Das OLG Düsseldorf hat in einer neuen Entscheidung über die zeitliche Komponente der Bestellung eines Nachtragsliquidators entschieden. Zwei Punkte sind hervorzuheben:
In der Regel wird der Nachtragsliquidator für einen beschränkten Wirkungskreis bestellt. Das OLG Düsseldorf hat jetzt klar gestellt, dass die Bestellung des Nachtragsliquidators gegenstandslos wird, wenn der Nachtragsliquidator, die Aufgaben seines Wirkungskreises vollständig erledigt hat.
Hat der Nachtragsliquidator in Vertretung der gelöschten Gesellschaft bestimmte Rechtsgeschäfte vorgenommen, kann das bestellende Amtsgericht die Wirksamkeit dieser Rechtsgeschäfte nicht rückwirkend aufheben, indem es den Bestellungsbeschluss aufhebt. Eine solche Rückwirkung kann es nur geben, wenn die Bestellung des Nachtragsliquidators nichtig gewesen sein sollte. Dies dürfte allerdings im gerichtlichen Alltag kaum vorkommen.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.03.2021 – 3 Wx 33/21
I. Sachverhalt
Die betroffene Gesellschaft vermittelte bis zu ihrer Löschung wegen Vermögenslosigkeit am 15. Juni 2020 als Finanzdienstleisterin Darlehen, u.a Darlehen von ca. 700.000 € der Eheleute an die Firma …, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer, der Beteiligte zu 1 sich dafür „verbürgte“.
… alleiniger Geschäftsführer und einer von drei Gesellschaftern der betroffenen Gesellschaft versprach den Darlehensgebern 2016, sich um die Rückzahlung der – notleidenden – Darlehen zu kümmern und vereinbarte die Abtretung der Rückzahlungsansprüche an die betroffene Gesellschaft.
Am 22. Dez. 2017 traf u.a. die betroffene Gesellschaft mit den Darlehensgebern und … eine Vereinbarung über die Rückabtretung von Darlehensforderungen. Danach war die betroffene Gesellschaft von den Zessionaren ermächtigt, die Darlehensforderungen weiter durchzusetzen und erwirkte ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf gegen den Beteiligten zu 1 auf Rückzahlung der o.g. Darlehenssumme.
Aufgrund dieses Urteils erwirkte die betroffene Gesellschaft am 24. April 2019 die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek in Höhe von 778.058,75 € in Abteilung III Nr. 6 des im Grundbuch von … eingetragenen Grundbesitzes des Beteiligten zu 1. Aufgrund dessen kam es zu Verhandlungen der betroffenen Gesellschaft mit dem Beteiligten zu 1, dieser vertreten durch den Beteiligten zu 2, in deren Verlauf die betroffene Gesellschaft die Sicherungsabtretung der Forderung (Rückabtretung) anzeigte und dass die Rückzahlung an die Eheleute zu leisten sei, denen gegenüber zudem ein notarielles Schuldanerkenntnis abzugeben sei, damit das landgerichtliche Urteil nicht umgeschrieben werden müsse.
Nachdem das Bundesamt der Justiz mit Schreiben vom 23. Juli 2019 dem Registergericht mitgeteilt hatte, es habe sich im Zuge der Beitreibung herausgestellt, dass die betroffene Gesellschaft kein Vermögen besitze, sie habe am 6. März 2019 die Vermögensauskunft erteilt und die betroffene Gesellschaft der mit Verfügung des Registergerichts vom 1. Aug. 2019 mitgeteilten Absicht, sie wegen Vermögenslosigkeit zu löschen nicht widersprochen hatte, wurde die betroffene Gesellschaft am 15. Juni 2020 wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Die Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf hatte während des Löschungsverfahrens dem Registergericht am 22. Okt. 2019 die Mitteilung des Geschäftsführers der betroffenen Gesellschaft vom 16. Okt. 2019 vorgelegt, die Firma sei in Liquidation.
Am 10. / 18. Nov. 2020 beantragte der Beteiligte zu 1, den Beteiligten zu 2 zum Nachtragsliquidator der betroffenen Gesellschaft zu bestellen für die folgenden Abwicklungsmaßnahmen:
– Erteilung der Löschungsbewilligung der o.g. Zwangssicherungshypothek,
– Abgabe aller in diesem Zusammenhang erforderlichen Erklärungen und
– Einholen des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 23. März 2018 – 3 O 260/17 als des der Zwangssicherungshypothek zugrunde liegenden Titels.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4. Dez. 2020 bestellte das Registergericht den Beteiligten zu 2 antragsgemäß zum Nachtragsliquidator. Dieser erwirkte die Löschung der Zwangssicherungshypothek am 18. Dez. 2020 und erhielt vom Vollstreckungsgericht den landgerichtlichen Titel ausgehändigt.
Gegen die Bestellung des Nachtragsliquidators richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 vom 7. Jan. 2021. Es bestehe kein rechtliches Interesse des Beteiligten zu 1, die Zwangssicherungshypothek zu löschen, solange die Forderung (aus dem Darlehen) gegen ihn bestehe. Der Beteiligte zu 2 könne als Rechtsanwalt des Beteiligten zu 1 wegen Interessenkollision nicht Nachtragsliquidator sein. Die Sache habe sich auch nicht durch die Löschung der Zwangssicherungshypothek erledigt. Eine Aufhebung des Bestellungsbeschlusses wirke zurück, so dass der Nachtragsliquidator den widerrechtlich in Besitz genommenen Beschluss (gemeint ist offenbar das LG -Urteil) wieder herausgeben müsse.
Der Beteiligte zu 2 hält die Beschwerde für unzulässig. Es liege schon keine ordnungsgemäße Vollmacht vor, es fehle an der Antragsberechtigung, die Nachtragsliquidation sei ohnehin seit dem 18. Dez. 2020 beendet und die Bestellung längst an das Registergericht zurückgereicht.
Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie mit weiterem Beschluss vom 8. Febr. 2021 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es bestünden Bedenken, dass die Beschwerde wirksam eingelegt worden sei, jedenfalls sei sie unbegründet, weil die betroffene Gesellschaft noch Inhaberin der Zwangssicherungshypothek gewesen und daher noch ein Vermögenswert vorhanden gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakte Bezug genommen.
II. Gründe
Die Sache ist infolge der mit weiterem Beschluss des Registergerichts vom 8. Febr. 2021 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen (§ 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG).
Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 375 Nr. 6, 402 Abs. 1, 58 Abs. 1 FamFG als befristete Beschwerde statthaft. Es ist allerdings unzulässig, denn die Hauptsache hat sich vor Einlegung der Beschwerde erledigt. In einem solchen Fall fehlt regelmäßig das für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für eine Prüfung der Hauptsacheentscheidung durch das Rechtsmittelgericht. Denn es liegt keine Beschwer in der Hauptsache mehr vor (Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 22, Rdnr. 33).
So liegt es auch hier. Die Vertretung der betroffenen Gesellschaft war nur für einzelne, im Voraus genau bestimmbare Handlungen erforderlich und die Nachtragsliquidation auf bestimmte Maßnahmen zu beschränken. Mit dem angefochtenen Beschluss ist der Beteiligte zu 2 daher mit den dort näher bezeichneten Aufgaben zum Nachlassliquidator bestellt worden. Ist dem Nachtragsliquidator auf diese Weise nur ein auf die Vornahme der bezeichneten Einzelmaßnahmen beschränkter Aufgabenkreis zugestanden, hat dies zur Folge, dass für die so gegenständlich eingegrenzte Nachtragsliquidation kein Raum mehr ist, wenn diese Maßnahmen durchgeführt und daher eine Vertretung durch den Nachtragsliquidator gegenstandslos ist (Senat, Beschluss vom 18. April 2011 – 3 Wx 98/11, BeckRS 2011, 14923; Haas, in Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 22. Aufl., 2019, § 60, Rdnr. 106).
Die ihm nach dem Bestellungsbeschluss zugewiesenen Aufgaben hatte der Beteiligte zu 2 bereits vor Einlegung der Beschwerde am 7. Jan. 2021 durch die Beteiligten zu 3 und 4 vollständig abgeschlossen. Die Löschung der Zwangssicherungshypothek in Abteilung III Nr. 6 des im Grundbuch eingetragenen Grundbesitzes war am 18. Dez. 2020 eingetragen und auch der landgerichtliche Titel bereits vor Einlegung der Beschwerde an den Beteiligten zu 1 ausgehändigt worden.
Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 3 und 4 vermag die Beschwerde daran nichts zu ändern. Denn selbst wenn auf das Rechtsmittel der Bestellungsbeschluss und die Bestellung des Beteiligten zu 2 zum Nachtragsliquidator aufgehoben würde, blieben die inzwischen vom Nachtragsliquidator vorgenommenen Rechtsgeschäfte wirksam, § 47 FamFG (Otto, in BeckOK FamFG, Stand 1. Jan. 2021, § 375, Rdnr. 58) und scheidet damit eine rückwirkende Aufhebung der Nachtragsliquidation aus.
Nach § 47 FamFG hat die Aufhebung eines ungerechtfertigten Beschlusses, durch den jemand die Fähigkeit oder die Befugnis erlangt hat, ein Rechtsgeschäft vorzunehmen oder eine Willenserklärung entgegenzunehmen, auf die Wirksamkeit der inzwischen von ihm oder ihm gegenüber vorgenommenen Rechtsgeschäfte keinen Einfluss, es sei denn der Beschluss war von Anfang an unwirksam. Danach ist eine wirksam gewordene gerichtliche Entscheidung, durch die jemand die Befugnis erhält, als Vertreter für einen anderen rechtsgeschäftlich tätig zu werden, zwar aufzuheben, wenn sich erweist, dass die Voraussetzungen der Bestellung nicht oder nicht mehr vorliegen. Die Aufhebung erfolgt aber nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung ex nunc (OLG Celle, Beschluss vom 8. Febr. 2018, 6 W 19/18, BeckRS 2017, 141725).
Die Aufhebung einer hiernach ungerechtfertigten, aber nicht nichtigen Entscheidung hat keine Rückwirkung und mithin keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Rechtshandlungen, zu deren Vornahme eine Person auf Grund der aufgehobenen Entscheidung formell berechtigt war (Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 47, Rdnr. 11 m.N.).
Die Anwendung des § 47 FamFG setzt voraus, dass die Entscheidung, durch die jemand die Befugnis oder Fähigkeit zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder Entgegennahme einer Willenserklärung erlangt hat, schon nach § 40 FamFG wirksam geworden ist, bevor sie aufgehoben wurde. § 47 FamFG erfasst hingegen nicht den Fall, dass die Entscheidung von Anfang an unwirksam war; die Aufhebung derartiger Entscheidungen hat stets nur deklaratorische Bedeutung, § 47 letzter Halbsatz FamFG. Unwirksamkeit von Anfang an liegt vor, wenn die Entscheidung nichtig ist. (Keidel/Engelhardt, a.a.O., Rdnr. 8 + 9).
Hier war der angefochtene Beschluss des Registergerichts vom 4. Dez. 2020 zum einen nach § 40 FamFG bereits wirksam geworden und liegen zum anderen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er von Anfang an unwirksam gewesen wäre; insbesondere war die Bestellung des Nachtragsliquidators nicht dem Richter vorbehalten, sondern war hierfür der Rechtspfleger des Registergerichts funktionell zuständig, denn § 17 Nr. 2 c und d RPflG nehmen sowohl § 273 Abs. 4 AktG als auch § 66 Abs. 5 GmbHG von den dem Richter vorbehaltenen unternehmensrechtlichen Verfahren aus.
III. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Nach dieser Vorschrift soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Rechtsmittels demjenigen Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall bestehen hier keine Anhaltspunkte.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.
Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 i.V.m. 67 Abs. 3 GNotKG; zur Bemessung des – nach der ständigen Rechtsprechung des Senats maßgeblichen – wirtschaftlichen Interesses, das mit dem Rechtsmittel verfolgt wird, ist der Regelwert des § 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG von 60.000 € erkennbar untersetzt und der Nennbetrag der Zwangssicherungshypothek für die Wertfestsetzung maßgebend.