Nachtragsliquidator bei einer Kommanditgesellschaft ? Liquidator entspr. entspr. § 273 Abs. 4 AktG oder § 146 Abs. 2 HGB?

In Rechtsprechung und Literatur ist es umstritten, ob ein Nachtragsliquidator bei einer Personengesellschaft (OHG, KG usw.) als Liquidator entspr. § 273 Abs. 4 AktG oder § 146 Abs. 2 HGB zu bestellen ist.

Fallgstaltung:

Es findet ein Aufgebotsverfahren für die Gläubiger einer Hypothek statt. Dabei stellt sich heraus: Gläubigerin der Hypothek ist eine Kommanditgesellschaft, also eine Personengesellschaft. Die Gesellschaft ist jedoch nach § 31 Abs. 2 HGB von Amts im Handelsregister gelöscht worden. Weiteres kann der Registereintragung nicht entnommen werden.

Frage:

Es ist jedoch nunmehr ein Vermögensgegenstand aufgetaucht, die Hypothekenforderung. Die Gesellschaft ist nicht mehr als vermögenslos anzusehen.

Kommt in so einem Fall möglichicherweise die Bestellung eines Nachtragsliquidators in Betracht?

Antwort:

Dies ist die typische Ausgangssituation, in der für eine Kapitalgesellschaft eine Nachtragsliquidation beantragt werden kann. Das Problem ist vorliegend, dass die Kommanditgesellschaft keine Kapital- sondern eine Personengesellschaft nach §§ 161, 105 Ab.s 1 HGB, 705 BGB ist.

Existenz der Personengesellschaft bei Auftauchen von Vermögensgegenständen

Die Personengesellschaft ist, wenn ein Vermögensgegenstand auftaucht, – auch wenn sie bereits gelöscht wurde – nach allgemeinen Grundsätzen (Theorie des Doppeltatbestandes, Karsten Schmidt) zum Zweck der Geltendmachung ihrer Rechte aus der Hypothek als existent, partei- und prozessfähig anzusehen. Dieser Grundsatz gilt bei Personengesellschaften wie Kapitalgesellschaften gleichermaßen.

Exkurs: Personalität der Kapitalgesellschaft,

Bei der Kapitalgesellschaft ist jedoch die Personalität an die Registereintragung (bzw. an die Bekanntmachung der vertretungberechtigten Person im Handelsregister) gebunden. Registereintragung bzw. Veröffentlichung des Leitungsorgans (Geschäftsführer, Vorstand, Liquidator) und dessen Vertretungsmacht für die Gesellschaft haben bei der Kapitalgesellschaft konstitutive Wirkung.

Eine Kapitalgesellschaft ist aber – im Gegensatz zur Personengesellschaft –  nach der Löschung keine Person mehr. Daher bedarf es durch Bestellung eines Nachtragsliquidators der „Wiederbelebung“. Rechtsgrundlagen für die Kapitalgesellschaft sind die §§ 273 Abs. 4 S. 1 AktG, 66 Abs. 5 GmbHG.

Nachtragsliquidation bei der Personengesellschaft

Grundsätzlich ist die Nachtragsliquidation einer Kommanditgesellschaft nicht ausgeschlossen, vgl. BGH Urteil vom 2. Juni 2003 Az.: II ZR 102/02. Nach dem BGH „besteht für jedes Mitglied der Publikumskommanditgesellschaft die Möglichkeit, entsprechend § 273 Abs. 4 AktG die Bestellung eines Nachtragsliquidators zu beantragen„, BGH a.a.O.

Derartiege Rechtsgrundlagen gibt es jedoch für die KG und auch für die OHG nicht. Mit gutem Grund: Eine Personengegsellschaft ist nie eine juristische Person gewesen, und kann folglich diese Eigenschaft nicht durch Löschung verlieren. Eine Personengesellschaft besteht unabhängig von einer Registereintragung. Deswegen können bei OHG und KG die ursprünglich bestellten Liquidatoren auch nach der Löschung weiter für die Personengesellschaft handeln.

Neuerdings hält jedoch das OLG Saarbrücken die Nachtragsliquidation über eine Personengesellschaft wie OHG und KG für möglich, vgl. OLG Saarbrücken, 18.07.2018 – 5 W 43/18. Das OLG Saarbrücken hielt die Bestellung eines Nachtragsliquidators in den Fällen für möglich und auch notwendig, in denen die Nachtragsliquidation sehr lange Zeit nach der Löschung im Handelsregister erforderlich wird und es unklar ist, ob zu diesem Zeitpunkt die Gesellschafter überhaupt noch existieren und auffindbar sowie zur Fortsetzung der Liquidation bereit und in der Lage sind, und es gegebenenfalls notwendig wäre zur Suche der Erben der früheren Gesellschafter sogar einen Nachlasspfleger zu bestellen, der die Erben ermitteln solle, vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.

Wann genau die Grenze für das Kriterium des OLG Saarbrücken zu ziehen ist, steht noch nicht fest. Bei dem Fall, den das OLG Saarbrücken zu entscheiden hatte, ging es um ein ins Grundbuch im Jahre 1906 eingetragenes Recht. Die Gesellschaft ist 1910 gelöscht worden. In diesem Fall ist es offensichtlich, dass das Auffinden der zur Liquidation berufenen Personen nahezu unmöglich ist. Die Erfahrung zeigt aber, dass auch bei Gesellschaften, die in den 1960er Jahren gelöscht wurde, das Auffinden der Gesellschafter unmöglich sein kann. Deswegen wird wohl entscheidend sein, ob das Auffinden der entscheidungsbefugten Personen ein zumutbares Maß übersteigt.

Dem OLG Saarbrücken zu Folge erfolgt die Bestellung nach § 146 Abs. 2 HGB.

Personalität, Registerbekanntmachung und Außenwirksamkeit der Personengesellschaft

Außenwirkung:

Für Personenesellschaften, die eintragsungsfähig sind, (OHG, KG etc.) gilt grundsätzlich § Abs. 1 S. 1 123 HGB:

Die Wirksamkeit der offenen Handelsgesellschaft tritt im Verhältnisse zu Dritten mit dem Zeitpunkt ein, in welchem die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird.

Innenwirkung:

Unter den Gesellschaftern und allen eingeweihten besteht die OHG mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags.

Anwendbarkeit der Vorschriften zum Nachtragsliquidator aus dem Recht der Kapitalgesellschaften auf die Personenesellschaften (im Besipiel: KG)

Ausgehend von den gesetzlichen Grundlagen behandelt die Rechtsprechung Personengesellschaften – zumindest dann, wenn es sich um Handelsgesellschaften handelt -ähnlich einer körperschaftlich strukturierten Gesellschaft. Bereits gesetzlich haben die Handelsgesellschaften Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit verliehen bekommen. Deswegen sind aber o.g. Vorschriften zu den Kapitalgesellschaften nicht ohne weiteres auf die persönlich strukturierten Handelsgeselslchaften anwendbar.

Nachtragsliquidatoren bei einer Personengesellschaft können theoretisch nach §§ 66 Abs. 5 GmbHG, 264 Abs. 2 AktG oder nach § 273 Abs. 4 S. 1 AktG bestellt werden.

Schlussfolgerungen

Bei der Liquidation einer Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft gibt es entscheidende Unterschiede, die eine Analoge Anwendung der Vorschriften aus dem Recht der kapitalgesellschaften überflüssig machen. Personengesellschaften benötigen zu ihrer Existenz nur das Auftauchen eines Vermögensgegenstandes. In Bezug auf diesen Vermögensgegenstandes sind die (ehemaligen oder von den Gesellschaftern neu zu wählenden) Leitungsorgane sofort handlungsfähig. Dritten gegenüber genügt es, sie in Kenntnis von der Vertretungsmacht zu setzen und hernach können auch Rechtsgeschäfte in Bezug auf den Vermögensgegensant eingegangen werden. Eine Registereintragung ist hierfür nicht erforderlich.

In den seltensten Fällen wird es erforderlich sein, für eine Personengesellschaft einen Nachtragsliquidator zu finden. Sobald ein werthaltiger Vermögensgegenstand im Eigentum einer Personengesellschafft aufgefunden wird, wird es einen interessenten geben, der bereit ist, die Rolle des Liquidators zu übernehmen.

Zur inkongruenten Deckung bei Befriedi­gung des Gläubigers aus einer erfüllungshal­ber abgetretenen Forderung

Anwalt - Nachtragsliquidator

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner ist als Nachtragsliquidator und Liquidator tätig.

BGH 19.12.2013, IX ZR 127/11:

Tritt ein Schuldner eine Forderung an den Gläubiger ab und soll sich der Gläubiger nach dem Willen der Parteien aus der abgetretenen Forderung befriedigen, handelt es sich in der Regel um eine Leistung erfüllungshalber. Erlangt der Gläubiger aus einer erfüllungs­halber abgetretenen Forderung Befriedigung, handelt es sich um eine inkongruente De­ckung, wenn die Abtretung ihrerseits anfechtbar ist.

Der Sachverhalt:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 30.6. am 20.8.2008 eröffneten In­solvenzverfahren über das Vermögen der F-GbR (Schuldnerin). Die Schuldnerin betrieb auf vom Beklagten gepachteten Flächen u.a. eine Erdbeerplantage. In dem im November 1998 geschlossenen Pachtvertrag war eine zwanzigjährige Laufzeit vereinbart. Im März 2002 schlossen der Beklagte und die beiden Gesellschafter der Schuldnerin zusammen mit einem weiteren Beteiligten einen Vertrag, mit dem der Beklagte der Schuldnerin ein Darlehen über 230.000 € ausschließlich für betriebliche Zwecke gewährte.

Aufgrund erheblicher Zahlungsrückstände sowohl aus dem Pacht- als auch dem Darle­hensvertrag vereinbarten der Beklagte, die Schuldnerin, deren Gesellschafter und der weitere Beteiligte am 4.5.2007 einen Zahlungsplan, mittels dessen die Rückstände durch Zahlungen der Schuldnerin – zuvörderst auf die Darlehensschuld – abgetragen werden sollten. Die Schuldnerin kam ihren Zahlungspflichten im Jahr 2007 i.H.v. 88.000 € nicht nach. Der Beklagte kündigte am 29.1.2008 die geschlossenen Verträge und berief sich auf sein Pfandrecht aus dem Landpachtvertrag.

Am 10.3.2008 schlossen der Beklagte und die Schuldnerin einen Saisonpachtvertrag für den Zeitraum 11.3. bis 20.7.2008 über die Flächen der Erdbeerplantage. In diesem Ver­trag vereinbarten die Parteien in Nr. 3 unter der Überschrift „Abtretung Erlöse Erdbeerern­te“, dass die Erlöse aus der Erdbeerernte grundsätzlich der Schuldnerin zustehen sollten. Allerdings verpflichtete sich die Schuldnerin, die einen Anlieferungsvertrag mit der L. e.G. schließen wollte, die Abnehmerin der Erdbeeren anzuhalten, an elf Abrechnungstermi­nen jeweils 10.900 € einzubehalten und direkt an den Beklagten auszuzahlen. Die Zahlun­gen der Abnehmerin an den Beklagten sollten vorrangig auf die rückständige Darlehens­schuld angerechnet werden. Aus dem Verkauf der Erdbeeren erhielt der Beklagte am 18.6.2008 einen Betrag i.H.v. rd. 23.000 €. Der Kläger verlangt diesen Betrag unter dem Gesichtspunkt der Deckungsanfechtung zurück.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Beru­fungsurteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:

Die Zahlung der Abnehmerin der Erdbeeren an den Beklagten in Höhe von 23.368,90 € hat zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung geführt.

Es fehlt regelmäßig an einer Gläubigerbenachteiligung, wenn sich ein Gläubiger aufgrund eines insolvenzfesten Absonderungsrechts befriedigt oder der Schuldner das Absonde­rungsrecht durch Zahlung ablöst. Denn Rechtshandlungen, die ausschließlich schuldner­fremdes Vermögen betreffen, wirken sich nicht auf die Insolvenzmasse und damit die Be­friedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger aus. Als gesetzliches Pfandrecht be­gründet auch das Verpächterpfandrecht aus § 592 BGB ein Absonderungsrecht (§ 50 Abs. 1 InsO). Durch die Zahlung i.H.v. rd. 23.000 € war nicht ausschließlich schuldner­fremdes Vermögen betroffen. Weder hat sich der Beklagte aus einem Verpächterpfand­recht befriedigt noch hat die Schuldnerin ein solches durch Zahlung abgelöst. Im maß­geblichen Zeitpunkt war das Pfandrecht bereits erloschen.

Die Zahlung hat der Beklagte durch die Abnehmerin der Erdbeeren erlangt, und zwar aus dem durch den Saisonpachtvertrag vom 10.3.2008 abgetretenen Recht der Schuldnerin. Nach den in diesem Vertrag getroffenen Regelungen ist die Abtretung der Ansprüche aus dem Verkauf der Erdbeeren als Leistung erfüllungshalber zunächst auf die Darlehens­forderung und sodann die Pachtforderungen aus dem früheren Pachtvertrag anzusehen. Tritt ein Schuldner einen Anspruch an den Gläubiger ab, gilt die Auslegungsregel des § 364 Abs. 2 BGB zwar nicht unmittelbar. Im Allgemeinen ist aber eine Leistung erfüllungs­halber anzunehmen, weil der Gläubiger regelmäßig nicht bereit sein wird, das Bonitätsri­siko (§ 365 BGB) zu tragen. Dies gilt vorliegend besonders, denn die Abtretung bezog sich auf künftige Forderungen aus einem noch gar nicht geschlossenen Vertrag.

Im Falle einer Leistung erfüllungshalber erlischt das Schuldverhältnis erst, wenn der Gläu­biger sich aus dem Geleisteten befriedigt. Zuvor kann demnach auch ein Verpächter­pfandrecht, das die zu befriedigende Forderung sichert, nicht abgelöst werden. Als der Beklagte am 18.6.2008 Befriedigung erlangt hat, war das Verpächterpfandrecht an den veräußerten Erdbeeren bereits erloschen (§ 592 S. 4, § 562a S. 1 BGB). Die Erdbeeren waren geerntet und zum Zwecke der Veräußerung von den gepachteten Flächen entfernt worden. Weil das Verpächterpfandrecht bereits erloschen war, ist es unerheblich, ob die in Rede stehenden Forderungen aus dem früheren Pachtvertrag und dem Darlehensver­trag durch ein solches gesichert waren.

Der objektiven Gläubigerbenachteiligung steht auch nicht die mit dem Saisonpachtver­trag erfolgte Abtretung der Ansprüche aus der Veräußerung der Erdbeeren entgegen. Diese ist gem. § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar. Auf die erfüllungshalber erfolgte Abtretung der Ansprüche aus der Veräußerung der Erdbeeren hatte der Beklagte keinen Anspruch. Sie stellt daher eine inkongruente Deckung dar. Aus Sicht des Beklagten bestand ange­sichts der Zahlungsprobleme der Schuldnerin unstreitig auch Anlass zu Zweifeln an de­ren Liquidität. Auch die übrigen Voraussetzungen des von dem Kläger geltend gemach­ten Rückgewähranspruchs liegen vor (§ 143 Abs. 1 S. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Zah­lung der Abnehmerin der Erdbeeren an den Beklagten erfolgte am 18.6.2008 und damit im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie war inkon­gruent, weil nach den vorstehenden Ausführungen auch die Abtretung in dem Saison­pachtvertrag anfechtbar war und deshalb das Forderungsrecht des Beklagten nicht in­solvenzfest begründet wurde.

Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Nachtragsliquidator

Anwalt

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner ist bei der IHK Berlin als Nachtragsliquidator registriert

Der Schadensersatzanspruch einer Genossenschaft gegen ihren Nachtragsliquidator wegen Verletzung seiner Pflichten verjährt nach § 34 Abs. 6 GenG in fünf Jahren.

Der mögliche Schadensersatzanspruch der Genossenschaft (hier: der LPG) gegen den Nachtragsliquidator ergibt sich aus § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG. Diese Vorschrift regelt die Organhaftung des Vorstandes, der seine Pflichten gegenüber der Genossenschaft verletzt. Sie gilt gemäß § 89 Satz 1 GenG auch für den Liquidator einer Genossenschaft. Auf die Tätigkeit des Nachtragsliquidators, dessen Rechte und Pflichten im Genossenschaftsgesetz nicht gesondert geregelt sind, ist sie in gleicher Weise anzuwenden.

Die Durchführung der Nachtragsliquidation unterliegt den allgemeinen Vorschriften über die Liquidation einer Genossenschaft jedenfalls insoweit, als dies dem eingeschränkten Zweck einer Nachtragsliquidation nicht widerspricht1. Die Sorgfaltspflichten, die ein Liquidator gegenüber der Genossenschaft zu beachten hat, werden durch den eingeschränkten Zweck der Nachtragsliquidation nicht berührt. Daher gelten für die Liquidatoren im Verfahren der Nachtragsliquidation die gleichen Haftungsregeln wie bei jeder Liquidation2.

Ein Schadensersatzanspruch aus § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG verjährt, auch wenn er sich gegen den Liquidator der Genossenschaft richtet (§ 89 Satz 1 GenG), gemäß § 34 Abs. 6 GenG in fünf Jahren. Nichts anderes gilt für den Nachtragsliquidator, da sich aus seiner besonderen Aufgabenstellung keine Gründe ergeben, die es rechtfertigen, die den Nachtragsliquidator treffende Organhaftung aus § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG abweichend von § 34 Abs. 6 GenG der allgemeinen Verjährungsfrist zu unterstellen.

Soweit im hier entschiedenen Fall das Berufungsgericht3, das eine analoge Anwendung des § 34 Abs. 6 GenG erwogen und abgelehnt hat, darauf abgestellt hat, dass die Rechte und Pflichten des Nachtragsliquidators im Genossenschaftsgesetz nicht speziell geregelt seien, spricht dies nicht für einen Rückgriff auf die Regelverjährung, sondern für die Anwendung der Bestimmungen, die für die Liquidation im Allgemeinen gelten. Zu diesen Bestimmungen gehört § 34 Abs. 6 GenG in Verbindung mit § 89 Satz 1 GenG.

Auch der Hinweis auf Erwägungen der Bundesregierung, die das Gesetzgebungsverfahren bei der Neufassung der allgemeinen Verjährungsvorschriften begleitet haben4, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar wurde in der Begründung des Gesetzentwurfs die Beibehaltung der kenntnisunabhängigen fünfjährigen Verjährungsfrist in Fällen gesellschaftsrechtlicher Organhaftung auch damit gerechtfertigt, dass es insoweit um die Folgen unternehmerischer Entscheidungen gehe und Geschäftsführer und Vorstände für ihre Tätigkeit nach objektiven Kriterien Gewissheit benötigten, ab wann ihnen für ein bestimmtes Verhalten keine Inanspruchnahme mehr drohe. Diese Erwägungen haben den Gesetzgeber aber nicht dazu bewogen, die Liquidatoren einer Gesellschaft von der für die Organhaftung einschlägigen Verjährungsregelung auszunehmen (vgl. neben §§ 34, 89 Satz 1 GenG auch §§ 43, 71 Abs. 4 GmbHG und §§ 93, 268 Abs. 2 AktG). Die gegenüber dem Geschäftsleiter einer werbenden Gesellschaft unterschiedliche Aufgabenstellung des Nachtragsliquidators gibt daher keinen hinreichenden Anlass für eine Ausnahme von der für die Organhaftung geltenden Verjährungsregelung. Begründen ließe sich eine verjährungsrechtliche Sonderstellung des Nachtragsliquidators allenfalls, wenn (auch) zu der Tätigkeit eines Liquidators im Allgemeinen wesentliche und für die Ausgestaltung der Haftung bedeutsame Unterschiede bestünden. Derartige Unterschiede sind aber nicht gegeben.

Die Vorschrift des § 34 Abs. 6 GenG gilt auch für den Nachtragsliquidator einer LPG; ihre Anwendbarkeit beschränkt sich nicht auf einen Teilbereich seiner Abwicklungstätigkeit.

Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs einer LPG gegen ihren Nachtragsliquidator folgt den Regeln, die für Genossenschaften im Allgemeinen gelten. § 42 Abs. 1 Satz 1 LwAnpG verweist generell auf die Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes über die Abwicklung der eingetragenen Genossenschaften5. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine Beschränkung der Verweisung auf den (eng verstandenen) Bereich der Vermögensverteilung nicht angenommen werden. Eine solche Beschränkung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 LwAnpG hat zwar die Vermögensaufteilung unter Beachtung des § 44 LwAnpG zu erfolgen. Daraus folgt aber keine Einschränkung der Verweisung, die mit der einleitenden Formulierung „im übrigen gelten“ konkret bezeichnete Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes einbezieht, die die Abwicklung insgesamt und nicht nur die Vermögensaufteilung in einem engen Sinne betreffen.

Die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 34 Abs. 6 GenG beginnt mit der Entstehung des Anspruchs6. Sie gilt auch für einen neben dem Anspruch aus § 34 Abs. 2 Satz 1 GenG möglicherweise bestehenden Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung7.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Juli 2012 – II ZR 117/10

  1. vgl. Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 83 Rn. 13; Müller, GenG, § 93 Rn. 8b; Bauer, GenossenschaftsHandbuch [Loseblatt], § 93 GenG Rn. 36.
  2. vgl. zum Aktienrecht: Bachmann in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 273 Rn. 23; Drescher in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG § 273 Rn. 16.
  3. ThürOLG, Urteil vom 02.06.2010 – 8 U 830/09.
  4. vgl. die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zum Gesetz zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks.15/3653, S. 12.
  5. BGH, Beschluss vom 28.11.2008 – BLw 7/08, juris Rn. 25.
  6. BGH, Urteil vom 09.12.1965 – II ZR 177/63, WM 1966, 323, 324; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 34 Rn. 29.
  7. vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1989 – II ZR 334/87, ZIP 1989, 1390, 1392 zu § 43 Abs. 4 GmbHG.

Bundesgerichtshof entscheidet Fall, in der die Bank ihre Darlehensforderung sowohl mit einer Sicherheit am Gesellschaftsvermögen (z.B. Grundschuld am Grundstück) als auch mit einer Sicherheit am Vermögen eines Gesellschafters (z.B. Bürgschaft) gesichert hat. Verwertet der Insolvenzverwalter die Sicherheit der Bank und kehrt den Erlös an die Bank aus, ist der Gesellschafter zur Erstattung des an die Bank ausgekehrten Betrages zur Insolvenzmasse verpflichtet.

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring für Recht erkannt:

Zum Sachverhalt:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Februar 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH (fortan: Schuldnerin). Der Beklagte ist seit 1994/95 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Zur Sicherung von Krediten, welche die S. (fortan: S.) der Schuldnerin gewährte, bestellte er an in seinem Alleineigentum stehenden Grundstücken Grundschulden im Nennwert von insgesamt 977. 389 €. Die Kredite waren außerdem durch Sicherungseigentum an Fahrzeugen der Schuldnerin gesichert. Der Kläger verwertete die Fahrzeuge und zahlte an die S. einen Betrag von 42. 189, 53 € (Verwertungserlös abzüglich Verwertungspauschalen und Umsatzsteuer).

Der Kläger hat zunächst Zahlung der Stammeinlage von 25. 564, 59 € (50. 000 DM) verlangt. Der Beklagte hat einen Betrag von 1. 278, 23 € anerkannt, insoweit ist Anerkenntnisurteil ergangen. Der Kläger hat den Anspruch auf Zahlung der Einlage sodann nur noch in Höhe von weiteren 1. 278, 23 € weiterverfolgt und desweiteren wegen des an die S. ausgekehrten Verwertungserlöses Zahlung von 42. 189, 53 € verlangt, weil die vom Beklagten persönlich gestellte Sicherheit in dieser Höhe freigeworden sei. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung wegen der noch streitigen Einlageforderung in Höhe von 1. 278, 23 € aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung von (weiteren) 42. 189, 53 € weiter.

Begründung des Gerichts:

Der Bundesgerichtshof stellt fest, der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Erstattung des ausgekehrten Erlöses folge aus § 143 Abs. 3 S. 1 InsO analog. Im einzelnen führt er aus:

1. Das Gesetz regelt nicht, wie in der Insolvenz einer GmbH die Verwertung der von ihr gestellten Sicherheiten gegenüber einem Gesellschafter wirkt, der für das gesicherte Darlehen eigene Sicherheiten erbracht hat. Folgerichtig gibt es auch keine Vorschriften dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen die Masse von einem Gesellschafter Erstattung verlangen kann, dessen Sicherheit hierdurch freigeworden ist. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO hat das Berufungsgericht zutreffend verneint.

a) Nach § 135 Abs. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte. Der Gesellschafter hat dann die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten (§ 143 Abs. 3 Satz 1 InsO). Anfechtbar sind nach der allgemeinen Vorschrift des § 129 Abs. 1 InsO, die auch für den Anfechtungstatbestand des § 135 InsO gilt, jedoch nur solche Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. „Rechtshandlung“ im Sinne von § 135 Abs. 2 InsO ist die Befreiung des Gesellschafters, welcher die Sicherheit gestellt hatte (K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1969; Mitlehner, EWiR 2011, 195, 196; vgl. auch Altmeppen, ZIP 2011, 741, 747). Diese fand im vorliegenden Fall nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt. Sie erfolgte durch Auskehrung des für die sicherungsübereigneten Fahrzeuge erzielten Erlöses an die S.

b) Die Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO kann – entgegen der vom Kläger in den Vorinstanzen vertretenen Ansicht – nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie Rechtshandlungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasst. § 135 Abs. 2 InsO verweist zwar auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wo es heißt, dass die anzufechtende Rechtshandlung „im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag“ vorgenommen worden war. Für sich genommen, erfasst diese Formulierung auch Handlungen, die erst nach der Eröffnung stattgefunden haben. Handlungen „nach dem Eröffnungsantrag“ kommen in zahlreichen anfechtungsrechtlichen Vorschriften vor (vgl. etwa § 130 Abs. 1 Nr. 2, § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 132 Abs. 1 Nr. 2, § 133 Abs. 1 InsO). Gemeinsame Voraussetzung aller dieser Anfechtungstatbestände und damit auch des § 135 Abs. 2 InsO ist gemäß § 129 Abs. 1 InsO vorbehaltlich der in § 147 InsO geregelten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen eine Rechtshandlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Vorschrift des § 135 Abs. 3 InsO, die für die Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt, enthält keinen Anfechtungstatbestand.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Regelung des vorliegenden Problems abgesehen hat. …

4. Die aufgezeigte Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO zu füllen.

a) Eine Einschränkung des Wahlrechts des doppelt gesicherten Gläubigers entsprechend § 44a InsO kommt nach geltendem Recht nicht in Betracht.

aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 32a Abs. 2 GmbHG aF, der Vorgängervorschrift des § 44a InsO, unterlag es der freien Entscheidung des Drittgläubigers, die Gesellschafts- oder die Gesellschaftersicherheit in Anspruch zu nehmen (grundlegend BGH, Urteil vom 19. November 1984 – II ZR 84/84, ZIP 1985, 158; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Oktober 1985 – II ZR 280/84, ZIP 1986, 30, 31; vom 9. Dezember 1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 108; vgl. auch den Fall BGH, Urteil vom 20. Juli 2009 – II ZR 36/08, ZIP 2009, 1806 Rn. 15 f). Begründet wurde dieses Ergebnis wie folgt: Der Gesellschafter solle mit der (kapitalersetzenden) Sicherheit zur Haftung für die Gesellschaftsschulden herangezogen werden. Daraus folge aber nur, dass der sicherungsgebende Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 32a Abs. 2 GmbHG aF nicht von jeglicher Verpflichtung freiwerden könne, nachdem der Darlehensgeber von der Gesellschaft Befriedigung erlangt habe, sondern dass er in diesem Falle einem Erstattungsanspruch der Gesellschaft ausgesetzt sei. Außerdem stehe der Drittgläubiger außerhalb des Verhältnisses zwischen der Gesellschaft und dem sicherungsgebenden Gesellschafter. Wenn er vorrangig die Gesellschaftersicherung in Anspruch nehmen und das damit verbundene Kosten- und Ausfallrisiko tragen müsse, obwohl er aus der Gesellschaftssicherung Befriedigung erlangen könnte, stelle dies einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung dar, die nicht ohne eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers vorgenommen werden könne (BGH, Urteil vom 19. November 1984, aaO S. 159).

bb) Diese Gründe haben nach dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 und des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen am 1. November 2008 weiterhin Bestand.

(1) Die Insolvenzordnung hat die Rechte des absonderungsberechtigten Gläubigers eingeschränkt. Insbesondere kennt sie keine § 4 Abs. 2 KO entsprechende Bestimmung, nach welcher die abgesonderte Befriedigung unabhängig vom Konkursverfahren erfolgte. Die Verwertung beweglicher Gegenstände (Sachen und Forderungen), an denen ein Absonderungsrecht besteht, obliegt nunmehr überwiegend dem Insolvenzverwalter (vgl. § 166 Abs. 1 und 2 InsO), der auch die Verwertung eines mit Absonderungsrechten belasteten unbeweglichen Gegenstandes betreiben kann (§ 165 InsO). Auf der anderen Seite verlöre der Gläubiger durch die Anordnung eines Vorrangs der Gesellschaftersicherheit seine am Vermögen der Gesellschaft bestellte Sicherheit nicht. Fiele er mit der Gesellschaftersicherheit aus, könnte er jene nach wie vor in Anspruch nehmen. In der Literatur wird die Einschränkung des Wahlrechts eines doppelt gesicherten Gläubigers deshalb als rein abwicklungstechnischer Beitrag dazu gesehen, dass der kreditähnliche Finanzierungsbeitrag der Gesellschaft auch wirklich zum Tragen kommt (K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1968; Gundlach/Frenzel/Strandmann, DZWiR 2010, 232, 235). Der Senat kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Die Annahme eines Vorrangs der Gesellschaftersicherheit vor der Gesellschaftssicherheit würde eine weitere Verschlechterung der Rechtsstellung des Absonderungsberechtigten bedeuten, für welche eine gesetzliche Grundlage fehlt (Art. 14 Abs. 1 GG).

(2) Das MoMiG sieht einen Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen den freigewordenen Gesellschafter nicht vor, schließt ihn aber auch nicht aus. Bis zum Inkrafttreten des MoMiG wurde der Ausgleichsanspruch der Masse gegen den befreiten Gesellschafter gesellschaftsrechtlich, nicht anfechtungsrechtlich begründet (grundlegend BGH, Urteil vom 13. Juli 1981 – II ZR 256/79, BGHZ 81, 252, 259 ff zum Rechtszustand vor Einführung der Novellenregeln durch die GmbH-Reform 1980). Der novellenrechtliche Erstattungsanspruch aus §§ 32b, 32a Abs. 2, 3 GmbHG aF stellte sachlich zwar einen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzenden Anfechtungstatbestand dar (BGH, Urteil vom 26. Januar 2009 – II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 Rn. 16 mwN). Von § 32b GmbHG aF wurden – jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm – jedoch nur Rückzahlungen binnen Jahresfrist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasst. Der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft konnte daneben jedoch aus den Rechtsprechungsregeln analog §§ 30, 31 GmbHG hergeleitet werden, soweit der Gesellschafter durch die Tilgung der Schuld aus gebundenem Vermögen der Gesellschaft von seiner (vorrangigen) Sicherungspflicht befreit wurde (BGH, Urteil vom 26. Januar 2009, aaO Rn. 10). Ein Rückgriff auf die Rechtsprechungsregeln ist, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, durch den Nichtanwendungsbefehl des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ausgeschlossen. Über die Auslegung der Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung ist damit jedoch nichts gesagt. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften wird von dem Nichtanwendungsbefehl nicht erfasst.

b) Durchgreifende Argumente gegen eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschrift des § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO gibt es nicht.

aa) Der Fall, dass ein doppelt gesicherter Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt und die Gesellschaftersicherheit hierdurch frei wird, ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich, wie gezeigt, um eine unbeabsichtigte Regelungslücke. Bei wertender Betrachtung besteht kein Unterschied zwischen der Rückzahlung eines gesellschaftergesicherten Darlehens innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO und derjenigen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

bb) Gegen eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschriften wird im Wesentlichen eingewandt, der Verzicht auf die Anfechtungsvoraussetzungen des § 129 InsO – die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung sowie die Gläubigerbenachteiligung, deren Vorliegen ebenfalls in Zweifel gezogen wird – stelle einen Systembruch dar, der nur als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden solle (Bork, aaO S. 147; ähnlich Altmeppen, aaO S. 746: „dogmatisch ohne Kontur“). Diese Bedenken teilt der Senat nicht. Es geht hier nicht um die Auslegung einer anfechtungsrechtlichen Vorschrift, sondern um deren entsprechende Anwendung. Die entsprechende Anwendung einer Norm kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Norm erfüllt sind. § 143 Abs. 3 InsO stellt insofern einen Sonderfall im System des Insolvenzanfechtungsrechts dar, als der Anspruch sich nicht gegen den Empfänger der Leistung – der Darlehensrückzahlung – richtet, sondern gegen einen Dritten, nämlich den Gesellschafter, der hierdurch nur mittelbar – durch Freiwerden der von ihm gestellten Sicherheit – begünstigt worden ist. Die Anfechtung von Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist dem Gesetz nicht völlig fremd, wie insbesondere die Vorschrift des § 147 InsO zeigt (vgl. HK-InsO/Kreft, aaO § 147 Rn. 9).

Diese Vorschrift regelt die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen vor allem des Insolvenzschuldners, die aufgrund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, des Schiffsregisters und der Luftfahrzeugrolle wirksam sind. Sie zeigt, dass § 129 Abs. 1 InsO mit dem Bezug auf Rechtshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine für das Anfechtungsrecht schlechthin unentbehrliche Voraussetzung bezeichnet, die jede Durchbrechung ausschließt. Der hier zu entscheidende Fall der Verwertung einer von der Insolvenzschuldnerin gestellten Sicherheit steht § 147 InsO insofern nahe, als der Insolvenzverwalter ausgehend von der Annahme, dass der Gläubiger frei entscheiden kann, ob er zuerst die Gesellschafts- oder zuerst die Gesellschaftersicherheit verwertet (s. o. unter a) – den Zugriff des Gläubigers auf die Sicherheit der Masse nicht abwenden kann. Ausgangspunkt ist also jeweils eine masseschmälernde Verfügung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die vom Insolvenzverwalter trotz dessen umfassender Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) nicht verhindert werden kann. Dies rechtfertigt in beiden Fällen eine Abweichung von der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO, die davon ausgeht, dass der Verwalter von der Eröffnung an Gläubigerbenachteiligungen verhindert. Die Frage der Gläubigerbenachteiligung stellt sich in allen Fällen der doppelten Besicherung der Darlehensforderung, mag die Forderung vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Mitteln der Gesellschaft befriedigt worden sein. Der gesetzlich geregelte Fall (§ 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 InsO) lässt ausreichen, dass Mittel der Gesellschaft aufgewandt wurden und dass die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit hierdurch freigeworden ist. Nichts anderes gilt in dem hier zu entscheidenden Fall der Befriedigung des Gläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.