteil hatte der BGH erstmals Gelegenheit, mehrere zum Teil umstrittene Auslegungsfragen des 2008 im Rahmen des MoMiG neu geschaffenen Haftungstatbestands des § 64 S. 3 GmbHG zu entscheiden (Urteil vom 09.10.2012 – II ZR 298/11). Das Urteil schafft Klarheit hinsichtlich der für die Praxis bedeutsamen Frage, inwieweit fällige Forderungen des Gesellschafters bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen sind.

I. Die neue Insolvenzverursachungshaftung
Mit § 64 S. 3 GmbHG hat der Gesetzgeber durch das MoMiG eine neue Haftung des Geschäftsführers für den Fall eingeführt, dass Zahlungen aus dem Vermögen der GmbH an den Gesellschafter zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten (so genannte Insolvenzverursachungshaftung). Die Vorschrift dient dem Gläubigerschutz und flankiert § 30 GmbH. Im Vergleich zum seit jeher bestehenden Zahlungsverbot nach § 64 S. 1 GmbHG bestehen Besonderheiten: Einerseits setzt die Haftung zeitlich bereits vor Eintritt der materiellen Insolvenz ein. Andererseits die bschränkt sich die Haftung auf die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit. Die Verursachung einer Überschuldung ist für die Haftung nach S. 3 ohne Bedeutung.

Der Tatbestand der Insolvenzverursachungshaftung verlangt eine dem Geschäftsführer zurechenbare Zahlung (im Grundsatz identisch mit dem für das Zahlungsverbot nach S. 1 geltenden Zahlungsbegriff bzw. dort entwickelten Zurechnungsregeln) an den Gesellschafter, die die Zahlungsunfähigkeit der GmbH verursacht (Kausalität). Die bilanzielle Auswirkung der Zahlung ist insoweit ohne Bedeutung. Zudem verlangt die Haftung schuldhaftes, also mindestens fahrlässiges Verhalten. Rechtsfolge ist die Pflicht zur Erstattung der geleisteten Zahlungen.

II. Sachverhalt
Der Kläger und seine inzwischen von ihm geschiedene Ehefrau gewährten der beklagten GmbH im August 1995 ein bis spätestens Ende 2005 zurückzuzahlendes Darlehen in Höhe von ca. 179.000 Euro. Die geschiedene Ehefrau ist alleinige Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin der Beklagten. Der Kläger verlangt Hinterlegung des Darlehensbetrages nebst Zinsen zu seinen und zugunsten seiner geschiedenen Frau. Die beklagte GmbH verweigert die Rückzahlung des Darlehens insbesondere mit der Begründung, die Auszahlung würde zu ihrer Zahlungsunfähigkeit führen, sodass sie sie gemäß § 64 S. 3 GmbHG verweigern könne.

Das LG gab der Klage statt. Das OLG Koblenz wies sie ab. Es war der Auffassung, dass die Hinterlegung im vorliegenden Fall gegen § 64 S. 3 GmbH verstoßen würde, da sie die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen würde und die GmbH nicht mehr in der Lage wäre, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen.

III. Entscheidung des BGH
Der BGH hob das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers hin auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht, weil er den Anwendungsbereich der Insolvenzverursachungshaftung bisher nicht als eröffnet ansah. Nur bei noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit komme § 64 S. 3 GmbHG überhaupt in Betracht. Das Berufungsgericht müsse noch feststellen, ob es erst durch die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft käme.

1. Keine Haftung für die bloße Vertiefung der Insolvenz
§ 64 S. 3 GmbHG zielt auf Zahlungen an den Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft „führen mussten“. Die hier verlangte Kausalität stellt eines der schwierigsten Tatbestandsmerkmale der neuen Geschäftsführerhaftung dar. Anerkannt ist insoweit, dass eine Haftung erst bzw. nur dann eingreift, wenn es tatsächlich zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gekommen ist und deshalb ausscheidet, wenn nach zunächst herbeigeführter Zahlungsunfähigkeit selbige wieder beseitigt wird, ohne dass es zur Insolvenzeröffnung oder Abweisung mangels Masse gekommen ist. Überwiegend wird verlangt, dass eine adäquate Kausalkette vorliegt, die ohne das Hinzutreten weiterer Kausalbeiträge zeitnah und zwangsläufig zur Zahlungsunfähigkeit führt. Zu diesem Punkt liefert die aktuelle Entscheidung nur wenig Neues.

Allerdings äußert sich der BGH zu der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Haftung nach § 64 S. 3 GmbH überhaupt ausgelöst werden kann. Die Entscheidung stellt klar, dass nur die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit, nicht aber auch eine Vertiefung einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zur Haftung wegen Insolvenzverursachungshaftung führen kann. Ist die GmbH bereits zahlungsunfähig, kommt allein eine Haftung wegen Verstoßes gegen das Zahlungsverbot nach § 64 S. 1 GmbH in Betracht. Wegen der Beschränkung auf den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit in S. 3 kann es allerdings zu einer Überschneidung mit S. 1 (Anspruchskonkurrenz) in den Fällen kommen, in den bereits Überschuldung eingetreten ist und die Zahlung danach auch zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt.

2. Forderungen des Gesellschafters sind bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen
Eine weitere Streitfrage, hinsichtlich derer sich der BGH nun klar positioniert hat, betrifft die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit im Rahmen des § 64 S. 3 GmbHG und die sich insoweit stellende Frage, ob fällige und durchsetzbare Forderungen des Gesellschafters hierbei zu berücksichtigen sind.

a) Liquiditätsprognose und Begriff der Zahlungsunfähigkeit
Zur (kontinuierlichen) Aufstellung der Liquiditätsbilanz bzw. Erstellung einer Liquiditätsprognose ist der Geschäftsführer wegen der Insolvenzverursachungshaftung de facto (und im Übrigen bereits aufgrund seiner allgemeinen Organpflichten) verpflichtet, da er nur so eine Feststellung über die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft treffen und, bei positiver Prognose, seine Haftung für eine Zahlung an den Gesellschafter vermeiden kann. Was die Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 64 S. 3 GmbHG betrifft, sieht der BGH keine Besonderheiten im Vergleich zu § 17 II 1 InsO, insbesondere keine Anhaltspunkte für eine Herausrechnung von Forderungen des Gesellschafters. Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet dies, dass Zahlungsunfähigkeit (und nicht mehr eine nur rechtlich unerhebliche Zahlungsstockung) regelmäßig dann vorliegt, wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke von 10% oder mehr besteht, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

b) Volle Berücksichtigung von Gesellschafterforderungen
Von diesem einheitlichen Begriff der Zahlungsunfähigkeit ausgehend lehnt es der BGH konsequenterweise ab, fällige Gesellschafterforderungen im Rahmen der Zahlungsunfähigkeit für Zwecke des § 64 S. 3 GmbHG auszublenden. Dies wird zwar unter Verweis auf den sonst nicht bzw. nur sehr eingeschränkt bestehenden Anwendungsbereich von einer Reihe von Vertretern befürwortet. Der BGH weist darauf hin, dass dies genau der gesetzgeberischen Absicht entspricht und Schutzlücken nicht entstehen, weil der Geschäftsführer bei – unter Berücksichtigung der Gesellschafterforderung ermittelter – eingetretener Zahlungsunfähigkeit bereits nach S. 1 einem Zahlungsverbot unterliegt und für nach diesem Zeitpunkt geleistete Zahlungen haftet. Besteht unter Berücksichtigung fälliger Forderungen des Gesellschafters bereits eine Liquiditätslücke von 10% oder mehr, bedeutet dies, dass eine Zahlung wegen bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit keine Haftung nach § 64 S. 3 GmbHG zur Folge haben kann. Anders wäre es nur, wenn eine bestehende Liquiditätslücke von unter 10% den Schwellenwert erst durch die Zahlung an den Gesellschafter erreicht bzw. überschreitet oder es mangels ernsthaften Einforderns oder sonst bereits an einer fälligen Forderung mangelt.

3. Leistungsverweigerungsrecht
Auch zur umstrittenen Frage des Bestehens eines Leistungsverweigerungsrechts nimmt der BGH eindeutig Stellung: Ergibt die Prüfung der Liquidität der Gesellschaft (Solvenzprognose), dass die Zahlung an den Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Folge hätte, hat die Gesellschaft bzw. der Geschäftsführer nicht nur die Pflicht, die Zahlung zu unterlassen, sondern zugleich das Recht, ihre Vornahme zu verweigern. Entsprechende Weisungen der Gesellschafter sind nichtig und müssen bzw. dürfen nicht befolgt werden.

IV. Fazit
Die Entscheidung schafft für den praktisch relevanten Bereich der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen sowie dem Recht des Geschäftsführers zur Verweigerung solcher und ähnlicher Zahlungen an den Gesellschafter eine willkommene Klarheit. Sorgen um eine ausufernde Haftung des Geschäftsführers durch den neuen Tatbestand werden gedämpft. Der BGH weist zu Recht darauf hin, dass der MoMiG-Gesetzgeber ausdrücklich keinen umfassenden neuen Haftungstatbestand im Vorfeld der Insolvenz, sondern eine punktuelle Ergänzung der Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters beabsichtigte. Es sollte gerade für die von den Kapitalschutzregeln bzw. der allgemeinen Geschäftsführerhaftung gemäß § 43 II GmbHG nicht erfassten Fälle einer „Ausplünderung“ der Gesellschaft effektiver Gläubigerschutz sichergestellt werden.

Die umfassende Kenntnis der aktuellen Liquiditätslage der Gesellschaft ist für den Geschäftsführer von enormer Bedeutung. Nur, wenn er sich jederzeit Kenntnis hierüber verschaffen kann, kann er der Pflicht nachkommen, vor einer Zahlung an den Gesellschafter eine Solvenzprognose – d.h. die Analyse der aktuellen und zukünftigen (im relevanten Prognosezeitraum vorhandenen) Liquidität – vornehmen und damit, wenn die Prognose auch unter Berücksichtigung der Zahlung an den Gesellschafter die fortbestehende Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ergibt, seine Haftung ausschließen.

Aber auch unabhängig von Fällen der Zahlung an den Gesellschafter muss der Geschäftsführer im Hinblick auf seine Insolvenzantragspflicht die Vermögenssituation permanent beobachten und dies, wie der BGH jüngst klargestellt hat, notfalls unter kurzfristiger Hinzuziehung externer Berater sicherstellen.

Die Entscheidung stärkt den Geschäftsführer in der Auseinandersetzung mit dem bzw. den Gesellschaftern den Rücken, da sie klarstellt, dass der Geschäftsführer Vermögenstransfers an die Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen, nicht umsetzen muss. Genauso wenig kann er sich aber zur Haftungsvermeidung auf eine entsprechende Weisung bzw. einen Beschluss der Gesellschafter stützen.

Finanzgericht Köln: Geschäftsführerhaftung für Umsatzsteuerschulden einer GmbH in der Insolvenz

Wenn das das Finanzamt im Insolvenzfall einer GmbH mit Steuerforderungen ausfällt, nimmt es regelmäßig den Geschäftsführer in die Haftung. Unter welchen Voraussetzungen das möglich ist, wie schnell die Finanzgerichte den Verschuldensmaßstab der groben Fahrlässigkeit anlegen und inwieweit der „Grundsatz der anteiligen Tilgung“ anzuwenden ist, zeigt eine Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 17.06.2009 (FG Köln, 11 K 3017/05).

Sachverhalt:
Ein GmbH-Geschäftsführer hatte in den Umsatzsteuervoranmeldungen eine zu geringe Umsatzsteuerschuld ausgewiesen. Die später eingereichten berichtigten Anmeldungen führten zu erheblich höheren Umsatzsteuerfestsetzungen, mit denen das Finanzamt sodann im Zuge der Insolvenz der GmbH ausfiel. Es nahm den Geschäftsführer mit einer geschätzten Ausfallquote von 70% des Gesamtausfalls in Haftung. Hiergegen wendete sich der Geschäftsführer mit seiner nur teilweise erfolgreichen Klage.

Entscheidung:
Grundlage der Geschäftsführerhaftung sind § 69 i.V.m. § 34 AO

Gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer, § 34 Abs. 1 AO i.V.m. § 35 GmbHG. Er muss für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH Sorge tragen und deshalb Steuererklärungen rechtzeitig und wahrheitsgemäß abgeben (§ 18 Abs. 1, 3 UStG). Aus der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt sich nach der Finanzrechtsprechung außerdem die Verpflichtung, die fälligen Steuern aus den verwalteten Mitteln zu bezahlen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen.

Grob fahrlässige Pflichtverletzung:
Nach Auffassung des FG hatte der Kläger diese Pflichten verletzt. In den Umsatzsteuervoranmeldungen wurde eine zu geringe Umsatzsteuerschuld ausgewiesen. Die in der Folge eingereichten berichtigten Anmeldungen führten zu einer erheblich höheren Steuerfestsetzung. Dies lasse den Schluss zu, dass die zunächst abgegebenen Voranmeldungen nicht sorgfältig und vollständig erstellt worden sind. Außerdem habe der Kläger damit die ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten zur rechtzeitigen Zahlung der von der GmbH geschuldeten Umsatzsteuerbeträge nicht erfüllt.

Dies sei auch zumindest in grob fahrlässiger Weise und damit schuldhaft geschehen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH indiziert die in der Nichtentrichtung von Steuern liegende Pflichtwidrigkeit den gegenüber dem Geschäftsführer zu erhebenden Schuldvorwurf.

Auch der Einwand, die Zahlungsschwierigkeiten seien maßgeblich durch Hinhaltetaktik eigener Schuldner verursacht worden, änderte am Schuldvorwurf nichts. Denn es bei Zahlungsschwierigkeiten zu den Pflichten einer GmbH, ihre Steuerschulden in gleicher Weise zu tilgen wie die übrigen Schulden der Gesellschaft. Ein Geschäftsführer, der hiergegen verstößt, handelt in der Regel, d.h., soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen, zumindest grob fahrlässig.

Haftungsbegrenzender Grundsatz der anteiligen Tilgung:
Zu prüfen ist allerdings stets, ob zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der geschuldeten Abgabenbeträge entstandenen Vermögensschadens ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Maßstab ist u.a. bei der Haftung für Umsatzsteuerschulden der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung.

Dieser besagt, dass der gesetzliche Vertreter nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, in dem er bei der Tilgung der Gesamtverbindlichkeiten das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat. Denn verlangt wird von einem GmbH-Geschäftsführer, dass er in Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu einer in etwa anteiligen Befriedigung des Finanzamts und der übrigen Gläubiger verwendet. Der Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt entfällt, wenn mangels ausreichender Zahlungsmittel auch bei fristgerechter Abgabe der Steueranmeldung die geschuldete Steuer nicht hätte an das Finanzamt abgeführt werden können.

Die Feststellungslast für eine nicht anteilige, sondern nachteilige Befriedigung des Finanzamts trägt dieses. Der Haftungsschuldner hat jedoch eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht besteht die Verpflichtung, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen hat das Finanzamt die Haftungsquote zu ermitteln oder – soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann – im Schätzungswege gem. § 162 AO die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt. Eine ungerechtfertigte Weigerung des Haftungsschuldners, in seinem Wissensbereich liegende Auskünfte zu erteilen, kann das Finanzamt bzw. das Finanzgericht zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen.

Vor diesem Hintergrund schätzte das Finanzgericht im Streitfall nach Auswertung diversen Zahlenmaterial eine für den Geschäftsführer etwas günstigere Quote. An der grundsätzlichen Haftung aber ändert das nichts.

Geschäftsführerhaftung: Der Geschäftsführer einer GmbH haftet auch bei fehlender Kenntnis und fehlender Fähigkeit zur Prüfung der Insolvenzreife

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.06.2012 – II ZR 243/11 –

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der Entscheidung zur Geschäftsführerhaftung lag folgender Fall zugrunde: Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen auf eigenen Antrag das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangte von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Zahlungen ersetzt, die nach Insolvenzreife zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet wurden.

Der BGH entschied zu Gunsten des Klägers. Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG in der bis 31. Oktober 2008 gültigen Fassung (jetzt: § 64 S. 1 GmbHG) ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet wurden. Diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des Gerichtes vor. Zum Zeitpunkt der Zahlungen bestand unter dem Gesichtspunkt der Überschuldung Insolvenzreife.

Die Haftung des Geschäftsführers setzt Verschulden vor. Dabei genügt einfache Fahrlässigkeit. Maßstab ist nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a.F. die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes.

Hierzu stellt der BGH im genannten Urteil fest:

Auf die individuellen Fähigkeiten kommt es nicht an. Ebenso entschuldigt ihn nicht eine mangelnde Sachkenntnis. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögens leistet, wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2012 – II ZR 171/10). Als Ausgangspunkt reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus, wobei die Erkennbarkeit als Teil des Verschuldens vermutet wird (vgl. BGH, Urt. v. 29.09.1999 – II ZR 273/98 = BGHZ 143, 184).

Der Geschäftsführer hat sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets zu vergewissern. Er handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen. Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen muss, die ihm zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.1995 – II ZR 9/94).