BGH-Entscheidung zur Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers

Anwalt

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

In einem aktuellen Urteil hatte der BGH erstmals Gelegenheit, mehrere zum Teil umstrittene Auslegungsfragen des 2008 im Rahmen des MoMiG neu geschaffenen Haftungstatbestands des § 64 S. 3 GmbHG zu entscheiden (Urteil vom 09.10.2012 – II ZR 298/11). Das Urteil schafft Klarheit hinsichtlich der für die Praxis bedeutsamen Frage, inwieweit fällige Forderungen des Gesellschafters bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen sind.

I. Die neue Insolvenzverursachungshaftung
Mit § 64 S. 3 GmbHG hat der Gesetzgeber durch das MoMiG eine neue Haftung des Geschäftsführers für den Fall eingeführt, dass Zahlungen aus dem Vermögen der GmbH an den Gesellschafter zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten (so genannte Insolvenzverursachungshaftung). Die Vorschrift dient dem Gläubigerschutz und flankiert § 30 GmbH. Im Vergleich zum seit jeher bestehenden Zahlungsverbot nach § 64 S. 1 GmbHG bestehen Besonderheiten: Einerseits setzt die Haftung zeitlich bereits vor Eintritt der materiellen Insolvenz ein. Andererseits die bschränkt sich die Haftung auf die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit. Die Verursachung einer Überschuldung ist für die Haftung nach S. 3 ohne Bedeutung.

Der Tatbestand der Insolvenzverursachungshaftung verlangt eine dem Geschäftsführer zurechenbare Zahlung (im Grundsatz identisch mit dem für das Zahlungsverbot nach S. 1 geltenden Zahlungsbegriff bzw. dort entwickelten Zurechnungsregeln) an den Gesellschafter, die die Zahlungsunfähigkeit der GmbH verursacht (Kausalität). Die bilanzielle Auswirkung der Zahlung ist insoweit ohne Bedeutung. Zudem verlangt die Haftung schuldhaftes, also mindestens fahrlässiges Verhalten. Rechtsfolge ist die Pflicht zur Erstattung der geleisteten Zahlungen.

II. Sachverhalt
Der Kläger und seine inzwischen von ihm geschiedene Ehefrau gewährten der beklagten GmbH im August 1995 ein bis spätestens Ende 2005 zurückzuzahlendes Darlehen in Höhe von ca. 179.000 Euro. Die geschiedene Ehefrau ist alleinige Gesellschafterin und alleinige Geschäftsführerin der Beklagten. Der Kläger verlangt Hinterlegung des Darlehensbetrages nebst Zinsen zu seinen und zugunsten seiner geschiedenen Frau. Die beklagte GmbH verweigert die Rückzahlung des Darlehens insbesondere mit der Begründung, die Auszahlung würde zu ihrer Zahlungsunfähigkeit führen, sodass sie sie gemäß § 64 S. 3 GmbHG verweigern könne.

Das LG gab der Klage statt. Das OLG Koblenz wies sie ab. Es war der Auffassung, dass die Hinterlegung im vorliegenden Fall gegen § 64 S. 3 GmbH verstoßen würde, da sie die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen würde und die GmbH nicht mehr in der Lage wäre, ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen.

III. Entscheidung des BGH
Der BGH hob das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers hin auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht, weil er den Anwendungsbereich der Insolvenzverursachungshaftung bisher nicht als eröffnet ansah. Nur bei noch nicht eingetretener Zahlungsunfähigkeit komme § 64 S. 3 GmbHG überhaupt in Betracht. Das Berufungsgericht müsse noch feststellen, ob es erst durch die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft käme.

1. Keine Haftung für die bloße Vertiefung der Insolvenz
§ 64 S. 3 GmbHG zielt auf Zahlungen an den Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft „führen mussten“. Die hier verlangte Kausalität stellt eines der schwierigsten Tatbestandsmerkmale der neuen Geschäftsführerhaftung dar. Anerkannt ist insoweit, dass eine Haftung erst bzw. nur dann eingreift, wenn es tatsächlich zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gekommen ist und deshalb ausscheidet, wenn nach zunächst herbeigeführter Zahlungsunfähigkeit selbige wieder beseitigt wird, ohne dass es zur Insolvenzeröffnung oder Abweisung mangels Masse gekommen ist. Überwiegend wird verlangt, dass eine adäquate Kausalkette vorliegt, die ohne das Hinzutreten weiterer Kausalbeiträge zeitnah und zwangsläufig zur Zahlungsunfähigkeit führt. Zu diesem Punkt liefert die aktuelle Entscheidung nur wenig Neues.

Allerdings äußert sich der BGH zu der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt eine Haftung nach § 64 S. 3 GmbH überhaupt ausgelöst werden kann. Die Entscheidung stellt klar, dass nur die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit, nicht aber auch eine Vertiefung einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zur Haftung wegen Insolvenzverursachungshaftung führen kann. Ist die GmbH bereits zahlungsunfähig, kommt allein eine Haftung wegen Verstoßes gegen das Zahlungsverbot nach § 64 S. 1 GmbH in Betracht. Wegen der Beschränkung auf den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit in S. 3 kann es allerdings zu einer Überschneidung mit S. 1 (Anspruchskonkurrenz) in den Fällen kommen, in den bereits Überschuldung eingetreten ist und die Zahlung danach auch zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt.

2. Forderungen des Gesellschafters sind bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen
Eine weitere Streitfrage, hinsichtlich derer sich der BGH nun klar positioniert hat, betrifft die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit im Rahmen des § 64 S. 3 GmbHG und die sich insoweit stellende Frage, ob fällige und durchsetzbare Forderungen des Gesellschafters hierbei zu berücksichtigen sind.

a) Liquiditätsprognose und Begriff der Zahlungsunfähigkeit
Zur (kontinuierlichen) Aufstellung der Liquiditätsbilanz bzw. Erstellung einer Liquiditätsprognose ist der Geschäftsführer wegen der Insolvenzverursachungshaftung de facto (und im Übrigen bereits aufgrund seiner allgemeinen Organpflichten) verpflichtet, da er nur so eine Feststellung über die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft treffen und, bei positiver Prognose, seine Haftung für eine Zahlung an den Gesellschafter vermeiden kann. Was die Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 64 S. 3 GmbHG betrifft, sieht der BGH keine Besonderheiten im Vergleich zu § 17 II 1 InsO, insbesondere keine Anhaltspunkte für eine Herausrechnung von Forderungen des Gesellschafters. Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet dies, dass Zahlungsunfähigkeit (und nicht mehr eine nur rechtlich unerhebliche Zahlungsstockung) regelmäßig dann vorliegt, wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke von 10% oder mehr besteht, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

b) Volle Berücksichtigung von Gesellschafterforderungen
Von diesem einheitlichen Begriff der Zahlungsunfähigkeit ausgehend lehnt es der BGH konsequenterweise ab, fällige Gesellschafterforderungen im Rahmen der Zahlungsunfähigkeit für Zwecke des § 64 S. 3 GmbHG auszublenden. Dies wird zwar unter Verweis auf den sonst nicht bzw. nur sehr eingeschränkt bestehenden Anwendungsbereich von einer Reihe von Vertretern befürwortet. Der BGH weist darauf hin, dass dies genau der gesetzgeberischen Absicht entspricht und Schutzlücken nicht entstehen, weil der Geschäftsführer bei – unter Berücksichtigung der Gesellschafterforderung ermittelter – eingetretener Zahlungsunfähigkeit bereits nach S. 1 einem Zahlungsverbot unterliegt und für nach diesem Zeitpunkt geleistete Zahlungen haftet. Besteht unter Berücksichtigung fälliger Forderungen des Gesellschafters bereits eine Liquiditätslücke von 10% oder mehr, bedeutet dies, dass eine Zahlung wegen bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit keine Haftung nach § 64 S. 3 GmbHG zur Folge haben kann. Anders wäre es nur, wenn eine bestehende Liquiditätslücke von unter 10% den Schwellenwert erst durch die Zahlung an den Gesellschafter erreicht bzw. überschreitet oder es mangels ernsthaften Einforderns oder sonst bereits an einer fälligen Forderung mangelt.

3. Leistungsverweigerungsrecht
Auch zur umstrittenen Frage des Bestehens eines Leistungsverweigerungsrechts nimmt der BGH eindeutig Stellung: Ergibt die Prüfung der Liquidität der Gesellschaft (Solvenzprognose), dass die Zahlung an den Gesellschafter die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Folge hätte, hat die Gesellschaft bzw. der Geschäftsführer nicht nur die Pflicht, die Zahlung zu unterlassen, sondern zugleich das Recht, ihre Vornahme zu verweigern. Entsprechende Weisungen der Gesellschafter sind nichtig und müssen bzw. dürfen nicht befolgt werden.

IV. Fazit
Die Entscheidung schafft für den praktisch relevanten Bereich der Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen sowie dem Recht des Geschäftsführers zur Verweigerung solcher und ähnlicher Zahlungen an den Gesellschafter eine willkommene Klarheit. Sorgen um eine ausufernde Haftung des Geschäftsführers durch den neuen Tatbestand werden gedämpft. Der BGH weist zu Recht darauf hin, dass der MoMiG-Gesetzgeber ausdrücklich keinen umfassenden neuen Haftungstatbestand im Vorfeld der Insolvenz, sondern eine punktuelle Ergänzung der Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters beabsichtigte. Es sollte gerade für die von den Kapitalschutzregeln bzw. der allgemeinen Geschäftsführerhaftung gemäß § 43 II GmbHG nicht erfassten Fälle einer „Ausplünderung“ der Gesellschaft effektiver Gläubigerschutz sichergestellt werden.

Die umfassende Kenntnis der aktuellen Liquiditätslage der Gesellschaft ist für den Geschäftsführer von enormer Bedeutung. Nur, wenn er sich jederzeit Kenntnis hierüber verschaffen kann, kann er der Pflicht nachkommen, vor einer Zahlung an den Gesellschafter eine Solvenzprognose – d.h. die Analyse der aktuellen und zukünftigen (im relevanten Prognosezeitraum vorhandenen) Liquidität – vornehmen und damit, wenn die Prognose auch unter Berücksichtigung der Zahlung an den Gesellschafter die fortbestehende Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ergibt, seine Haftung ausschließen.

Aber auch unabhängig von Fällen der Zahlung an den Gesellschafter muss der Geschäftsführer im Hinblick auf seine Insolvenzantragspflicht die Vermögenssituation permanent beobachten und dies, wie der BGH jüngst klargestellt hat, notfalls unter kurzfristiger Hinzuziehung externer Berater sicherstellen.

Die Entscheidung stärkt den Geschäftsführer in der Auseinandersetzung mit dem bzw. den Gesellschaftern den Rücken, da sie klarstellt, dass der Geschäftsführer Vermögenstransfers an die Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen, nicht umsetzen muss. Genauso wenig kann er sich aber zur Haftungsvermeidung auf eine entsprechende Weisung bzw. einen Beschluss der Gesellschafter stützen.

Finanzgericht Köln: Geschäftsführerhaftung für Umsatzsteuerschulden einer GmbH in der Insolvenz

Wenn das das Finanzamt im Insolvenzfall einer GmbH mit Steuerforderungen ausfällt, nimmt es regelmäßig den Geschäftsführer in die Haftung. Unter welchen Voraussetzungen das möglich ist, wie schnell die Finanzgerichte den Verschuldensmaßstab der groben Fahrlässigkeit anlegen und inwieweit der „Grundsatz der anteiligen Tilgung“ anzuwenden ist, zeigt eine Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 17.06.2009 (FG Köln, 11 K 3017/05).

Sachverhalt:
Ein GmbH-Geschäftsführer hatte in den Umsatzsteuervoranmeldungen eine zu geringe Umsatzsteuerschuld ausgewiesen. Die später eingereichten berichtigten Anmeldungen führten zu erheblich höheren Umsatzsteuerfestsetzungen, mit denen das Finanzamt sodann im Zuge der Insolvenz der GmbH ausfiel. Es nahm den Geschäftsführer mit einer geschätzten Ausfallquote von 70% des Gesamtausfalls in Haftung. Hiergegen wendete sich der Geschäftsführer mit seiner nur teilweise erfolgreichen Klage.

Entscheidung:
Grundlage der Geschäftsführerhaftung sind § 69 i.V.m. § 34 AO

Gemäß § 69 i.V.m. § 34 AO haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer, § 34 Abs. 1 AO i.V.m. § 35 GmbHG. Er muss für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH Sorge tragen und deshalb Steuererklärungen rechtzeitig und wahrheitsgemäß abgeben (§ 18 Abs. 1, 3 UStG). Aus der Vorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 2 AO ergibt sich nach der Finanzrechtsprechung außerdem die Verpflichtung, die fälligen Steuern aus den verwalteten Mitteln zu bezahlen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen.

Grob fahrlässige Pflichtverletzung:
Nach Auffassung des FG hatte der Kläger diese Pflichten verletzt. In den Umsatzsteuervoranmeldungen wurde eine zu geringe Umsatzsteuerschuld ausgewiesen. Die in der Folge eingereichten berichtigten Anmeldungen führten zu einer erheblich höheren Steuerfestsetzung. Dies lasse den Schluss zu, dass die zunächst abgegebenen Voranmeldungen nicht sorgfältig und vollständig erstellt worden sind. Außerdem habe der Kläger damit die ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflichten zur rechtzeitigen Zahlung der von der GmbH geschuldeten Umsatzsteuerbeträge nicht erfüllt.

Dies sei auch zumindest in grob fahrlässiger Weise und damit schuldhaft geschehen. Denn nach der Rechtsprechung des BFH indiziert die in der Nichtentrichtung von Steuern liegende Pflichtwidrigkeit den gegenüber dem Geschäftsführer zu erhebenden Schuldvorwurf.

Auch der Einwand, die Zahlungsschwierigkeiten seien maßgeblich durch Hinhaltetaktik eigener Schuldner verursacht worden, änderte am Schuldvorwurf nichts. Denn es bei Zahlungsschwierigkeiten zu den Pflichten einer GmbH, ihre Steuerschulden in gleicher Weise zu tilgen wie die übrigen Schulden der Gesellschaft. Ein Geschäftsführer, der hiergegen verstößt, handelt in der Regel, d.h., soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen, zumindest grob fahrlässig.

Haftungsbegrenzender Grundsatz der anteiligen Tilgung:
Zu prüfen ist allerdings stets, ob zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung und dem Eintritt des durch die Nichtentrichtung der geschuldeten Abgabenbeträge entstandenen Vermögensschadens ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Maßstab ist u.a. bei der Haftung für Umsatzsteuerschulden der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung.

Dieser besagt, dass der gesetzliche Vertreter nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden kann, in dem er bei der Tilgung der Gesamtverbindlichkeiten das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat. Denn verlangt wird von einem GmbH-Geschäftsführer, dass er in Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zu einer in etwa anteiligen Befriedigung des Finanzamts und der übrigen Gläubiger verwendet. Der Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schadenseintritt entfällt, wenn mangels ausreichender Zahlungsmittel auch bei fristgerechter Abgabe der Steueranmeldung die geschuldete Steuer nicht hätte an das Finanzamt abgeführt werden können.

Die Feststellungslast für eine nicht anteilige, sondern nachteilige Befriedigung des Finanzamts trägt dieses. Der Haftungsschuldner hat jedoch eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Im Rahmen dieser Mitwirkungspflicht besteht die Verpflichtung, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum zu erteilen. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen hat das Finanzamt die Haftungsquote zu ermitteln oder – soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann – im Schätzungswege gem. § 162 AO die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt. Eine ungerechtfertigte Weigerung des Haftungsschuldners, in seinem Wissensbereich liegende Auskünfte zu erteilen, kann das Finanzamt bzw. das Finanzgericht zu einer unter Umständen für den Geschäftsführer nachteiligen Schätzung der Haftungssumme berechtigen.

Vor diesem Hintergrund schätzte das Finanzgericht im Streitfall nach Auswertung diversen Zahlenmaterial eine für den Geschäftsführer etwas günstigere Quote. An der grundsätzlichen Haftung aber ändert das nichts.

Geschäftsführerhaftung: Der Geschäftsführer einer GmbH haftet auch bei fehlender Kenntnis und fehlender Fähigkeit zur Prüfung der Insolvenzreife

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.06.2012 – II ZR 243/11 –

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der Entscheidung zur Geschäftsführerhaftung lag folgender Fall zugrunde: Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen auf eigenen Antrag das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangte von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Zahlungen ersetzt, die nach Insolvenzreife zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet wurden.

Der BGH entschied zu Gunsten des Klägers. Nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG in der bis 31. Oktober 2008 gültigen Fassung (jetzt: § 64 S. 1 GmbHG) ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet wurden. Diese Voraussetzungen lagen nach Auffassung des Gerichtes vor. Zum Zeitpunkt der Zahlungen bestand unter dem Gesichtspunkt der Überschuldung Insolvenzreife.

Die Haftung des Geschäftsführers setzt Verschulden vor. Dabei genügt einfache Fahrlässigkeit. Maßstab ist nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG a.F. die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes.

Hierzu stellt der BGH im genannten Urteil fest:

Auf die individuellen Fähigkeiten kommt es nicht an. Ebenso entschuldigt ihn nicht eine mangelnde Sachkenntnis. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögens leistet, wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2012 – II ZR 171/10). Als Ausgangspunkt reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus, wobei die Erkennbarkeit als Teil des Verschuldens vermutet wird (vgl. BGH, Urt. v. 29.09.1999 – II ZR 273/98 = BGHZ 143, 184).

Der Geschäftsführer hat sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets zu vergewissern. Er handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen. Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer für eine Organisation sorgen muss, die ihm zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.1995 – II ZR 9/94).

Haftung des Geschäftsführers für Umsatzsteuer

Der Geschäftsführer einer GmbH haftet für die Umsatzsteuerschulden, die vor Stellung des Antrags auf Insolvenz entstanden sind, auch persönlich. Nach § 69 S.1 AO gilt: „Die in den §§ 34 und 35 bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.“

Die Haftung beschränkt sich bei der Umsatzsteuer auf eine Quote. Für die Berechnung der Tilgungsquote werden die im gesamten Haftungszeitraum bestehenden Gesamtverbindlichkeiten den auf diese Verbindlichkeiten geleistete Zahlungen gegenübergestellt, ohne dass es auf die einzelnen Fälligkeits- und Zahlungszeiträume ankommt. Hieraus ergibt sich eine Tilgungsquote für den Gesamtzeitraum. Mit dieser Tilgungsquote haftet der Geschäftsführer persönlich für die Umsatzsteuer.

Der Geschäftsführer ist verpflichtet, bezogen auf den Haftungszeitraum, eine Tilgungsquote zu ermitteln. Diese Verpflichtung erstreckt sich nicht auf jede einzelne Zahlung. Vielmehr muss die Quote einmal errechnet werden und kann dann bei jeder Zahlung zugrunde gelegt werden. Lediglich wenn eine Änderung des Sachverhaltes, insbesondere der zur Verfügung stehenden Mittel, eintritt, ist die Quote neu zu ermitteln.

Der Geschäftsführer einer GmbH muss somit im Falle eines Liquiditätsengpasses sorgfältig überprüfen, wie viele liquide Mittel vorhanden sind und wie viele Verbindlichkeiten hiervon bedient werden müssen. Reichen die liquiden Mittel nicht aus, muss eine Quote gebildet werden und das Finanzamt, bezogen auf die Umsatzsteuer, in Höhe dieser Quote bedient werden.

Anderenfalls haftet der Geschäftsführer in Höhe dieser zu errechnenden Quote auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt persönlich.

In der Rechtsprechung liest sich dieser Grundsatz so (Urteil des BFH vom 27.02.2007 zum Az.: VII R 60/05):

„Nach ständiger Rechtsprechung des BFH beschränkt sich die Haftung nach § 69 Satz 1 AO dem Umfang nach auf den Betrag, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet worden ist. Die Höhe der Haftung ergibt sich daher unabhängig vom Grad des Verschuldens grundsätzlich allein aus der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den bei dem Fiskus eingetretenen Vermögensschaden. Danach ist die Haftung nach § 69 AO dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt ausreichende Mittel nicht zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das FA gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. Senatsurteil vom 1. August 2000 VII R 110/99, BFHE 192, 249, BStBl II 2001, 271, m.w.N.). Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (= Haftungssumme). Hierzu hat das FA unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder –soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann– im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO).“

Geschäftsführerhaftung verschärft

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der Bundesgerichtshof verschärfte einmal mehr die Anforderungen an den Geschäftsführer einer GmbH mit der Folge, dass das Haftungsrisiko erhöht wurde.

Im Leitsatz der Entscheidung BGH, Urteil vom 19. 6. 2012 – II ZR 243/11 heisst es lapidar: „Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.“ Das ist nichts neues, sondern lediglich eine Bestätigung der Rechtsprechung aus BGH, Urteil vom 20. Februar 1995 – II ZR 9/94. Die Haftungsverschärfung findet sich jedoch im Detail:

Im zugrunde liegenden Fall war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Über deren Vermögen wurde auf Eigenantrag am 16. November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangte von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Zahlungen ersetzt, die zwischen Januar und Oktober 2004 zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet wurden. Der Kläger behauptete, bereits seit Ende 2003 sei die GmbH zahlungsunfähig und überschuldet gewesen.

Das Kammergericht Berlin urteilte noch zu Gunsten des Geschäftsführers. In der Begründung führte es aus:

Es könne nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin zum 31. Dezember 2003 zahlungsunfähig gewesen sei. … Ob die Schuldnerin zum 31. Dezember 2003 überschuldet gewesen sei, könne offen bleiben, da der Beklagte zu diesem Zeitpunkt – unabhängig von seinen kaufmännischen Kenntnissen – eine etwaige Überschuldung nicht habe erkennen können. Anzeichen einer Krise hätten zum Jahreswechsel 2003/2004 nicht vorgelegen. Aus betriebswirtschaftlichen Auswertungen habe eine Überschuldung nicht entnommen werden können, da dort grundsätzlich keine Rückstellungen für künftige Verbindlichkeiten ausgewiesen würden. Frühestens Anfang Mai 2004, nach dem Zugang des Bescheids der Berufsgenossenschaft, habe für den Beklagten Anlass bestanden, die Vermögenslage der Schuldnerin näher zu überprüfen. Dass die Schuldnerin zu diesem späteren Zeitpunkt (noch) überschuldet gewesen sei, habe der Kläger aber nicht dargetan.

Dies liess der BGH nicht genügen. Er merkte dazu an:

„Mit rechtsfehlerhafter Begründung ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die an den Entlastungsbeweis des Geschäftsführers zu stellenden Anforderungen seien im Streitfall erfüllt. Ob der Geschäftsführer seiner Pflicht zur laufenden Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und näheren Überprüfung im Falle krisenhafter Anzeichen hinreichend nachgekommen ist, kann nur unter umfassender Berücksichtigung der für die Gesellschaft wirtschaftlich relevanten Umstände beurteilt werden, die dem Geschäftsführer bekannt waren oder bekannt sein mussten. Dem Geschäftsführer, der die Vermutung schuldhaften Verhaltens zu widerlegen hat, obliegt es, die Gründe vorzutragen und zu erläutern, die ihn gehindert haben, eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife der Gesellschaft zu erkennen. Bei der Bewertung dieses Vorbringens ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für eine Organisation sorgen muss, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (BGH, Urteil vom 20. Februar 1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 43 Rn. 23; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 35 Rn. 33). Gemessen hieran sind die Erwägungen unzureichend, mit denen das Berufungsgericht angenommen hat, die – mögliche – Überschuldung der Schuldnerin Ende 2003 sei für den Beklagten nicht erkennbar gewesen. … Die Würdigung des Berufungsgerichts erfasst nicht alle für die Erkennbarkeit einer Überschuldung im Streitfall wesentlichen Gesichtspunkte. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Bilanz zum 31. Dezember 2002 sei ausgeglichen gewesen und die Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2002 habe einen Gewinn von knapp 160. 000 € ausgewiesen. Liquidität sei ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 2003 in einer Höhe von circa 300. 000 € und damit ausreichend vorhanden gewesen. Die Schuldnerin habe ihre laufenden Zahlungen nicht einstellen oder beschränken müssen. Sie habe unstreitig fortlaufend weitere Einnahmen erzielt, die ihr in dieser Zeit eine Erfüllung der im laufenden Geschäftsbetrieb entstehenden Verbindlichkeiten innerhalb der gesetzten Zahlungsziele ermöglicht hätten. Diese Feststellungen betreffen einerseits die bilanzielle Situation der Schuldnerin ein Jahr vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt und andererseits die Frage der Zahlungsfähigkeit. Sie schließen eine mögliche Überschuldung zum 31. Dezember 2003 und deren Erkennbarkeit für den Beklagten nicht aus. Offen bleibt insbesondere, ob (nicht sofort fällige) Verbindlichkeiten in beträchtlicher Größenordnung aufgelaufen waren und der Beklagte dies hätte bemerken müssen. Weiter zieht das Berufungsgericht zwar in Betracht, dass die – mögliche – Überschuldung für den Beklagten mit Zugang des Bescheids der Berufsgenossenschaft vom 30. April 2004 erkennbar geworden sei, befasst sich aber nicht mit der naheliegenden Frage, ob der Beklagte mit dem Bestehen und der ungefähren Höhe der aus den Jahren 2002 und 2003 herrührenden Beitragsforderungen nicht schon zum Jahreswechsel 2003/2004 rechnen musste. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Erkennbarkeit der (möglichen) Überschuldung aufgrund der betriebswirtschaftlichen Auswertungen nicht deshalb von vornherein auszuschließen, weil dort grundsätzlich keine Rückstellungen für künftige Verbindlichkeiten ausgewiesen werden. Denn derartige Rückstellungen müssen, worauf die Revision zu Recht hinweist, dem mit der gebotenen Sorgfalt handelnden Geschäftsführer ohnehin bekannt sein. Es obliegt dem Beklagten, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass sich aus dem Inhalt der betriebswirtschaftlichen Auswertungen in Verbindung mit dem Kenntnisstand, der von ihm als Geschäftsführer außerdem zu erwarten war, keine Anhaltspunkte für eine Überschuldung ergaben.“

Mit diesem (und weiteren) Hinweisen hat der BGH den Fall zur Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen, auf dass dieses der Klage stattgebe.

Bundesgerichtshof entscheidet Fall, in der die Bank ihre Darlehensforderung sowohl mit einer Sicherheit am Gesellschaftsvermögen (z.B. Grundschuld am Grundstück) als auch mit einer Sicherheit am Vermögen eines Gesellschafters (z.B. Bürgschaft) gesichert hat. Verwertet der Insolvenzverwalter die Sicherheit der Bank und kehrt den Erlös an die Bank aus, ist der Gesellschafter zur Erstattung des an die Bank ausgekehrten Betrages zur Insolvenzmasse verpflichtet.

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter Dr. Pape und die Richterin Möhring für Recht erkannt:

Zum Sachverhalt:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Februar 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH (fortan: Schuldnerin). Der Beklagte ist seit 1994/95 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Zur Sicherung von Krediten, welche die S. (fortan: S.) der Schuldnerin gewährte, bestellte er an in seinem Alleineigentum stehenden Grundstücken Grundschulden im Nennwert von insgesamt 977. 389 €. Die Kredite waren außerdem durch Sicherungseigentum an Fahrzeugen der Schuldnerin gesichert. Der Kläger verwertete die Fahrzeuge und zahlte an die S. einen Betrag von 42. 189, 53 € (Verwertungserlös abzüglich Verwertungspauschalen und Umsatzsteuer).

Der Kläger hat zunächst Zahlung der Stammeinlage von 25. 564, 59 € (50. 000 DM) verlangt. Der Beklagte hat einen Betrag von 1. 278, 23 € anerkannt, insoweit ist Anerkenntnisurteil ergangen. Der Kläger hat den Anspruch auf Zahlung der Einlage sodann nur noch in Höhe von weiteren 1. 278, 23 € weiterverfolgt und desweiteren wegen des an die S. ausgekehrten Verwertungserlöses Zahlung von 42. 189, 53 € verlangt, weil die vom Beklagten persönlich gestellte Sicherheit in dieser Höhe freigeworden sei. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung wegen der noch streitigen Einlageforderung in Höhe von 1. 278, 23 € aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Zahlung von (weiteren) 42. 189, 53 € weiter.

Begründung des Gerichts:

Der Bundesgerichtshof stellt fest, der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Erstattung des ausgekehrten Erlöses folge aus § 143 Abs. 3 S. 1 InsO analog. Im einzelnen führt er aus:

1. Das Gesetz regelt nicht, wie in der Insolvenz einer GmbH die Verwertung der von ihr gestellten Sicherheiten gegenüber einem Gesellschafter wirkt, der für das gesicherte Darlehen eigene Sicherheiten erbracht hat. Folgerichtig gibt es auch keine Vorschriften dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen die Masse von einem Gesellschafter Erstattung verlangen kann, dessen Sicherheit hierdurch freigeworden ist. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO hat das Berufungsgericht zutreffend verneint.

a) Nach § 135 Abs. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte. Der Gesellschafter hat dann die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten (§ 143 Abs. 3 Satz 1 InsO). Anfechtbar sind nach der allgemeinen Vorschrift des § 129 Abs. 1 InsO, die auch für den Anfechtungstatbestand des § 135 InsO gilt, jedoch nur solche Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. „Rechtshandlung“ im Sinne von § 135 Abs. 2 InsO ist die Befreiung des Gesellschafters, welcher die Sicherheit gestellt hatte (K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1969; Mitlehner, EWiR 2011, 195, 196; vgl. auch Altmeppen, ZIP 2011, 741, 747). Diese fand im vorliegenden Fall nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt. Sie erfolgte durch Auskehrung des für die sicherungsübereigneten Fahrzeuge erzielten Erlöses an die S.

b) Die Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO kann – entgegen der vom Kläger in den Vorinstanzen vertretenen Ansicht – nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie Rechtshandlungen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasst. § 135 Abs. 2 InsO verweist zwar auf § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wo es heißt, dass die anzufechtende Rechtshandlung „im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag“ vorgenommen worden war. Für sich genommen, erfasst diese Formulierung auch Handlungen, die erst nach der Eröffnung stattgefunden haben. Handlungen „nach dem Eröffnungsantrag“ kommen in zahlreichen anfechtungsrechtlichen Vorschriften vor (vgl. etwa § 130 Abs. 1 Nr. 2, § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 132 Abs. 1 Nr. 2, § 133 Abs. 1 InsO). Gemeinsame Voraussetzung aller dieser Anfechtungstatbestände und damit auch des § 135 Abs. 2 InsO ist gemäß § 129 Abs. 1 InsO vorbehaltlich der in § 147 InsO geregelten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen eine Rechtshandlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Vorschrift des § 135 Abs. 3 InsO, die für die Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt, enthält keinen Anfechtungstatbestand.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Regelung des vorliegenden Problems abgesehen hat. …

4. Die aufgezeigte Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO zu füllen.

a) Eine Einschränkung des Wahlrechts des doppelt gesicherten Gläubigers entsprechend § 44a InsO kommt nach geltendem Recht nicht in Betracht.

aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 32a Abs. 2 GmbHG aF, der Vorgängervorschrift des § 44a InsO, unterlag es der freien Entscheidung des Drittgläubigers, die Gesellschafts- oder die Gesellschaftersicherheit in Anspruch zu nehmen (grundlegend BGH, Urteil vom 19. November 1984 – II ZR 84/84, ZIP 1985, 158; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Oktober 1985 – II ZR 280/84, ZIP 1986, 30, 31; vom 9. Dezember 1991 – II ZR 43/91, ZIP 1992, 108; vgl. auch den Fall BGH, Urteil vom 20. Juli 2009 – II ZR 36/08, ZIP 2009, 1806 Rn. 15 f). Begründet wurde dieses Ergebnis wie folgt: Der Gesellschafter solle mit der (kapitalersetzenden) Sicherheit zur Haftung für die Gesellschaftsschulden herangezogen werden. Daraus folge aber nur, dass der sicherungsgebende Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 32a Abs. 2 GmbHG aF nicht von jeglicher Verpflichtung freiwerden könne, nachdem der Darlehensgeber von der Gesellschaft Befriedigung erlangt habe, sondern dass er in diesem Falle einem Erstattungsanspruch der Gesellschaft ausgesetzt sei. Außerdem stehe der Drittgläubiger außerhalb des Verhältnisses zwischen der Gesellschaft und dem sicherungsgebenden Gesellschafter. Wenn er vorrangig die Gesellschaftersicherung in Anspruch nehmen und das damit verbundene Kosten- und Ausfallrisiko tragen müsse, obwohl er aus der Gesellschaftssicherung Befriedigung erlangen könnte, stelle dies einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung dar, die nicht ohne eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers vorgenommen werden könne (BGH, Urteil vom 19. November 1984, aaO S. 159).

bb) Diese Gründe haben nach dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1. Januar 1999 und des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen am 1. November 2008 weiterhin Bestand.

(1) Die Insolvenzordnung hat die Rechte des absonderungsberechtigten Gläubigers eingeschränkt. Insbesondere kennt sie keine § 4 Abs. 2 KO entsprechende Bestimmung, nach welcher die abgesonderte Befriedigung unabhängig vom Konkursverfahren erfolgte. Die Verwertung beweglicher Gegenstände (Sachen und Forderungen), an denen ein Absonderungsrecht besteht, obliegt nunmehr überwiegend dem Insolvenzverwalter (vgl. § 166 Abs. 1 und 2 InsO), der auch die Verwertung eines mit Absonderungsrechten belasteten unbeweglichen Gegenstandes betreiben kann (§ 165 InsO). Auf der anderen Seite verlöre der Gläubiger durch die Anordnung eines Vorrangs der Gesellschaftersicherheit seine am Vermögen der Gesellschaft bestellte Sicherheit nicht. Fiele er mit der Gesellschaftersicherheit aus, könnte er jene nach wie vor in Anspruch nehmen. In der Literatur wird die Einschränkung des Wahlrechts eines doppelt gesicherten Gläubigers deshalb als rein abwicklungstechnischer Beitrag dazu gesehen, dass der kreditähnliche Finanzierungsbeitrag der Gesellschaft auch wirklich zum Tragen kommt (K. Schmidt, BB 2008, 1966, 1968; Gundlach/Frenzel/Strandmann, DZWiR 2010, 232, 235). Der Senat kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Die Annahme eines Vorrangs der Gesellschaftersicherheit vor der Gesellschaftssicherheit würde eine weitere Verschlechterung der Rechtsstellung des Absonderungsberechtigten bedeuten, für welche eine gesetzliche Grundlage fehlt (Art. 14 Abs. 1 GG).

(2) Das MoMiG sieht einen Erstattungsanspruch des Insolvenzverwalters gegen den freigewordenen Gesellschafter nicht vor, schließt ihn aber auch nicht aus. Bis zum Inkrafttreten des MoMiG wurde der Ausgleichsanspruch der Masse gegen den befreiten Gesellschafter gesellschaftsrechtlich, nicht anfechtungsrechtlich begründet (grundlegend BGH, Urteil vom 13. Juli 1981 – II ZR 256/79, BGHZ 81, 252, 259 ff zum Rechtszustand vor Einführung der Novellenregeln durch die GmbH-Reform 1980). Der novellenrechtliche Erstattungsanspruch aus §§ 32b, 32a Abs. 2, 3 GmbHG aF stellte sachlich zwar einen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzenden Anfechtungstatbestand dar (BGH, Urteil vom 26. Januar 2009 – II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 Rn. 16 mwN). Von § 32b GmbHG aF wurden – jedenfalls nach dem Wortlaut der Norm – jedoch nur Rückzahlungen binnen Jahresfrist vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfasst. Der Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft konnte daneben jedoch aus den Rechtsprechungsregeln analog §§ 30, 31 GmbHG hergeleitet werden, soweit der Gesellschafter durch die Tilgung der Schuld aus gebundenem Vermögen der Gesellschaft von seiner (vorrangigen) Sicherungspflicht befreit wurde (BGH, Urteil vom 26. Januar 2009, aaO Rn. 10). Ein Rückgriff auf die Rechtsprechungsregeln ist, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, durch den Nichtanwendungsbefehl des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ausgeschlossen. Über die Auslegung der Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung ist damit jedoch nichts gesagt. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften wird von dem Nichtanwendungsbefehl nicht erfasst.

b) Durchgreifende Argumente gegen eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschrift des § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO gibt es nicht.

aa) Der Fall, dass ein doppelt gesicherter Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt und die Gesellschaftersicherheit hierdurch frei wird, ist gesetzlich nicht geregelt. Es handelt sich, wie gezeigt, um eine unbeabsichtigte Regelungslücke. Bei wertender Betrachtung besteht kein Unterschied zwischen der Rückzahlung eines gesellschaftergesicherten Darlehens innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO und derjenigen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

bb) Gegen eine analoge Anwendung der Anfechtungsvorschriften wird im Wesentlichen eingewandt, der Verzicht auf die Anfechtungsvoraussetzungen des § 129 InsO – die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Rechtshandlung sowie die Gläubigerbenachteiligung, deren Vorliegen ebenfalls in Zweifel gezogen wird – stelle einen Systembruch dar, der nur als letzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden solle (Bork, aaO S. 147; ähnlich Altmeppen, aaO S. 746: „dogmatisch ohne Kontur“). Diese Bedenken teilt der Senat nicht. Es geht hier nicht um die Auslegung einer anfechtungsrechtlichen Vorschrift, sondern um deren entsprechende Anwendung. Die entsprechende Anwendung einer Norm kommt von vornherein nur dann in Betracht, wenn nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Norm erfüllt sind. § 143 Abs. 3 InsO stellt insofern einen Sonderfall im System des Insolvenzanfechtungsrechts dar, als der Anspruch sich nicht gegen den Empfänger der Leistung – der Darlehensrückzahlung – richtet, sondern gegen einen Dritten, nämlich den Gesellschafter, der hierdurch nur mittelbar – durch Freiwerden der von ihm gestellten Sicherheit – begünstigt worden ist. Die Anfechtung von Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist dem Gesetz nicht völlig fremd, wie insbesondere die Vorschrift des § 147 InsO zeigt (vgl. HK-InsO/Kreft, aaO § 147 Rn. 9).

Diese Vorschrift regelt die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen vor allem des Insolvenzschuldners, die aufgrund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, des Schiffsregisters und der Luftfahrzeugrolle wirksam sind. Sie zeigt, dass § 129 Abs. 1 InsO mit dem Bezug auf Rechtshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine für das Anfechtungsrecht schlechthin unentbehrliche Voraussetzung bezeichnet, die jede Durchbrechung ausschließt. Der hier zu entscheidende Fall der Verwertung einer von der Insolvenzschuldnerin gestellten Sicherheit steht § 147 InsO insofern nahe, als der Insolvenzverwalter ausgehend von der Annahme, dass der Gläubiger frei entscheiden kann, ob er zuerst die Gesellschafts- oder zuerst die Gesellschaftersicherheit verwertet (s. o. unter a) – den Zugriff des Gläubigers auf die Sicherheit der Masse nicht abwenden kann. Ausgangspunkt ist also jeweils eine masseschmälernde Verfügung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die vom Insolvenzverwalter trotz dessen umfassender Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) nicht verhindert werden kann. Dies rechtfertigt in beiden Fällen eine Abweichung von der anfechtungsrechtlichen Grundnorm des § 129 Abs. 1 InsO, die davon ausgeht, dass der Verwalter von der Eröffnung an Gläubigerbenachteiligungen verhindert. Die Frage der Gläubigerbenachteiligung stellt sich in allen Fällen der doppelten Besicherung der Darlehensforderung, mag die Forderung vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus Mitteln der Gesellschaft befriedigt worden sein. Der gesetzlich geregelte Fall (§ 135 Abs. 2, § 143 Abs. 3 InsO) lässt ausreichen, dass Mittel der Gesellschaft aufgewandt wurden und dass die vom Gesellschafter gestellte Sicherheit hierdurch freigeworden ist. Nichts anderes gilt in dem hier zu entscheidenden Fall der Befriedigung des Gläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

 

Scheingeschäftsführer haftet für Steuerschulden der GmbH

Der  Bundesfinanzhof hat entschieden (BFH, 11.03.2004 – VII R 52/02), dass auch ein Scheingeschäftsführer für die Steuerschulden einer GmbH haftet.

Die Haftung ergebe sich schon aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob die Geschäftsführung auch tatsächlich ausgeübt werden kann und ob sie ausgeübt werden soll. Der GmbH-Geschäftsführer könne sich nicht damit entschuldigen, dass er von der ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte ferngehalten wird und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Auch eine lediglich nominell zum Geschäftsführer bestellte Person könnte sich nicht damit entlasten, dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, ihre rechtliche Stellung als Geschäftsführer innerhalb der Gesellschaft zu verwirklichen und die steuerlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, sich innerhalb der Gesellschaft durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, so müsse er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte (vgl. Senatsurteile vom 16. Juli 1985, VII R 185/82 und vom 23. März 1993, VII R 38/92 m. w. N.).

Bundesgerichtshof entscheidet über fristlose Kündigung eines Geschäftsführers wegen Abschlusses eines Scheinvertrages mit einem Kommunalpolitiker

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die zweiwöchige Frist zur Erklärung der fristlosen Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrags erst ab positiver Kenntnis des Kündigungsberechtigten vom Kündigungsgrund läuft.

Der Kläger war zunächst Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft der Stadtsparkasse Düsseldorf, dann Geschäftsführer der beklagten GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Tochtergesellschaft ist. Im Jahr 2000 unterzeichnete der Kläger einen Beratervertrag der Tochtergesellschaft mit einem Kölner Kommunalpolitiker für die beabsichtigte Auflage eines Fonds unter Beteiligung der Stadtsparkasse Düsseldorf, ihrer Tochtergesellschaft und der Stadtsparkasse Köln. Nach dem Vortrag der Beklagten beruhte dies auf einer Absprache zwischen dem Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse Köln und dem Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse Düsseldorf, nach der der Kommunalpolitiker keine Beratungsleistung erbringen sollte. Der Kommunalpolitiker erhielt ein jährliches Honorar von 200.000 DM, das vereinbarungsgemäß von der Stadtsparkasse Köln erstattet wurde. Im Jahr 2004 wurde der Beratervertrag mit teilweiser Rückwirkung aufgehoben.

Nach der Veröffentlichung von Presseberichten, nach denen es sich um einen Scheinberatervertrag gehandelt habe und die zum Rücktritt des Kommunalpolitikers als Bürgermeister führten, wurde der Kläger am 16. Februar 2009 als Geschäftsführer der Beklagten abberufen und sein Anstellungsvertrag fristlos gekündigt.

Der Kläger verlangt die Feststellung, dass die Kündigung seines Dienstverhältnisses unwirksam sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass die Kündigung des Dienstvertrages nach § 626 Abs. 2 BGB wegen Versäumung der Kündigungsfrist unwirksam sei.

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Verfristung der Kündigungserklärung als nicht ausreichend angesehen. Die Frist begann erst mit positiver Kenntnis der neuen Geschäftsführer der Tochtergesellschaft vom Kündigungsgrund zu laufen. Grobfahrlässige Unkenntnis genügt nicht, so dass keine Pflicht der Geschäftsführer bestand, aus Anlass der Aufhebung des Beratervertrags zu ermitteln, ob er nur zum Schein abgeschlossen wurde. Eine positive Kenntnis hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

Urteil vom 9. April 2013 – II ZR 273/11

OLG Düsseldorf – Urteil vom 24. November 2011 – 14 U 27/11

LG Düsseldorf – Urteil vom 2. November 2010 – 35 O 28/09

Karlsruhe, den 9. April 2013

§ 626 BGB lautet:

Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt…