Bundesgerichtshof Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 52/12 – Pippi Langstrumpf

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Unternehmen dürfen mit literarischen Figuren werben, solange sie nur „ein paar“ äußere Merkmale der Figur übernehmen: Der Bundesgerichtshof hat jetzt dem Discounter Penny recht gegeben, der mit einer Figur Werbung gemacht hatte, die an Pippi Langstrumpf angelehnt war.

Die Fotos zeigten ein Mädchen und eine junge Frau im Pippi-Look. Der Discounter Penny-Markt hatte 2010 ohne Einwilligung der schwedischen Rechteinhaber mit den Bildern für Karnevalskostüme geworben. Penny verkaufte bundesweit insgesamt rund 15.000 dieser Kostüme. Das Kinderkostüm kostete 5,99 Euro und das für Erwachsene 9,99 Euro.

Gegen die Werbung ist die Erbengemeinschaft der 2002 verstorbenen Pippi-Langstrumpf-Schöpferin Astrid Lindgren (Saltkråkan AB) vorgegangen. Sie sah in den Fotos eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf. Die Saltkråkan AB verlangte vom Discounter Schadensersatz in Höhe von 50.000 Euro.

Doch der Bundesgerichtshof wies die Klage der Schweden, die in beiden Vorinstanzen noch erfolgreich war, ab, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt war.

In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs heißt es:

„Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die von Astrid Lindgren in ihren Kinderbüchern geschaffene Figur der „Pippi Langstrumpf“ als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG Urheberrechtsschutz genießt. Voraussetzung für den Schutz eines fiktiven Charakters ist es, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dies ist bei der Figur der „Pippi Langstrumpf“ der Fall. Schon die äußeren Merkmale fallen aus dem Rahmen (karottenfarbene Haare, die zu zwei abstehenden Zöpfen geflochten sind, eine Nase voller Sommersprossen, die die Form einer kleinen Kartoffel hat, breiter lachender Mund, gelbes Kleid, darunter eine blaue Hose, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf, viel zu große Schuhe). Dazu treten ganz besondere Persönlichkeitsmerkmale: Trotz schwieriger familiärer Verhältnisse ist Pippi Langstrumpf stets fröhlich; sie zeichnet sich durch eine ausgeprägte Furcht- und Respektlosigkeit, gepaart mit Fantasie und Wortwitz, aus und verfügt über übermenschliche Kräfte.

Allerdings fehlt es im Streitfall an einer Verletzung des Urheberrechts. Zwar erkennt der Betrachter, dass es sich bei den Figuren in der Werbung der Beklagten um Pippi Langstrumpf handeln soll. Das ändert aber nichts daran, dass diese in der Werbung verwendeten Figuren nur wenige Merkmale übernehmen, die für den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf maßgeblich sind. Der Schutz einer literarischen Figur als Sprachwerk kommt in Betracht, wenn diese Figur durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben wird. Das Urheberrecht an einer solchen Figur wird nicht schon dadurch verletzt, dass lediglich wenige äußere Merkmale übernommen werden, die für sich genommen den Urheberrechtsschutz nicht begründen könnten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte für die Figuren in den angegriffenen Abbildungen lediglich die Haare in Farbe und Form, die Sommersprossen und – ganz allgemein – den Kleidungstil der Pippi Langstrumpf übernommen. Diese Elemente mögen zwar ausreichen, um Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu wecken und um zu erkennen, dass es sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln soll. Sie genügen aber nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur der Pippi Langstrumpf zu begründen und nehmen daher auch nicht isoliert am Schutz der literarischen Figur teil.“

Das Urheberrecht ist damit um eine neue Bewertungsfrage reicher: Diese lautet, wann übernimmt die Nachahmung einer literarischen Figur (oder eines sonstigen Urheberrechtsschutz geniessenden Wekres) so viele Elemente des Originals, dass diese Elemente den Urheberrechtsschutz begründen können? Reichen zwei von fünf Merkmalen? Oder müssen es vier von fünf Merkmalen sein? Wie sieht es bei neun Merkmalen aus? Reicht die Übernahme von vier, fünf oder sechs Merkmalen?

Bleiben wir erst mal gespannt, was der BGH selbst dazu sagt, wenn das Urteil veröffentlicht werden wird.