Melissa Nelsons Kündigungsgrund „zu sexy“ im Lichte des Deutschen Arbeitsrechts

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Ueber den Fall hatten auch deutsche Medien berichtet, so z.B. der Spiegel:

Zehn Jahre lang hatte Melissa Nelson als Zahnarzthelferin für James Knight gearbeitet. Nelson sei „die beste Assistentin“ gewesen, die er je hatte, sagte Knight, doch schließlich kündigte er ihr. Als Grund gab er laut den Medienberichten an: Nelson sei einfach „unwiderstehlich“ (= zu sexy). Dies bedrohe sein Geschäft, seine Ehe und das Wohl seiner Familie.

Nelson hatte sich offenbar bei der Arbeit nie etwas zuschulden kommen lassen. Sie war jedoch zumindest in den Augen ihres Arbeitgebers sehr attraktiv (= zu sexy). Nach neun Jahren hatte Knight offenbar das erste Mal gemerkt, dass ihn die angeblich hautenge Kleidung seiner Assistentin von der Arbeit ablenke. Er schrieb ihr anzügliche SMS-Botschaften: „Wenn sich meine Hose wölbt, wissen Sie, dass Ihre Klamotten zu knapp sind.“ Knight gab an, dass er Melissa nicht mehr länger widerstehen könne und eine Affäre begonnen hätte. Offenbar hatten der Arzt und seine Assistentin recht offene Gespräche geführt: Als sich Nelson über ein unregelmäßiges Sexleben mit ihrem Mann beschwerte, beschrieb Knight seine Gefühlslage so: „Das ist, als habe man einen Lamborghini in der Garage stehen, den man nicht fahren darf.“ Der Arzt machte die Assistentin zudem wiederholt mit unpassenden Bemerkungen darauf aufmerksam, dass ihm ihre Kleidung zu freizügig sei.

Zu sexuellen Kontakten war es jedoch nie gekommen. Die junge Frau und verheiratete Mutter klagte gegen ihre Entlassung, insbesondere wegen sexueller Diskriminierung.

Schon in der ersten Instanz hatte das Gericht zugunsten des Zahnarztes entschieden. Jetzt hat das Oberste Gericht von Iowa diese Entscheidung bestätigt: Führungspersonen dürfen Angestellte entlassen, die ihnen als Bedrohung der eigenen Ehe erscheinen, schrieb das Gericht in der Urteilsbegründung. Weiter hieß es: bei der Entlassung spielten die Gefühle des Arztes, nicht das Geschlecht der Gehilfin die Hauptrolle.

Das Gericht stellt damit auf den Arbeitgeber ab und nicht auf eine Eigenschaft der Arbeitnehmerin. Damit hat es die heikle Frage, ob Frau Nelson im Rahmen des Arbeitsverhältnisses tatsächlich als „zu attraktiv“ oder „zu sexy“ zu bewerten sei, geschickt umgangen. Insbesondere ist das Gericht damit auch einer Beweisaufnahme aus dem Weg gegangen, in der es sich nach freier Überzeugung (§ 286 ZPO) ein Bild über Mass, Umfang und Gefährlichkeit von Frau Nelsons weiblicher Attraktivität hätte machen müssen.

Ob eine Kündigung mit dieser Begründung nach Deutschem Recht rechtmäßig wäre, untersuche ich im Folgenden.

1. Kündigungsgründe
Nach § 1 des Kündigungsschuzgesetz ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. In dieser Vorschrift hat man den Ausgangspunkt für die Beurteilung des Falles nach Deutschem Arbeitsrecht gefunden.
In den Schilderungen des Falles gibt es Hinweise für einen personenbedingten Kündigungsgrund (zu attraktiv) und für einen verhaltensbedingten Kuendigungsgrund (Tragen zu freizuegiger Kleidung).

2. Personenbedingte Kündigung
Eine personenbedingte Kündigung kommt im Allgemeinen in Frage, wenn ein Mitarbeiter aufgrund von charakterlichen, fachlichen, körperlichen oder gesundheitlichen Gründen, die nicht in seinem Einflussbereich liegen, für eine Tätigkeit nicht (mehr) geeignet erscheint. Voraussetzung ist jeweils, dass durch diese persönlichen Mängel die betrieblichen Abläufe erheblich gestört und dem Arbeitgeber deshalb nicht zugemutet werden können.
Vordergründig scheint man den Fall von Frau Melissa Nelson unter diese Definition subsummieren zu können. Es liegen körperliche Gruende vor, die betrieblichen Abläufe erheblich stören und dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden können.
Ich gehe davon aus, dass ein Deutsches Gericht dem Arbeitgeber bei einer Gesamtabwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände eine derartige störung der Betriebsabläufe zumuten wird.

3. Verhaltensbedingte Kündigung
Unternehmen können im Rahmen ihres Weisungsrechts den Mitarbeitern vorschreiben, welche Kleidung sie während der Arbeit zu tragen haben. Weigert sich ein Mitarbeiter beharrlich die entsprechende Kleidung zu tragen, so liegt hierin eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann.
Das Arbeitsgericht Cottbus hat entschieden (Urteil vom 20.03.2012, Az.: 6 Ca 1554/11):
Das Weisungsrecht nach § 106 GewO gibt dem Arbeitgeber das einseitige Recht, die im Arbeitsvertrag für gewöhnlich nur abstrakt geregelte Leistungspflicht nach Zeit, Ort und Art der Leistung näher zu konkretisieren. Dabei hat er unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die gegenseitigen Interessen untereinander abzuwägen. Zwar werde im vorliegenden Fall dem Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen, durch eine individuelle Kleidung seinem Erscheinungsbild eine persönliche Note zu geben. Diese wird aber hier vom betrieblichen Interesse an einem einheitlichen Erscheinungsbild aller Mitarbeiter überlagert und war somit auch vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt und angemessen.

4. Abmahnung
Nach deutschem Recht ist in der Regel (mindestens) eine Abmahnung erfoderlich. Hier stellt sich die Frage, ob eine SMS mit dem Inhalt „Wenn sich meine Hose wölbt, wissen Sie, dass Ihre Klamotten zu knapp sind“ den Anfoderungen die die Deutschen Gerichte an Abmahnungen stellen, genügt.

Keine besonderen Voraussetzungen werden an die Form der Abmahnung gestellt. Diese kann daher sowohl muendlich, als auch schriftlich ausgesprochen werden. Zwar ist derzeit kein Urteil ersichtlich, das eine in Form einer SMS verfassten Abmahnung behandelt. Das Bundesarbeitsgericht urteilt jedoch (mittlerweile in ständiger Rechtsprechung, vgl. BAG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 2 AZR 603/07, m.w.N.), der Arbeitnehmer könne auch einer formell unwirksamen Abmahnung entnehmen, dass der Arbeitgeber sein Verhalten nicht billigt. Er bleibe daher trotz Formfehlers der Abmahnung abgemahnt. Demnach duerte die Versendung der Abmahnung als SMS nach deutschem Recht kein Problem darstellen.

BGH zur Haftung des Insolvenzverwalters

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Dezember 2005 – IX ZR 115/01

Leitsätze:
a) Der Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter persönlich wegen Verletzung konkursspezifischer Pflichten ist gegenüber einem Schadensersatzanspruch gegen die Masse nicht subsidiär.
b) Der Verwalter kann persönlich für die später nicht beitreibbaren Kosten eines Schadensersatzprozesses einzustehen haben, den ein Gläubiger wegen Nichterfüllung eines Aussonderungsrechtes gegen die Masse geführt hat.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Raebel, Kayser, Cierniak und die Richterin Lohmann für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 13. März 2001 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von weiteren 14.391,70 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Tatbestand:
Der Beklagte war Verwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der H. GmbH, die vom Kläger Stahlbleche zur Absicherung von Baugruben gemietet hatte. Am 26. Oktober 1995 wurde er als Konkursverwalter verurteilt, die gemieteten Stahlbleche an den Kläger herauszugeben sowie rückständigen Mietzins in Höhe von 51. 429, 73 DM zu zahlen (LG Hildesheim 10 O 138/94). Mit Anwaltsschreiben vom 22. Dezember 1995 setzte der Kläger ihm eine Frist zur Herausgabe des Stahls und kündigte an, nach Ablauf der Frist gemäß § 283 BGB a.F. Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Der Beklagte gab den Stahl nicht heraus. Am 26. November 1998 wurde er – ebenfalls in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter – zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 53.946,98 DM sowie weiteren Mietzinses in Höhe von 95.931,85 DM verurteilt (LG Hildesheim 25 O 179/97). Am 4. Dezember 1998 zeigte der Beklagte Masseunzulänglichkeit an.

Mit seiner am 17. Januar 2000 beim Landgericht eingegangenen Klage hat der Kläger den Beklagten persönlich auf Schadensersatz in Höhe von 149.778,83 DM nebst Zinsen wegen des nicht herausgegebenen Stahls und des nicht gezahlten Mietzinses in Anspruch genommen. Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage wegen des nicht herausgegebenen Stahls zur Zahlung von 53.946,98 DM nebst Zinsen verurteilt. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger hat hilfsweise zum Anspruch auf Schadensersatz wegen des Mietzinses Erstattung der Kosten des Vorprozesses LG Hildesheim 25 O 179/97 in Höhe von 14.391,70 DM verlangt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es den Schadensersatzanspruch des Klägers hinsichtlich des Stahls wegen Mitverschuldens um die Hälfte gekürzt.

Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils sowie – entsprechend dem bisherigen Hilfsantrag – die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz der Prozesskosten. Der Beklagte, der unter anderem die Einrede der Verjährung erhoben hat, beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat teilweise – nämlich hinsichtlich der Kosten des Vorprozesses LG Hildesheim 25 O 179/97 – Erfolg. Insoweit führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Weitergehende Ansprüche des Klägers sind verjährt.

I.
Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 82 KO für gegeben erachtet. Den Kläger treffe allerdings ein Mitverschulden von 50 %, weil er sich geweigert habe, dem Beklagten die Herausgabe des Stahls durch dessen Sichtung und Markierung zu ermöglichen, obgleich ihm dies ohne größeren Aufwand möglich und daher zumutbar gewesen sei. Die für Ansprüche aus § 82 KO analog geltende Verjährungsfrist des § 852 BGB a. F. sei bei Einreichung der Klage noch nicht abgelaufen gewesen. Kenntnis von Schaden und Schädiger habe der Kläger erst mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 4. Dezember 1998 erlangt. Bis dahin habe nur die Gefahr eines Schadenseintritts bestanden, weil an die Stelle des Herausgabeanspruchs der Zahlungsanspruch gegen die Masse getreten sei. Soweit der Kläger die Klage hilfsweise auf die nicht erstatteten Prozesskosten stütze, fehle es an einer Pflichtverletzung des Beklagten; denn dessen Rechtsverteidigung sei nicht aussichtslos gewesen, und der Kläger habe nicht vorgetragen, dass der Beklagte im Verlauf des Prozesses die Masseunzulänglichkeit habe erkennen können.

II.
Das angefochtene Urteil hat im Ergebnis Bestand, soweit der Anspruch auf Schadensersatz für den nicht herausgegebenen Stahl abgewiesen worden ist. Denn dieser Anspruch ist verjährt.

1. Grundlage des Anspruchs des Klägers ist § 82 KO. Nach dieser Vorschrift ist der Verwalter allen Beteiligten für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten verantwortlich. Der Kläger wirft dem Beklagten vor, die fraglichen Stahlträger und Stahlplatten bis zum Ablauf der Nachfrist nicht herausgegeben und damit sein Aussonderungsrecht (§ 43 KO) vereitelt zu haben.

a) Die Pflicht zur Erfüllung der Ansprüche aussonderungsberechtigter Gläubiger trifft den Verwalter als solchen (BGHZ 100, 346, 350; BGH, Urt. v. 5. März 1998 – IX ZR 265/97, ZIP 1998, 655, 658). Der Verwalter ist verpflichtet, Aussonderungsrechte zu beachten und an der Herausgabe der auszusondernden Gegenstände mitzuwirken (Kübler/Prütting/Lüke, InsO § 60 Rn. 15). Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten haftet er aus § 82 KO (BGH, Urt. v. 5. März 1998, aaO).

b) Dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter zur Herausgabe des Stahls verpflichtet war, steht aufgrund des Urteils des Landgerichts Hildesheim vom 26. Oktober 1995 (10 O 138/94) rechtskräftig fest. Die Rechtskraft dieses Urteils erstreckt sich zwar nicht uneingeschränkt auf den Beklagten persönlich. Im Rahmen des Anspruchs aus § 82 KO kommt ihm jedoch Tatbestandswirkung zu. Der Beklagte war als Konkursverwalter verpflichtet, Leistungen zu erbringen, zu denen ein Gericht ihn rechtskräftig verurteilt hatte.

2. Die Verjährung eines Anspruchs aus § 82 KO richtet sich nach § 852 BGB a. F. in entsprechender Anwendung (BGHZ 93, 278, 280 f; 126, 138, 144; BGH, Urt. v. 24. Mai 2005 – IX ZR 114/01, WM 2005, 1421, 1422). Sie beträgt drei Jahre und beginnt mit der Kenntnis von Schaden und Schädiger, das heißt derjenigen Umstände, die eine Ersatzpflicht begründen. Maßgeblich ist die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, nicht deren zutreffende rechtliche Würdigung (BGHZ 138, 247, 252; BGH, Urt. v. 24. Mai 2005 – IX ZR 114/01, aaO).

3. Im vorliegenden Fall begann die Verjährung des Anspruchs aus § 82 KO wegen Nichtherausgabe der Stahlträger und Stahlplatten mit dem Ablauf der gemäß § 283 BGB a. F. gesetzten Nachfrist, also am 1. Februar 1996.

a) Am 1. Februar 1996 war die zur Erfüllung des Herausgabeanspruchs gesetzte Frist ergebnislos verstrichen. Der Beklagte hatte die streitigen Stahlträger und Stahlplatten nicht herausgegeben. Rechtsfolge des fruchtlosen Ablaufs einer nach § 283 BGB a. F. gesetzten Frist ist das Erlöschen des Erfüllungsanspruchs des Gläubigers (§ 283 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB a. F.), hier also des Herausgabeanspruchs. Der Verlust des Herausgabeanspruchs stellt bereits einen Schaden im Rechtssinne dar, nicht, wie das Berufungsgericht meint, nur eine Vermögensgefährdung. Der Kläger hat eine Rechtsposition, die er bis zum Ablauf der Nachfrist innehatte, endgültig eingebüßt. Der Anspruch aus § 283 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB a. F. setzt voraus, dass ein Schaden entstanden ist, der nunmehr ausgeglichen werden muss; er kann nicht dazu führen, das Vorhandensein eines Schadens zu verneinen.

b) Der Schaden war damit auch im Sinne des § 82 KO eingetreten, nicht nur im Rahmen des § 283 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.

aa) Entgegen der Ansicht des Klägers war eine gesonderte Fristsetzung gegenüber dem Beklagten persönlich nicht erforderlich. Der Beklagte war nur in seiner Eigenschaft als Verwalter zur Herausgabe des Stahls verpflichtet. Persönlich traf ihn keine entsprechende Verpflichtung. Er haftet (nur) auf Schadensersatz, wenn und soweit er ihm gegenüber den Verfahrensbeteiligten obliegende Verwalterpflichten nicht erfüllt und diesen dadurch Schaden zugefügt hat.

bb) Nach allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts wird ein Schadensersatzanspruch regelmäßig nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Geschädigte sich wegen des entstandenen Vermögensnachteils auch an einen Dritten halten kann (BGHZ 120, 261, 268; BGH, Urt. v. 24. Januar 1997 – V ZR 294/95, WM 1997, 1062, 1063; v. 26. Juni 1997 – IX ZR 233/96, NJW 1997, 2946, 2948; v. 19. Juli 2001 – IX ZR 62/00, WM 2001, 1605, 1607). Das folgt schon aus § 255 BGB. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der Geschädigte auch dann vollen Schadensersatz verlangen kann, wenn ihm zugleich ein Anspruch gegen einen Dritten zusteht. Haften die in Betracht kommenden Ersatzpflichtigen als Gesamtschuldner, kann der Gläubiger gemäß § 421 BGB nach seinem Belieben die Leistung ganz oder zu einem Teil von jedem der Schuldner fordern, ohne dass diese auf den jeweils anderen verweisen könnten.

c) Der Kläger war schließlich auch nicht aus Rechtsgründen verpflichtet, zunächst den Anspruch gegen die Masse durchzusetzen oder dies zumindest zu versuchen. Der Anspruch aus § 82 KO gegen den Verwalter persönlich steht gleichrangig neben einem Anspruch aus anderem Rechtsgrund gegen die Masse (RGZ 144, 179, 182; BGH, Urt. v. 3. Juni 1958 – VIII ZR 326/56, LM § 82 KO Nr. 1; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 82 KO Anm. 1d; Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse, S. 138 f; Lüke, Die persönliche Haftung des Konkursverwalters, S. 192 ff., K. Schmidt, KTS 1976, 191, 206; vgl. auch MünchKomm-InsO/Brandes, §§ 60, 61 Rn. 112; Braun, InsO 2. Aufl. § 60 Rn. 28; Smid, InsO 2. Aufl. § 60 Rn. 28; Nerlich/Römermann/Abeltshauser, InsO § 60 Rn. 52; aA Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 82 Rn. 2c, 14; Johlke WuB VI B § 82 KO 1. 88). Eine Primärhaftung der Masse, die Ansprüche gegen den Verwalter persönlich zunächst ausschließt, ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Sie folgt auch nicht (entgegen Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 82 Rn. 2c) aus einer entsprechenden Anwendung der Zurechnungsnorm des § 31 BGB, die es ermöglichen soll, die Masse für die Verletzung vertraglicher oder deliktischer Pflichten durch den Verwalter haften zu lassen. Haften sowohl der Verwalter persönlich als auch die Masse, folgt daraus kein Vorrang des einen oder des anderen Anspruchs. Vom 1. Februar 1996 an hätte der Kläger den Beklagten also sowohl persönlich als auch in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens in Anspruch nehmen können.

d) Der Kläger kannte alle tatsächlichen Umstände, die einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch gegen den Beklagten persönlich begründeten. Das gilt insbesondere für die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung und den fruchtlosen Ablauf der gesetzten Frist. Ob er wusste, dass neben dem Anspruch gegen die Masse ein Anspruch gegen den Beklagten persönlich bestand, der innerhalb von drei Jahren verjährte, ist für den Beginn der Verjährungsfrist nicht von Bedeutung. Bei Eingang der Klage am 17. Januar 2000 war die Frist des § 852 BGB von drei Jahren längst verstrichen; der Anspruch aus § 82 KO war verjährt.

III.
Nicht bestehen bleiben kann das Urteil, soweit es den hilfsweise geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Schadensersatz hinsichtlich der Kosten des Vorprozesses 25 O 179/97 aberkannt hat.

1. Grundlage dieses Anspruchs ist ebenfalls § 82 KO. Der Schadensersatzprozess gegen die Masse wurde deshalb erforderlich, weil der Beklagte als Konkursverwalter den titulierten Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Stahlträger und Stahlplatten nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

Dadurch, dass der Beklagte den nach § 283 BGB a. F. entstandenen Schadensersatzanspruch nicht unverzüglich erfüllt hat, sondern es auf einen weiteren Prozess gegen die Masse hat ankommen lassen, hat er erneut gegen konkursspezifische Pflichten gegenüber dem Kläger als Aussonderungsberechtigten verstoßen.

a) Grundsätzlich obliegen dem Konkursverwalter bei Führung eines Prozesses keine konkursspezifischen Pflichten gegenüber dem Prozessgegner.

Die Konkursordnung begründet keine Verpflichtung des Verwalters, vor der Erhebung einer Klage oder während des Prozesses die Interessen des Prozessgegners an einer eventuellen Erstattung seiner Kosten zu berücksichtigen (BGHZ 148, 175, 179; BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004 – IX ZR 142/03, WM 2005, 180, 181, z. V. b. in BGHZ 161, 236). Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Verwalter nicht Kläger, sondern Beklagter eines Zivilprozesses ist.

b) Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber um den Anspruch eines Aussonderungsberechtigten, dessen Aussonderungsrecht der Beklagte durch die Nichterfüllung des Herausgabeanspruchs innerhalb der gemäß § 283 BGB a. F. gesetzten Nachfrist endgültig vereitelt hatte. Die konkursspezifischen Pflichten des Verwalters einem solchen Gläubiger gegenüber enden nicht mit dem Unmöglichwerden der Herausgabe, sondern setzen sich hinsichtlich etwaiger Sekundäransprüche – hier: des Anspruchs aus § 283 BGB a. F. – fort.

Andernfalls würde der Verwalter Vorteile aus seinem vorangegangenen pflichtwidrigen Verhalten ziehen. Ebenso, wie er das Recht eines aussonderungsberechtigten Gläubigers zu respektieren hat, hat er dessen berechtigte Schadensersatzansprüche zu erfüllen. Unterlässt er dies, haftet er ebenso aus § 82 KO, wie er für die Verletzung von Aussonderungsrechten einzustehen hätte. Diese Haftung kann auch die Kosten eines Prozesses umfassen, den der Gläubiger aufgrund eines in dieser Hinsicht pflichtwidrigen Verhaltens des Verwalters führen muss und die er wegen der später eingetretenen Unzulänglichkeit der Masse nicht erstattet erhält.

2. Dieser Schadensersatzanspruch unterliegt einer eigenen Verjährung.

a) Hat eine einzige, in sich abgeschlossene Verletzungshandlung mehrere Schadensfolgen ausgelöst, beginnt nach dem Grundsatz der Schadenseinheit (BGHZ 33, 112, 116; 67, 372, 373; BGH, Urt. v. 3. Juni 1997 – VI ZR 71/96, BGHR § 852 Abs. 1 Folgeschäden 1; Urt. v. 24. Mai 2005 – IX ZR 114/01, WM 2005, 1421, 1422) die Verjährungsfrist bereits, sobald irgendein (Teil-) Schaden entstanden ist. Das gilt auch für nachträglich auftretende, zunächst also nur drohende Folgen, die überhaupt als möglich vorhersehbar sind. Haben sich hingegen mehrere selbstständige Handlungen des Schädigers ausgewirkt, so beginnt die Verjährungsfrist regelmäßig mit den jeweils dadurch verursachten Schäden gesondert zu laufen (BGHZ 71, 86, 94; BGH, Urt. v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648, 650; v. 12. Februar 1998 – IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 788; v. 14. Juli 2005 – IX ZR 284/01, WM 2005, 2106, 2107).

b) Die Pflicht, berechtigte Schadensersatzansprüche eines zuvor aussonderungsberechtigten Gläubigers zu erfüllen, schließt an die Pflicht zur Wahrung des Aussonderungsrechts an. Sie umfasst in der Regel jedoch die erneute Prüfung des Rechts des Gläubigers und des Schadensumfangs. Fehler führen zu neuen, selbstständigen Schadensersatzansprüchen, die selbstständig verjähren.

c) Der durch die Nichterfüllung des Schadensersatzanspruchs verursachte Kostenschaden ist mit Zustellung der am 21. Oktober 1997 bei Gericht eingegangen Klage im Verfahren LG Hildesheim 25 O 179/97 eingetreten. Ein Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten entsteht – aufschiebend bedingt – bereits mit der Zustellung der Klage (BGH, Urt. v. 6. Dezember 1974 – V ZR 86/73, WM 1975, 97, 98; v. 5. Juli 1988 – IX ZR 7/88, ZIP 1988, 1068; v. 25. Mai 1992 – V ZR 108/91, NJW 1992, 2575; Beschl. v. 17. März 2005 – IX ZB 247/03, ZIP 2005, 817, 818). Frühestens damit begann auch die Verjährungsfrist. Diese Frist ist rechtzeitig vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist des § 852 BGB a. F. unterbrochen worden (§ 209 Abs. 1 BGB a. F.). Der Kläger hat die Klage erstmals im Schriftsatz vom 27. Juni 2000 auch auf die Kosten des Vorprozesses gestützt.

Dieser Schriftsatz, der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingegangen ist, ist – zu Recht – nicht förmlich zugestellt worden.

Rechtshängig wurde der Anspruch mit Zustellung der Berufungsbegründung am 4. Oktober 2000, die am 29. September 2000 – damit rechtzeitig – bei Gericht eingegangen ist.

IV.
1. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz des Wertes des nicht herausgegebenen Stahls sind weitergehende Feststellungen nicht erforderlich (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a. F.). Es bleibt bei dem klagabweisenden Urteil des Berufungsgerichts.

2. Ob die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erstattung der anteiligen Kosten des Vorprozesses erfüllt sind, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem bisherigen Vorbringen der Parteien nicht entnehmen.

Der Beklagte war auch im Hinblick auf die übrigen Verfahrensbeteiligten nur verpflichtet, berechtigte Ansprüche des Klägers zu erfüllen, die aus der unterlassenen Herausgabe des im Eigentum des Klägers stehenden Stahls entstanden waren. Ob und in welcher Höhe der Kläger den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert hatte, bevor er die Klage einreichte, ergibt sich aus den Akten nicht. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das – nachdem es den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben hat – die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben wird (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a. F.).

3. Für die weitere Verhandlung der Sache weist der Senat auf folgende rechtliche Gesichtspunkte hin:

a) Der Anspruch wird gegebenenfalls nicht die gesamten Kosten des Vorprozesses LG Hildesheim 25 O 179/97 umfassen, sondern nur denjenigen Teil, der auf den Anspruch auf Schadensersatz für den nicht herausgegebenen Stahl entfällt. Der Kläger hatte in jenem Prozess nicht nur Schadensersatz verlangt, sondern auch weiteren Mietzins. Insoweit gelten jedoch die allgemeinen Grundsätze. Den Verwalter treffen keine konkursspezifischen Pflichten hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs des Prozessgegners (vgl. BGHZ 148, 175, 179; BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004, aaO).

b) Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers wird nicht wegen eines Mitverschuldens (§ 254 BGB a. F.) zu kürzen sein.

aa) Die Vorschrift des § 254 BGB enthält eine Ausprägung des in § 242 BGB festgelegten Grundsatzes von Treu und Glauben. Sie beruht auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss, weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig erscheint, dass jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert (BGHZ 135, 235, 240; BGH, Urt. v. 22. September 1981 – VI ZR 144/79, NJW 1982, 168).

bb) Die Identifizierung des Stahls wäre für den Kläger mit beträchtlichem Aufwand verbunden gewesen. Der Stahl befand sich weder an der früheren Baustelle in Bremerhaven noch auf dem Betriebsgelände der Gemeinschuldnerin, sondern bei der He. GmbH in Lehrte; der Kläger betreibt seinen Stahlhandel jedoch in Dortmund. Vor allem aber lässt sich weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Vorbringen des Beklagten entnehmen, dass die Mitwirkung des Klägers unbedingt erforderlich war. Die Stahlträger und Bleche sind zwar im Prozess des Beklagten gegen die He. GmbH einerseits, im Prozess des Klägers gegen den Beklagten andererseits unterschiedlich beschrieben worden; auch die jeweils angegebenen Maße stimmen nicht überein.

Der Geschäftsführer He. der He. GmbH, welche die Stahlträger ausgebaut hat, war jedoch zugleich der frühere Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, welche die Stahlträger zuvor eingebaut hatte. Der Gemeinschuldner ist grundsätzlich verpflichtet, an der Verwaltung und Verwertung des zur Masse gehörenden Vermögens mitzuwirken (Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 117 Rn. 13a ff). Die Erfüllung dieser Pflicht hätte der Beklagte erforderlichenfalls gemäß § 101 Abs. 2 KO erzwingen können. Seinem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass er – nachdem er den Titel gegen die He. GmbH erwirkt hatte – überhaupt irgendetwas unternommen hat, um die He. GmbH zur Herausgabe des Stahls zu veranlassen.

cc) Die Vorschrift des § 254 Abs. 1 BGB a. F. setzt überdies voraus, dass sich das Verschulden des Geschädigten bei der Entstehung des Schadens ausgewirkt hat. Ein Unterlassen ist dann für einen Erfolg kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte (BGH, Urt. v. 17. Oktober 2002 – IX ZR 3/01, WM 2002, 2325, 2326). Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 254 BGB – damit auch für die Kausalität des beanstandeten Verhaltens des Geschädigten für den eingetretenen Schaden – ist der Schädiger (BGH, Urt. v. 29. September 1998 – VI ZR 296/97, NJW 1998, 3706, 3707). Jeglicher Vortrag des Beklagten dazu fehlt.

OLG Düsseldorf; Urteil vom 18.07.1997 Az.: 22 U 3/97

Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin erbringt Software-Leistungen.

Die Beklagte, die bundesweit Baumärkte und Selbstbedienungs-Warenhäuser betreibt, wollte für ihren Geschäftssitz in D. und die daran angebundenen Filialen ein zentrales EDV-Warenwirtschaftssystem in den Bereichen Bestellwesen, Rechnungsprüfung, Wareneingang, Lagerbestand, Bestandsänderungen und Inventur einführen. Hierzu unterzeichneten die Parteien am 31.1.1990 einen von der Klägerin gestellten „Service-Vertrag für Systemberatung“ mit dem Titel „Systemanalyse für die Entwicklung eines Warenwirtschaftssystems“ (Bl. 25 GA). Als „Gegenstand der Dienstleistungen“ sind „Ist-Analyse und Erstellung eines Soll-Konzeptes“ angegeben. Am 27.3.1990 übergab die Klägerin der Beklagten ihr schriftliches „Ergebnis der Systemanalyse für die Entwicklung und Einführung eines Warenwirtschaftssystems mit Filialanbindung für das Datenbanksystem IBM System AS/400“ (Auszug in Anlage B 1), auf dessen Grundlage die Parteien ihre Zusammenarbeit fortsetzten. Am 27.4.1990 unterzeichneten sie einen weiteren Formularvertrag der Klägerin mit dem Titel „Modifikation und Programmierung der Stammdaten AS/400“ (Bl. 26 GA). In der Rubrik „Gegenstand der Dienstleistungen“ ist auf die „Systemanalyse vom 27.3.1990“ verwiesen. Ferner sind ein auf Stundenlohnbasis errechneter Schätzpreis in Höhe von 118.980,- DM (netto) und als „geplantes Enddatum“ der 30.6.1990 eingetragen.

In der Folgezeit erteilte die Klägerin Einzelrechnungen, welche die Beklagte bis ca. Ende 1991 in Höhe von mindestens 1.031.389,60 DM beglich. Danach lehnte sie Zahlungen ab und forderte die Klägerin mit diversen Schreiben (Anlagen B 6 – 8, 10 – 14, 17) zur Beseitigung von Mängeln auf. Zudem legte sie unter dem 9.3.1992 einen „Anforderungskatalog WWS-Stammdaten“ vor (Anlage B 5). Als sich herausstellte, daß die Klägerin die Kosten der Fertigstellung mit weiteren 900.000,- DM veranschlagte, kam es im Herbst 1992 zur Beendigung der Vertrages (Bl. 67 GA). Die Beklagte erwarb eine andere Software, die sie seither ohne Beanstandung nutzt.

Mit der Klage verlangt die Klägerin die Bezahlung von 15 Rechnungen (Bl. 27 – 46 GA) in Höhe von insgesamt 149.972,13 DM für von Dezember 1991 bis zur Vertragsbeendigung erbrachte Leistungen.

Sie hat vorgetragen: Die Beklagte schulde die Rechnungsbeträge als Dienstlohn. Die Parteien hätten keinen Werkvertrag, sondern einen Dienstvertrag geschlossen. Sie habe von der Beklagten Dienstleistungsaufträge erhalten mit dem Inhalt, deren Mitarbeiter bei der Konzeption eines EDV-Warenwirtschaftssystems zu unterstützen. Demgemäß fehle ein Pflichtenheft und somit eine für den Werkvertrag charakteristische Leistungsbeschreibung. Sie habe sämtliche berechneten Leistungen vertragsgemäß erbracht. Die angesetzten Zeiten für Besprechungen hätten der weiteren Konzeption gedient, so daß diese ebenfalls zu vergüten seien. Updates hätten Änderungswünsche der Beklagten zum Gegenstand gehabt. Die berechneten Dokumentationen seien erstellt worden. Durch die Eröffnung neuer Filialen der Beklagten habe sich die Ablauforganisation häufig geändert, woraus ständig neue Warenwirtschaftsanforderungen erwachsen seien. Der fehlende Erfolg des Warenwirtschaftsprojektes sei auf den Zeitmangel der Mitarbeiter der Beklagten für Planungs- und Entscheidungsgespräche sowie für den Test der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Programme und die Erfassung der Stammdaten zurückzuführen.

(…)

Die Beklagte (… trägt vor), es habe ein Werkvertrag bestanden, weil die Klägerin sich zur Ablieferung eines auf ihre Verhältnisse abgestimmten funktionierenden Warenwirtschaftsprogramms verpflichtet habe. Dem stehe nicht entgegen, daß die schriftliche Dokumentation über den Leistungsinhalt unzulänglich gewesen sei und ein Pflichtenheft gefehlt habe. Umfang und Inhalt der von der Klägerin zu erbringenden Leistung ergäben sich im wesentlichen aus den Protokollen des Lenkungsausschusses in Verbindung mit den Erfordernissen, die an die Funktionsfähigkeit und Praktikabilität eines auf ihre betrieblichen Notwendigkeiten zugeschnittenen Warenwirtschaftssystems zu stellen seien sowie nach dem Standard der Datentechnik. In den installierten Modulen sei es ständig zu Problemen, Fehlern und Änderungsnotwendigkeiten gekommen. Die Klägerin habe zu keiner Zeit eine dem Stand der Technik und den individuellen Erfordernissen genügende Software geliefert. Die Mängel würden dokumentiert durch die vorgelegten Fehlerprotokolle, das Workshop-Protokoll vom 7.2.1992 und den Anforderungskatalog vom 9.3.1992. Im Hinblick darauf, daß die Klägerin für die Mängelbeseitigung 200.000,- DM verlangt und für die übrigen Module zusätzliche 700.000,- DM kalkuliert habe, sei sie nicht mehr gehalten gewesen, ihr eine Nachfrist zu setzen, zumal die bis dahin gerügten Mängel ohnehin nicht oder nur in geringem Umfang beseitigt worden seien. Im übrigen seien die Rechnungen sachlich nicht gerechtfertigt.

Durch Urteil vom 26.11.1996 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Trotz der Bezeichnung der Leistungen in § 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen der Klägerin handele es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien nicht um einen Dienst-, sondern um einen Werkvertrag, den die Beklagte gekündigt habe. Dadurch habe sich der Gegenstand des Werkvertrages auf das bis dahin erbrachte Teilwerk beschränkt. Die von der Klägerin entwickelten und installierten Programme arbeiteten unstreitig nicht fehlerfrei und seien für die Beklagte unbrauchbar. Daher stehe der Klägerin die begehrte Vergütung nicht zu. Zudem habe sie trotz der Hinweise der Kammer im Verhandlungstermin vom 5.11.1996 nicht dargetan, daß der mit der Klage geltend gemachte Vergütungsanspruch sich ausschließlich auf mängelfreie Arbeiten im Rahmen des ihr erteilten Auftrages beziehe.

(…)

Mit der Berufung gegen dieses Urteil verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter. Sie trägt vor: Sie habe nur die Arbeitsleistung als solche geschuldet. An mehreren Stellen im Vertrag sei von zu erbringenden „Dienstleistungen“ die Rede. Auch in den Protokollen habe die Beklagte selbst von „Dienstleistungen“ gesprochen. Entscheidend für die Einordnung des Vertrages als Dienstvertrag sei aber die Vereinbarung von Stundensätzen und das in § 2 der „Allgemeinen Vertragsbedingungen“ geregelte folgenlose Kündigungsrecht der Beklagten. Dementsprechend hätten die Parteien ein körperlich faßbares Ergebnis zu Beginn der Zusammenarbeit nicht beschreiben können, weil die Entwicklung nicht vorhersehbar gewesen sei. So habe auch kein Pflichtenheft erstellt werden können. Erst als die Beklagte im Februar 1992 konzeptionelle Probleme geltend gemacht habe, sei beschlossen worden, einen Anforderungskatalog und ein Pflichtenheft zu erarbeiten. Sie habe Tätigkeiten ausgeführt, die selbst unter sonst werkvertraglichen Bedingungen als Dienstleistungen einzuordnen wären. Immerhin habe die Beklagte bis Ende 1991 insgesamt 1.031.389,60 DM gezahlt, was als ihre Zustimmung zu werten sei. Im übrigen habe man sich nach Gesprächspunkt 3 des Protokolls vom 12.6.1992 (Anlage T 42) auf geschätzte Kosten für die Realisierung des Anforderungskataloges von 200.000,- DM, gegebenenfalls mit einem Nachlaß in Höhe von 15.000,- DM für den Wegfall bestimmter Maßnahmen, verständigt. Es sei mithin nicht nur die Leistungserbringung bis dahin nicht in Frage gestellt worden, sondern man habe sich auch auf die Berechtigung der bis dahin erhobenen Forderungen und die Kosten für die Fortsetzung der Arbeiten geeinigt.

(…)

Die Beklagte (…) trägt vor:
Bereits der Auftrag vom 31.1.1990 habe eine Systemanalyse für die Entwicklung eines Warenwirtschaftssystems zum Gegenstand gehabt und die Klägerin daher ein sogenanntes Pflichtenheft erstellen müssen. Die Leistungen der Klägerin hätten sich nur verzögert, weil sie dieser Pflicht nicht genügend nachgekommen sei. Die Anzahl der Filialen sei für das Funktionieren des Systems unwichtig gewesen, so daß die Klägerin nicht darauf verweisen könne, daß im Verlauf des Projektes neue Filialen hinzugekommen seien. Zu Recht sei das Landgericht als unstreitig davon ausgegangen, daß die Leistungen der Klägerin mangelhaft gewesen seien. Besonders gravierend sei die unzumutbar lange Laufzeit der einzelnen Arbeitsvorgänge gewesen, insbesondere bei der Erstellung der Filial- und Lieferantenlisten und im Dialog. Es hätten zukünftige Daten für Preisänderungen nicht eingegeben werden können und Mängel in der sogenannten Preispflege bestanden.

(…)

Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 149.972,13 DM gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

I.
1. Zu Recht hat das Landgericht den von den Parteien am 27.4.1990 geschlossenen Vertrag als Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB gewertet. Das Wesen des Werkvertrages liegt in der Erfolgsbezogenheit der Unternehmerverpflichtung. Selbst wenn diese darin besteht, durch Arbeit oder Dienstleistung einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, konzentriert sich das rechtliche Interesse des Bestellers nicht auf den Vorgang der Werkserrichtung an sich oder auf die dabei entfaltete Tätigkeit, sondern auf das Ergebnis dieses Handelns (vgl. MünchKomm-Soergel, BGB, 2. Aufl. § 631 Rdn. 4). So liegen die Dinge auch hier. Das Interesse der Beklagten war darauf gerichtet, für ihre Zentrale und die angeschlossenen Filialen ein EDV-Warenwirtschaftssystem zu erhalten. Daß dafür umfangreiche Beratungsleistungen und sonstige, eher dienstvertragstypische Leistungen, etwa die Schulung ihrer Mitarbeiter, erforderlich waren, trat gegenüber dem angestrebten Werkerfolg zurück. In der Rechtsprechung ist im übrigen anerkannt, daß die Erstellung einer einsatzreifen, auf die speziellen Bedürfnisse des Bestellers abgestimmten Individualsoftware dem Werkvertragsrecht unterliegt (vgl. BGHZ 102,135, 141 = BGH NJW 1988, 406, 407 = CR 1988, 124, 126; NJW 1990, 3011, 3012 = CR 1990, 707, 708; OLG Koblenz NJW-RR 1992, 688, 689; Senat NJW-RR 1996, 821 = CR 1996, 214/215).

Im vorliegenden Fall gilt nichts anderes. Die von der Klägerin für einen Dienstvertrag (§ 611 BGB) vorgebrachten Argumente greifen nicht durch. Ob die Vertragsparteien einen Werkvertrag oder einen Dienstvertrag abgeschlossen haben, ist durch Auslegung der Vertragserklärungen zu ermitteln. Insoweit ist zwar festzustellen, daß in den in den Vertrag vom 27.4.1990 (Bl. 26 GA) einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin an verschiedenen Stellen von einem „Dienstvertrag“ (§ 6) oder von „Dienstleistungen“ (u.a.: Gegenstand der Dienstleistungen; §§ 1, 2) die Rede ist. Indes hat sich die rechtliche Einordnung vorrangig an dem wirklichen Parteiwillen zu orientieren. Maßgebend ist daher der vereinbarte Vertragszweck, der – wie angeführt – auf ein funktionierendes Warenwirtschaftssystem gerichtet war. Da nur die Klägerin über die erforderliche EDV-Kenntnisse verfügte – Herr T. , der den Anforderungskatalog der Beklagten erstellte, wurde erst ab Oktober 1991 für diese tätig – war von Beginn an klar, daß die Klägerin die notwendigen Leistungen selbst erbringen sollte. Das Funktionieren des Warenwirtschaftssystem sollte ihr als Erfolg zuzurechnen sein. Dies umfaßte auch das Risiko etwaiger Programmierungsmängel. Zwar ist in § 6 der „Allgemeinen Vertragsbedingungen“ geregelt, daß Gewährleistungsansprüche nicht entstehen sollen, danach die Beklagte als Auftraggeberin die Vergütungsgefahr – untypisch für einen Werkvertrag – zu tragen hatte. Tatsächlich wurde dies jedoch nicht so gehandhabt. Vielmehr führt die Klägerin selbst an, der Beklagten die unstreitig durchgeführten Fehlerbeseitigungsarbeiten nicht in Rechnung gestellt zu haben. Dies deutet darauf hin, daß sie sich selbst mit dem Risiko einer mangelhaften Leistung belastet sah.

Ohne Erfolg verweist die Klägerin zur Begründung eines Dienstvertrages auf das in § 2 ihrer „Allgemeinen Vertragsbedingungen“ eingeräumte Kündigungsrecht der Beklagten. Dieses entspricht keineswegs nur einer dienstvertraglichen Regelung. Denn auch nach dem Werkvertragsrecht kann der Auftraggeber jederzeit kündigen (§ 649 BGB). Soweit die Klägerin hervorhebt, die Kündigung sei darüber hinaus folgenlos zulässig gewesen (Bl. 146 GA), kann dies § 2 der „Allgemeinen Vertragsbedingungen“ nicht zweifelsfrei entnommen werden, weil die Rechtsfolgen einer Kündigung dort jedenfalls nicht ausdrücklich geregelt sind.

Auch die Vergütungsart – Abrechnung auf Stundenlohnbasis gemäß § 7 der „Allgemeinen Vertragsbedingungen“ – spricht nicht für den rechtlichen Charakter des Vertragsverhältnisses als Dienstvertrag. Zwar wird der Dienstverpflichtete typischerweise nach der Zeit seiner Tätigkeit entlohnt, der Werkunternehmer hingegen nach dem erbrachten Leistungserfolg. Eine allgemeine Regel läßt sich daraus aber nicht herleiten. Auch im Werkvertragsrecht ist die Vereinbarung von Stundenlöhnen nicht unüblich. Zu Recht verweist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf, daß eine Vergütung nach Stundenlohn im Baugewerbe der Annahme eines Werkvertrages gerade nicht entgegen stehe. Gleiches gilt im übrigen für den Werkvertrag des zur Anfertigung eines Gutachten verpflichteten Sachverständigen. Daß die Parteien die Form der Abrechnung nach Stundenaufwand wählten, hindert die Annahme eines Werkvertrages danach nicht (vgl. hierzu auch BGH NJW 1993, 1972 = WM 1993, 1474, 1475 = LM H.8/1993 § 649 BGB Nr. 23).

Ein Werkvertrag scheidet auch nicht aus, weil ein Pflichtenheft und damit eine konkrete Leistungsbeschreibung bei Vertragsbeginn fehlten. Dabei kann dahinstehen, ob, wie die Beklagte meint, schon das schriftliche „Ergebnis der Systemanalyse“ gemäß Vertrag vom 31.1.1990 (Anlage B 1) ein Pflichtenheft darstellt, was zu verneinen wäre, wenn man darunter eine endgültige, in die Einzelheiten gehende Konkretisierung der Aufgabenstellung versteht (vgl. Zahrnt, CR 1994, 404; vgl. auch Schaub, CR 1993, 329, 330). Denn auch ohne Pflichtenheft läßt sich der für einen Werkvertrag typische Leistungserfolg hinreichend bestimmen. Dieser besteht in einer Softwarelösung entsprechend dem Stand der Technik bei einem mittleren Ausführungsstandard (vgl. BGH NJW-RR 1992, 556, 557 = CR 1992, 543, 544; LG Köln CR 1994, 624, 625; vgl. hierzu auch Schaub, CR 1993, 329, 331), mag eine solche nach dem Vertragsschluß auch noch einer näheren Konkretisierung bedürfen (vgl. OLG Düsseldorf CR 1993, 361, 362).

2. Ist nach dem Gesagten das Vertragsverhältnis der Parteien als Werkvertrag zu qualifizieren, steht der Klägerin der geforderte Werklohn gleichwohl nicht zu.

a) Unstreitig wurde der „Service-Vertrag für Systemberatung“ vom 27.4.1990 im Jahre 1992 beendet. Wie es dazu im einzelnen gekommen ist und welche Erklärungen die Parteien hierzu abgegeben haben, ist nicht mitgeteilt. Dies bedarf indes keiner näheren Aufklärung. Insbesondere kann offen bleiben, ob die Beklagte – wie das Landgericht angenommen hat (Seite 10 des Urteils, Bl. 122 R GA) – den Vertrag gekündigt hat und ihr hierfür ein wichtiger Grund zur Seite stand, oder ob die Parteien – wie von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgetragen (Bl. 154 GA) – das Vertragsverhältnis einvernehmlich gelöst haben. Denn die Klägerin macht lediglich Werklohn für Leistungen geltend, die sie bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses erbracht haben will. Auf die Vergütung erbrachter Leistungen hätte sie aber – unter den nachstehend genannten weiteren Voraussetzungen – in jedem Falle Anspruch, unabhängig davon, ob sie die Vertragsbeendigung zu vertreten hatte.

b) Der Vergütungsanspruch der Klägerin setzt voraus, daß sie bis zur Vertragsbeendigung die geschuldete Werkleistung teilweise erbracht und der Beklagten zur Verfügung gestellt hat und das Teilwerk/die Teilwerke frei von Mängeln ist/sind. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin indes nicht schlüssig dargetan. Daran scheitert ihr Anspruch. So legt sie nicht nachvollziehbar dar, welche Teilleistungen sie von Dezember 1991 bis zur Beendigung des Vertrages erbracht und der Beklagten übergeben hat, sondern behauptet nur pauschal, die berechneten Leistungen ausgeführt zu haben. Damit bleibt unklar, welche konkreten Teilergebnisse sie im einzelnen erzielt hat und wieso die geltend gemachte Vergütung auf diese Teilleistungen entfällt. Das erschließt sich auch nicht aus dem Inhalt der Rechnungen. Die dort angegebenen Leistungen sind so allgemein beschrieben, daß sie sich keiner bestimmten Teilleistung innerhalb des Warenwirtschaftssystems zuordnen lassen. Soweit die Klägerin behauptet, bestimmte Dokumentationen hergestellt zu haben, fehlt es zudem an der substantiierten Darlegung, worauf sich diese beziehen sollen und daß sie der Beklagten übergeben worden sind.

Ebensowenig legt die Klägerin dar, daß und welche Leistungen bei Vertragsbeendigung fehlerfrei waren. Die Beklagte beanstandet, daß die Laufzeiten der Bearbeitung der einzelnen Arbeitsvorgänge unzumutbar lang gewesen seien. Dies gelte insbesondere für die Erstellung der Filiallisten (Bl. 179 ff GA). Das Programm der Klägerin habe am 1.3.1992 allein für das Sammeln und Sortieren ohne Ausdruck der Listen 46 Stunden, am 15.6.1992 29,5 Stunden, am 15.7.1992 41 Stunden und am 1.12.1992 60 Stunden benötigt. Daß es solche Laufzeiten gab und diese für die Beklagte nicht hinnehmbar waren, stellt die Klägerin auch in ihrem Schriftsatz vom 13.6.1997 nicht in Abrede. Sie beruft sich vielmehr darauf, „Optimierungsvorschläge“ gemacht zu haben, ohne diese jedoch näher zu beschreiben und zu erläutern, welche Verbesserungen damit erzielt worden wären. Davon abgesehen müßte die Klägerin, um die Mangelfreiheit ihrer Leistung hinreichend darzulegen, erläutern, worauf die Laufzeitprobleme zurückzuführen waren und daß diese sich alsbald und mit zumutbarem Aufwand hätten beheben lassen. Auch daran fehlt es.

Ferner war das Programm bei Beendigung des Vertrages unstreitig nicht in der Lage, zukünftige Listungsdaten zu bearbeiten. Es leuchtet aber ein, daß die vorausschauende Planung der Beklagten und die Umsetzung in den Filialen es erforderten, auch künftige Änderungen von Stammdaten eingeben und abrufen zu können. Da nur so das Programm betriebswirtschaftlich effizient eingesetzt werden konnte, hätte die Klägerin dies von vorne herein entsprechend planen müssen. Soweit sie vorträgt (Bl. 197 GA), daß dafür noch ein „nicht unerheblicher Aufwand“ notwendig gewesen wäre, bestätigt dies nur noch die Fehlerhaftigkeit ihrer Leistung.

Angesichts der aufgezeigten Mängel kommt es für den in Rede stehenden Werklohnanspruch nicht mehr darauf an, ob zusätzlich die von der Beklagten darüber hinaus geltend gemachten Programmfehler (z.B. Dialogzeiten, Aufruf „Löschen“) vorlagen.

c) Schließlich wendet die Beklagte ein, der Klägerin stünden bereits die bislang gezahlten Vergütungen von mindestens 1.031.389,60 DM nicht zu, weil die abgelieferte Leistung insgesamt unbrauchbar sei. Dies verpflichtet die Klägerin, den mit der Klage geltend gemachten Spitzenbetrag von 149.972,13 DM auch mit Blick auf die schon erhaltene Vergütung zu rechtfertigen. Sie muß darzulegen, wieso sie für die von ihr bis zur Vertragsbeendigung erbrachten Teilleistungen nicht nur den vereinnahmten Betrag von mindestens 1.031.389,60 DM, sondern auch die streitigen Rechnungsbeträge verlangen kann. An solch zusammenfassenden Vortrag fehlt es ebenfalls.

3. Ein Zahlungsanspruch der Klägerin folgt auch nicht daraus, daß sich die Parteien in ihrer Besprechung vom 12.6.1992 auf die Bezahlung der streitigen Rechnungen geeinigt hätten. Das dahingehende Vorbringen der Klägerin (Bl. 152/153 GA) ist nicht nachvollziehbar und daher unsubstantiiert, weil sich aus dem überreichten Protokoll, Gesprächspunkt 3 (Anlage T 42) eine solche Einigung gerade nicht ergibt, sondern danach die Beklagte über die von der Klägerin mitgeteilten Kosten und das weitere Vorgehen erst noch entscheiden sollte, wie insbesondere aus dem Terminvorschlag über das weitere Vorgehen (letzte Seite des Protokolls: „Entscheidung Götzen…bis 17.07.92“) erhellt.

(…)

Kammergericht Berlin entscheidet:

Kurzmitteilung

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Zum formgerechten Nachweis der Vertretungsbefugnis des directors einer in Großbritannien gegründeten und registrierten Private Company Limited By Shares genügt eine notarielle Bescheinigung gemäß § 21 BNotO, wenn eine Zweigniederlassung der Gesellschaft im inländischen Handelsregister eingetragen ist und der der Notar seine Erkenntnisse aus der Einsicht in dieses Register erworben hat.
KG Berlin, Beschluss vom 28.03.2013, Az.: 1 W 434/12

Geschäftsführerhaftung verschärft

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der Bundesgerichtshof verschärfte einmal mehr die Anforderungen an den Geschäftsführer einer GmbH mit der Folge, dass das Haftungsrisiko erhöht wurde.

Im Leitsatz der Entscheidung BGH, Urteil vom 19. 6. 2012 – II ZR 243/11 heisst es lapidar: „Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht.“ Das ist nichts neues, sondern lediglich eine Bestätigung der Rechtsprechung aus BGH, Urteil vom 20. Februar 1995 – II ZR 9/94. Die Haftungsverschärfung findet sich jedoch im Detail:

Im zugrunde liegenden Fall war der Beklagte alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Über deren Vermögen wurde auf Eigenantrag am 16. November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Er verlangte von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. Zahlungen ersetzt, die zwischen Januar und Oktober 2004 zu Lasten des Gesellschaftsvermögens geleistet wurden. Der Kläger behauptete, bereits seit Ende 2003 sei die GmbH zahlungsunfähig und überschuldet gewesen.

Das Kammergericht Berlin urteilte noch zu Gunsten des Geschäftsführers. In der Begründung führte es aus:

Es könne nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin zum 31. Dezember 2003 zahlungsunfähig gewesen sei. … Ob die Schuldnerin zum 31. Dezember 2003 überschuldet gewesen sei, könne offen bleiben, da der Beklagte zu diesem Zeitpunkt – unabhängig von seinen kaufmännischen Kenntnissen – eine etwaige Überschuldung nicht habe erkennen können. Anzeichen einer Krise hätten zum Jahreswechsel 2003/2004 nicht vorgelegen. Aus betriebswirtschaftlichen Auswertungen habe eine Überschuldung nicht entnommen werden können, da dort grundsätzlich keine Rückstellungen für künftige Verbindlichkeiten ausgewiesen würden. Frühestens Anfang Mai 2004, nach dem Zugang des Bescheids der Berufsgenossenschaft, habe für den Beklagten Anlass bestanden, die Vermögenslage der Schuldnerin näher zu überprüfen. Dass die Schuldnerin zu diesem späteren Zeitpunkt (noch) überschuldet gewesen sei, habe der Kläger aber nicht dargetan.

Dies liess der BGH nicht genügen. Er merkte dazu an:

„Mit rechtsfehlerhafter Begründung ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, die an den Entlastungsbeweis des Geschäftsführers zu stellenden Anforderungen seien im Streitfall erfüllt. Ob der Geschäftsführer seiner Pflicht zur laufenden Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und näheren Überprüfung im Falle krisenhafter Anzeichen hinreichend nachgekommen ist, kann nur unter umfassender Berücksichtigung der für die Gesellschaft wirtschaftlich relevanten Umstände beurteilt werden, die dem Geschäftsführer bekannt waren oder bekannt sein mussten. Dem Geschäftsführer, der die Vermutung schuldhaften Verhaltens zu widerlegen hat, obliegt es, die Gründe vorzutragen und zu erläutern, die ihn gehindert haben, eine tatsächlich bestehende Insolvenzreife der Gesellschaft zu erkennen. Bei der Bewertung dieses Vorbringens ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für eine Organisation sorgen muss, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (BGH, Urteil vom 20. Februar 1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 43 Rn. 23; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 35 Rn. 33). Gemessen hieran sind die Erwägungen unzureichend, mit denen das Berufungsgericht angenommen hat, die – mögliche – Überschuldung der Schuldnerin Ende 2003 sei für den Beklagten nicht erkennbar gewesen. … Die Würdigung des Berufungsgerichts erfasst nicht alle für die Erkennbarkeit einer Überschuldung im Streitfall wesentlichen Gesichtspunkte. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Bilanz zum 31. Dezember 2002 sei ausgeglichen gewesen und die Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2002 habe einen Gewinn von knapp 160. 000 € ausgewiesen. Liquidität sei ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 2003 in einer Höhe von circa 300. 000 € und damit ausreichend vorhanden gewesen. Die Schuldnerin habe ihre laufenden Zahlungen nicht einstellen oder beschränken müssen. Sie habe unstreitig fortlaufend weitere Einnahmen erzielt, die ihr in dieser Zeit eine Erfüllung der im laufenden Geschäftsbetrieb entstehenden Verbindlichkeiten innerhalb der gesetzten Zahlungsziele ermöglicht hätten. Diese Feststellungen betreffen einerseits die bilanzielle Situation der Schuldnerin ein Jahr vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt und andererseits die Frage der Zahlungsfähigkeit. Sie schließen eine mögliche Überschuldung zum 31. Dezember 2003 und deren Erkennbarkeit für den Beklagten nicht aus. Offen bleibt insbesondere, ob (nicht sofort fällige) Verbindlichkeiten in beträchtlicher Größenordnung aufgelaufen waren und der Beklagte dies hätte bemerken müssen. Weiter zieht das Berufungsgericht zwar in Betracht, dass die – mögliche – Überschuldung für den Beklagten mit Zugang des Bescheids der Berufsgenossenschaft vom 30. April 2004 erkennbar geworden sei, befasst sich aber nicht mit der naheliegenden Frage, ob der Beklagte mit dem Bestehen und der ungefähren Höhe der aus den Jahren 2002 und 2003 herrührenden Beitragsforderungen nicht schon zum Jahreswechsel 2003/2004 rechnen musste. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Erkennbarkeit der (möglichen) Überschuldung aufgrund der betriebswirtschaftlichen Auswertungen nicht deshalb von vornherein auszuschließen, weil dort grundsätzlich keine Rückstellungen für künftige Verbindlichkeiten ausgewiesen werden. Denn derartige Rückstellungen müssen, worauf die Revision zu Recht hinweist, dem mit der gebotenen Sorgfalt handelnden Geschäftsführer ohnehin bekannt sein. Es obliegt dem Beklagten, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass sich aus dem Inhalt der betriebswirtschaftlichen Auswertungen in Verbindung mit dem Kenntnisstand, der von ihm als Geschäftsführer außerdem zu erwarten war, keine Anhaltspunkte für eine Überschuldung ergaben.“

Mit diesem (und weiteren) Hinweisen hat der BGH den Fall zur Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen, auf dass dieses der Klage stattgebe.

Bundesgerichtshof Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 52/12 – Pippi Langstrumpf

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Unternehmen dürfen mit literarischen Figuren werben, solange sie nur „ein paar“ äußere Merkmale der Figur übernehmen: Der Bundesgerichtshof hat jetzt dem Discounter Penny recht gegeben, der mit einer Figur Werbung gemacht hatte, die an Pippi Langstrumpf angelehnt war.

Die Fotos zeigten ein Mädchen und eine junge Frau im Pippi-Look. Der Discounter Penny-Markt hatte 2010 ohne Einwilligung der schwedischen Rechteinhaber mit den Bildern für Karnevalskostüme geworben. Penny verkaufte bundesweit insgesamt rund 15.000 dieser Kostüme. Das Kinderkostüm kostete 5,99 Euro und das für Erwachsene 9,99 Euro.

Gegen die Werbung ist die Erbengemeinschaft der 2002 verstorbenen Pippi-Langstrumpf-Schöpferin Astrid Lindgren (Saltkråkan AB) vorgegangen. Sie sah in den Fotos eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf. Die Saltkråkan AB verlangte vom Discounter Schadensersatz in Höhe von 50.000 Euro.

Doch der Bundesgerichtshof wies die Klage der Schweden, die in beiden Vorinstanzen noch erfolgreich war, ab, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt war.

In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs heißt es:

„Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die von Astrid Lindgren in ihren Kinderbüchern geschaffene Figur der „Pippi Langstrumpf“ als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG Urheberrechtsschutz genießt. Voraussetzung für den Schutz eines fiktiven Charakters ist es, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dies ist bei der Figur der „Pippi Langstrumpf“ der Fall. Schon die äußeren Merkmale fallen aus dem Rahmen (karottenfarbene Haare, die zu zwei abstehenden Zöpfen geflochten sind, eine Nase voller Sommersprossen, die die Form einer kleinen Kartoffel hat, breiter lachender Mund, gelbes Kleid, darunter eine blaue Hose, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf, viel zu große Schuhe). Dazu treten ganz besondere Persönlichkeitsmerkmale: Trotz schwieriger familiärer Verhältnisse ist Pippi Langstrumpf stets fröhlich; sie zeichnet sich durch eine ausgeprägte Furcht- und Respektlosigkeit, gepaart mit Fantasie und Wortwitz, aus und verfügt über übermenschliche Kräfte.

Allerdings fehlt es im Streitfall an einer Verletzung des Urheberrechts. Zwar erkennt der Betrachter, dass es sich bei den Figuren in der Werbung der Beklagten um Pippi Langstrumpf handeln soll. Das ändert aber nichts daran, dass diese in der Werbung verwendeten Figuren nur wenige Merkmale übernehmen, die für den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf maßgeblich sind. Der Schutz einer literarischen Figur als Sprachwerk kommt in Betracht, wenn diese Figur durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben wird. Das Urheberrecht an einer solchen Figur wird nicht schon dadurch verletzt, dass lediglich wenige äußere Merkmale übernommen werden, die für sich genommen den Urheberrechtsschutz nicht begründen könnten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte für die Figuren in den angegriffenen Abbildungen lediglich die Haare in Farbe und Form, die Sommersprossen und – ganz allgemein – den Kleidungstil der Pippi Langstrumpf übernommen. Diese Elemente mögen zwar ausreichen, um Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu wecken und um zu erkennen, dass es sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln soll. Sie genügen aber nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur der Pippi Langstrumpf zu begründen und nehmen daher auch nicht isoliert am Schutz der literarischen Figur teil.“

Das Urheberrecht ist damit um eine neue Bewertungsfrage reicher: Diese lautet, wann übernimmt die Nachahmung einer literarischen Figur (oder eines sonstigen Urheberrechtsschutz geniessenden Wekres) so viele Elemente des Originals, dass diese Elemente den Urheberrechtsschutz begründen können? Reichen zwei von fünf Merkmalen? Oder müssen es vier von fünf Merkmalen sein? Wie sieht es bei neun Merkmalen aus? Reicht die Übernahme von vier, fünf oder sechs Merkmalen?

Bleiben wir erst mal gespannt, was der BGH selbst dazu sagt, wenn das Urteil veröffentlicht werden wird.

Aserbaidschan gegen „aserbeidschan.de“ (Namensrecht)

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Das KG Berlin entschied am 07.06.2013 darueber, ob der Staat Aserbaidschan das Recht hat, dem Inhaber der Internetdomain „aserbeidschan.de“ die Nutzung zu untersagen (KG Berlin, Aktenzeichen: 5 U 110/12, Namensrecht). Dies bejahte das Kammergericht mit folgender Argumentation:

„Mit Recht hat das Landgericht den eingeklagten Unterlassungsanspruch gemäß § 12 BGB zugesprochen. Eine unberechtigte Namensanmaßung nach § 12 Satz 1 Fall 2 BGB liegt vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt werden. (BGH GRUR 2012, 534, Rn. 8 – Landgut Borsig). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt und es besteht auch Wiederholungsgefahr. Im Einzelnen:

a) Der Klägerin steht als Gebietskörperschaft ein durch § 12 BGB geschütztes Recht an ihrem Namen Aserbaidschan zu. Aufgrund dieser Bezeichnung kann sie unter denselben Voraussetzungen wie ein anderer Namensträger gegen einen nichtberechtigten Dritten vorgehen (BGH GRUR 2007, 259, Rn. 14 – solingen.info; vgl. auch BGH GRUR 2012, 651, Rn. 19 – regierung-oberfranken.de).

aa) Der von der Berufung vertretenen Auffassung, die Klägerin könne – ohne diesbezügliche Verkehrsgeltung zum Zeitpunkt der Domainregistrierung im Jahr 2003 – keinen Namensschutz für eine von ihrer offiziellen Bezeichnung abweichende Bezeichnung – hier: Aserbaidschan – beanspruchen, kann nicht beigetreten werden.

Entscheidend ist der im Inland herrschende Sprachgebrauch. Der Name, der für eine bestimmte Gebietskörperschaft im Inland gemeinhin benutzt wird, genießt den Schutz des § 12 BGB (vgl. auch schon Senat, Beschl. v. 29.05.2007 – 5 U 153/06, teilw. abgedruckt in MMR 2007, 600 – tschechische-republik.at/.ch/.com). Fremdsprachlich wirkende und für Inländer häufig schwierig auszusprechende Staatsnamen werden zumeist (wie im Übrigen häufig auch sonstige „ausländische“ Namen) in die Inlandssprache – hier: ins Deutsche – „übersetzt“. Das ist dem Gericht offenkundig (§ 291 ZPO), was mit den Parteien im Termin erörtert wurde und auch unwidersprochen geblieben ist. Es gibt beispielsweise kaum einen europäischen Staat, der im Deutschen genauso bezeichnet wird wie in der jeweiligen – nichtdeutschen – eigenen Sprache (Ausnahme etwa: Portugal). Und wenn das so ist, dann ist – ohne dass dies einer rechtlichen Vertiefung bedürfte – diese deutsche Übersetzung des Staatsnamens Gegenstand des Namensschutzes nach § 12 BGB. Insofern gilt für (das in Vorderasien gelegene) Aserbaidschan nichts anderes (und galt auch schon zum Zeitpunkt der Domainregistrierung, worauf gemäß BGH GRUR 2008, 1099, Rn. 32 – afilias.de – abzustellen ist, im Jahre 2003 nichts anderes) als beispielsweise für Frankreich, Spanien oder Estland.

Dass in anderer Weise als mit Republik Aserbaidschan zu „übersetzen“ wäre, behauptet auch die Berufung nicht. Damit aber genießt die Klägerin für die zuletzt genannte Bezeichnung Namensschutz nach § 12 BGB (zur Frage des hier in Fortfall geratenden Bestandteils „Republik“ siehe weiter unten). Die vom Landgericht mithin in zustimmungswürdiger Weise getroffene Feststellung, dass die Klägerin im allgemeinen inländischen Sprachgebrauch als „Aserbaidschan“ bzw. „Republik Aserbaidschan“ bezeichnet wird, wird zudem belegt beispielsweise durch die in den klägerseits als Anlagenkonvolute K 9 und K 12 vorgelegten Unterlagen.

Sonach besteht ein entsprechendes Namensrecht der Klägerin unabhängig davon, ob sie selbst und/oder die deutsche Fassung ihres Namens „Aserbaidschan“ in Deutschland allgemein bekannt ist [so auch OLG Frankfurt, Urt. v. 15.01.2013 – 11 U 106/12 (Kart), S. 6 = Bd. II Bl. 28 d.A.].

bb) Entgegen der Berufung folgt aus BGHZ 155, 273 – maxem.de – nichts anderes. Nach dieser Entscheidung ist das Pseudonym einer (natürlichen) Person namensrechtlichem Schutz dann zugänglich, wenn der Verwender unter diesem Namen im Verkehr bekannt ist, also mit diesem Namen Verkehrsgeltung besitzt. Im Streitfall steht keine natürliche Person mit einem von ihrem bürgerlichen Namen abweichenden Pseudonym in Rede, sondern ein Staat mit seinem „wortgetreu ins Deutsche übersetzten“ offiziellen Staatsnamen.

cc) Dass hier gegen den Beklagten Namensschutz nicht für „Republik Aserbaidschan“, sondern für „Aserbaidschan“ beansprucht wird, ist unschädlich. Der Namensschutz beschränkt sich nicht auf den vollständigen offiziellen Namen in seiner Gesamtheit, sondern erstreckt sich auch auf Fälle der Benutzung des die Gesamtbezeichnung prägenden Namenskerns, so wie er üblicherweise (wenn man so will: „schlagwortartig“) benutzt wird. So ist es hier. Das Element „Republik“ bezeichnet die Staatsform und wird im allgemeinen Sprachgebrauch normalerweise nicht verwendet. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist, um bei den bereits genannten Beispielen zu bleiben, üblicherweise von Frankreich, Spanien, und Estland die Rede und nicht von „Französische Republik“, „Königreich Spanien“ und „Republik Estland“. Nicht anders verhält es sich für Aserbaidschan. Im Übrigen beschränkt sich der namensrechtliche Schutz, den die Klägerin beanspruchen kann, ohnehin nicht auf den Namen, den sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts führt (vgl. BGHZ 161, 216, 220 – Pro Fide Catholica).

dd) Vorstehendes mag anders sein in Fällen der Existenz mehrerer gleich- oder ähnlichnamiger (geteilter) Staaten, wie etwa im Falle des von den Beklagtenvertretern in der Berufungsverhandlung angeführten Korea-Beispiels, wo man sich häufiger veranlasst sehen mag, zu Unterscheidungs- und Klarstellungszwecken die Staatsform des jeweils gemeinten Staats (oder beispielsweise auch ein geographisches Abgrenzungsmerkmal – etwa „Nord…“ bzw. „Süd…“) hinzuzufügen.

Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Es gibt – neben der Klägerin – keinen weiteren Staat mit der Bezeichnung „Aserbaidschan“. Es mag – wie die Berufung anführt – im Nordwesten des Iran eine Region mit der Bezeichnung „Aserbaidschan“ geben. Das ändert aber – wie das Landgericht im Ergebnis mit Recht angenommen hat – nichts daran, dass die Klägerin in Deutschland mit diesem Begriff bezeichnet wird. Denn zum einen ist besagte Region kein (weiterer) Staat. Und zum anderen ist diese (neben der Klägerin bestehende) Existenz einer so bezeichneten Region der Bevölkerung im Inland weitest gehend unbekannt (Gegenteiliges behauptet auch die Berufung nicht). Der Senat (Einzelrichter) kann das vorstehend skizzierte Verkehrsverständnis zum Begriff „Aserbaidschan“ (als Bezeichnung für den Staat, der hier die Klägerin ist) unter Heranziehung der Lebenserfahrung, selbst tatrichterlich so würdigen, da der Beklagte sich mit der streitgegenständlichen Domain an das allgemeine Publikum richtet (vgl. dazu auch BGH GRUR 2012, 1053, Rn. 22 – Marktführer Sport).

ee) Der zuletzt genannte Umstand (Koexistenz der Klägerin und einer – im Inland weithin unbekannten – nordwestiranischen Region gleicher Bezeichnung) ist – entgegen der Berufung – nicht dem Sachverhalt vergleichbar, der der – klageabweisenden – Entscheidung des OLG Brandenburg GRUR-RR 2008, 105 – schlaubetal.de – zugrunde lag. Nach den dortigen Feststellungen klagte dort – anders als hier – keine Gebietskörperschaft, sondern das so bezeichnete „Amt Schlaubetal“ welches – wenn auch Körperschaft des öffentlichen Rechts – „quasi eine Verwaltungseinrichtung“ (§ 1 Abs. 1 AmtsO BB) darstellt (vgl. OLG Brandenburg a.a.O. S. 106). Des Weiteren wird – ebenfalls nach den dortigen Feststellungen (a.a.O.) – mit Schlaubetal ein 227 qkm großes Tal (Naturpark) charakterisiert, durch das der Fluss „Schlaube“ fließt. Von dieser Region nimmt das klagende „Amt Schlaubetal“ nur das nördliche Gebiet ein, was das OLG Brandenburg zum Anlass genommen hat, dem Begriff „Schlaubetal“ die Namensfunktion abzusprechen (a.a.O.).

So ist es hier nicht. Hier klagt kein „Amt“ (i.S. von § 1 Abs. 1 AmtsO BB), sondern eine Gebietskörperschaft, nämlich ein Staat als völkerrechtlich anerkanntes Rechtssubjekt Es mag im Land Brandenburg so sein, dass dort unter „Schlaubetal“ gemeinhin eine dortige Region (Naturpark von 227 qkm) verstanden wird und kein „Amt “ i.S. von § 1 Abs. 1 AmtsO BB mit diesbezüglicher Bezeichnung. Anders verhält es sich aber mit dem Begriff „Aserbaidschan“ im inländischen Sprachgebrauch. Damit wird (und wurde auch schon 2003) gerade keine Region, sondern ein bestimmter Staat, nämlich die Klägerin verstanden, nicht dagegen eine sich davon unterscheidende weitere Region im Nordwesten Irans (was der Senat [Einzelrichter] wiederum alles kraft eigenen Erfahrungswissens so beurteilen kann [vgl. BGH GRUR 2012, 1053, Rn. 22 – Marktführer Sport] und beurteilt).

Entgegen der Annahme der Berufung handelt es also (auch unter diesem Gesichtspunkt) bei der Bezeichnung „Aserbaidschan“ nicht etwa um ein Wort des allgemeinen Sprachgebrauchs oder eine Gattungsbezeichnung ohne originäre Unterscheidungskraft [vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 15.01.2013 – 11 U 106/12 (Kart), S. 6 = Bd. II Bl. 28 d.A.].

b) Der Beklagte benutzte den Namen „Aserbaidschan“ im Sinne des § 12 BGB (schon dadurch), dass er die Domain aserbaidschan.de registriert hat (sie überdies registriert hielt und unter dieser Domain im Wege der Weiterleitung Inhalte ins Netz stellte). Ein Name wird im Sinne des § 12 BGB gebraucht, wenn durch seine Benutzung eine erkennbare Beziehung zu dem Namensträger hergestellt wird (Senat, Urt. v. 15.03.2013 – 5 U 41/12, S. 7 – berlin.com). Das ist hier der Fall. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auch der Auffassung der Berufung entgegenzutreten, der Beklagte verwende den Bestandteil „aserbaidschan“ der Domain nicht als Namen, sondern als Ortsbezeichnung mit lediglich beschreibendem Charakter.

Wird ein fremder Name – auch der Name einer Gebietskörperschaft – als Internetadresse benutzt, werden die Voraussetzungen einer unberechtigten Namensanmaßung in ständiger – auch aktueller – höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig bejaht (vgl. z.B. BGH GRUR 2007, 259, Rn. 14 – solingen.info), und zwar auch schon im Fall der bloßen Registrierung (vgl. BGH GRUR 2012, 651, Rn. 19 – regierung-oberfranken.de; BGH GRUR 2012, 304, Rn. 29 – Basler Haar-Kosmetik; BGH GRUR 2013, 294, Rn. 14 – dlg.de). Mit Blick auf die vorstehend zitierten aktuellen Judikate zielt die Auffassung der Berufung ins Leere, angesichts eines seit 2001 veränderten Nutzerverhaltens bei der Internetrecherche sei die aus jener Zeit herrührende Rechtsprechung (vgl. BGHZ 149, 191, 198 – shell.de) überholt. Ein diesbezüglicher Paradigmenwechsel wäre auch nach Auffassung des Senats (Einzelrichter) in der Tat nicht angebracht. Selbst wenn in vielen – keineswegs allen oder fast allen – Fällen Internetinhalte nicht über die Eingabe naheliegender Internetadressen in die Browserzeile sondern über Suchmaschinen angesteuert werden (was moderne Browser ohnehin technisch kombinieren, worauf die Berufungserwiderung mit Recht hinweist), so werden die Domains – wenn diese nicht ohnehin auch einen Faktor darstellen, um die Reihenfolge in der Trefferliste („Suchmaschinenranking“) zu beeinflussen – in der Trefferliste jedenfalls der populärsten Suchmaschine (Google) mit angegeben und sind damit geeignet, neben den „Snippet-Texten“ das Auswahlverhalten des Suchenden bei Betrachtung der Trefferliste ebenfalls zu beeinflussen. Nach allem sieht der Senat (Einzelrichter) genauso wenig einen Anlass, von besagter ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aktuell abzukehren, wie jener offenbar selbst.

c) Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte den Namen „Aserbaidschan“ unbefugt gebraucht hat. Denn ihm stehen keine eigenen Rechte an dem Namen zu und er kann sich auch nicht auf die Rechte eines Dritten berufen (vgl. Senat, Urt. v. 15.03.2013 – 5 U 41/12, S. 8 – berlin.com – m.w.N.). Insbesondere wurde weder durch die Registrierung noch durch die (wenn möglicherweise auch jahrelange) Benutzung der Domain „aserbaidschan.de“ (bspw. zur Weiterleitung auf einen Internetauftritt der von ihm gehaltenen P… GmbH, welcher freilich keinen erkennbaren inhaltlichen Bezug zu Aserbaidschan aufweist; insbesondere zwar ein Angebot von Reisen, nicht aber von Reisen nach Aserbaidschan enthält) ein entsprechendes anderweitiges Recht erworben (vgl. Senat a.a.O. – berlin.com – S. 8 f., m.w.N.).

d) Der unbefugte Namensgebrauch hat ferner – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – zu einer Zuordnungsverwirrung und zu einer Verletzung schutzwürdiger Interessen der Klägerin geführt.

aa) Verwendet ein Dritter einen fremden Namen namensmäßig im Rahmen einer Internetadresse, tritt eine Zuordnungsverwirrung ein, weil der Verkehr in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen, nicht sogleich als Gattungsbegriff verstandenen Zeichens als Internetadresse einen Hinweis auf den Namen des Betreibers des jeweiligen Internetauftritts sieht. Wird der eigene Name durch einen Nichtberechtigten als Domain unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain „.de” registriert, wird dadurch über die Zuordnungsverwirrung hinaus ein besonders schutzwürdiges Interesse des Namensträgers beeinträchtigt, da die mit dieser Bezeichnung gebildete Internet-Adresse nur einmal vergeben werden kann (BGH GRUR 2012, 304, Rn. 39 – Basler Haar-Kosmetik).

bb) Die von der Verwendung der Second-Level-Domain „aserbaidschan“ ausgehende Zuordnungsverwirrung und Verletzung schutzwürdiger Interessen der Klägerin besteht auch bei einer Kombination mit der Top-Level-Domain „.de“, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat. Ein berechtigtes Interesse zur Verwendung der Top-Level-Domain „.de“ kann auch bei einer ausländischen Person bestehen, die etwa unter dieser Domain deutschsprachige Inhalte zugänglich machen möchte (so für ein ausländisches Unternehmen BGH GRUR 2013, 294, Rn. 17 – dlg.de).

Daher hält die Berufung Vorstehendem auch vergeblich entgegen, der deutsche Internetnutzer erwarte hinter einer „.de-Domain“ ein in Deutschland seine Dienste erbringendes Unternehmen, jedoch im Regelfall nicht einen anderen Staat als Inhaber einer solchen Domain.

Der Internetnutzer orientiert sich bei der Zuordnung der Domain zu einem Namensträger primär an der Second-Level-Domain, hier „aserbaidschan“ (vgl. BGH GRUR 2007, 259, Rn. 18 – solingen.info). Ein demgegenüber insoweit möglicherweise ausgemachter „Widerspruch“ zwischen Top- und Second-Level-Domain besteht jedenfalls für die hier in Rede stehende Kombination des Staatsnamens X als Second-Level-Domain mit der auf einen anderen Staat Y hinweisenden Top-Level-Domain auch nicht. Letztere weist nämlich den Betrachter nicht etwa auf die Nationalität des Domaininhabers, sondern auf das Land der Registrierung hin. Demzufolge lässt „aserbaidschan.de“ meinen, dass sich die Klägerin diese Domain bei der deutschen Domainvergabestelle habe registrieren lassen (so schon Senat MMR 2007, 600 f. – tschechische-republik.at/.ch/.com). Diese Sichtweise steht, wie der Senat bereits früher ausgeführt hat und worauf er verweist, nicht in Widerspruch zu (ohnehin insoweit nicht tragenden) Ausführungen in BGH GRUR 2007, 259 – solingen.info – und der dortigen Vorinstanz OLG Düsseldorf GRUR 2007, 259, mit Blick auf eine (dort als solche gar nicht streitgegenständliche) Domain „karlsruhe.at“ [vgl. Senat, Beschl. v. 29.05.2007 – 5 U 153/06 – juris Rn. 7, 8, 26 (insoweit nicht vollständig abgedruckt in MMR 2007, 600 f. – tschechische-republik.at/.ch/.com)]. Die vorstehenden Feststellungen zu einer Zuordnungsverwirrung durch die Verbindung des Namens einer Gebietskörperschaft mit der Top-Level-Domain „.de“ kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde treffen (vgl. auch BGH GRUR 2007, 259, Rn. 20 – solingen.info).

cc) Zwar mag hier eine Verwirrung über die Identität des Betreibers für sich genommen nicht besonders schwer gewirkt haben, sofern man davon ausgeht, dass diese durch die sich – nach Weiterleitung – öffnende Internetseite rasch wieder beseitigt worden ist. Aber auch eine geringe Zuordnungsverwirrung reicht für die Namensanmaßung aus, wenn dadurch – wie hier – das berechtigte Interesse des Namensträgers in besonderem Maße beeinträchtigt wird (BGHZ 155, 273, 276 – maxem.de).

dd) Mit Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang dem Vorbringen des Beklagten zu existierenden Domains in der Kombination „X.de“ (wobei X für eine Staatsbezeichnung steht), welche nicht vom Staat „X“ sondern von Dritten geführt werden (vgl. Anlage B 11), mit dem Argument keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, dass dies an dem Tatbestand einer Namensverletzung – eben auch in allen diesen Fällen – nichts ändert (vgl. auch schon Senat MMR 2007, 600 f. – tschechische-republik.at/.ch/.com) und dass es Sache der jeweiligen Staaten ist, hiergegen vorzugehen oder aber eben – aus welchen Gründen auch immer – auch nicht.

Die Existenz solcher Domains – mögen es auch sehr viele sein – belegt nicht ein entsprechendes Verkehrsverständnis, denn ob diese überhaupt ernsthaft betrieben werden und in nennenswertem Umfang vom Verkehr aufgesucht und wahrgenommen werden, steht nicht fest. Belegt ist somit entgegen der Auffassung der Berufung keine Verkehrsübung, sondern allenfalls ein mannigfaltiger (wenn auch bislang unverfolgt gebliebener) Rechtsbruch.

Auch der von der Berufung in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachte Aspekt einer „gespaltenen Verkehrsauffassung“ [vgl. dazu BGH GRUR 2004, 947 – Gazoz (berichtigter Leitsatz in GRUR 2005 60); BGH GRUR 2013, 631 – AMARULA/Marulablu] ändert an Vorstehendem nichts. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Annahme einer gespaltenen Verkehrsauffassung mit dem Begriff der Verwechslungsgefahr als Rechtsbegriff (und für den Rechtsbegriff der Zuordnungsverwirrung gilt insoweit nichts anderes) nicht zu vereinbaren. Eine andere Beurteilung ist nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn von den sich gegenüberstehenden Zeichen verschiedene Verkehrskreise angesprochen sind, die sich – wie etwa der allgemeine Verkehr und Fachkreise oder unterschiedliche Sprachkreise – objektiv voneinander abgrenzen lassen. Nur in einem solchen – hier aber nicht vorliegenden – Fall reicht es für die Bejahung eines Verletzungstatbestands aus, wenn Verwechslungsgefahr (bzw. hier: Zuordnungsverwirrung) bei einem der angesprochenen Verkehrskreise besteht (vgl. BGH GRUR 2013, 631, Rn. 64 – AMARULA/Marulablu).

e) Im Rahmen der bei Namensrechtsverletzungen gebotenen Interessenabwägung kann der Nichtberechtigte sich in der Regel nicht auf schützenswerte Belange berufen, die zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären (vgl. BGH GRUR 2008, 1099, Rn. 27 – afilias.de). Dies gilt auch hier, zumal der unter aserbaidschan.de (per Weiterleitung vormals) erreichte Internetauftritt mit Aserbaidschan überhaupt nichts zu tun hatte, wurden dort zwar Reisen, aber keine solchen nach Aserbaidschan angeboten. Dass die Domain bereits seit 2003 registriert, aber erst 2011 von der Klägerin beanstandet worden ist, führt – entgegen ausführlichem mündlichen Berufungsvorbringen in der Verhandlung – zu keinem anderen Ergebnis. Bereits die Registrierung war ein Namensrechtsbruch. Die Perpetuierung dieses Rechtsbruchs kann ihn nicht zugleich entfallen lassen. Im Übrigen ist ein irgendwie geartetes sachliches Interesse des Beklagten an der Nutzung gerade der Domain „aserbaidschan.de“ auch weder ersichtlich noch vorgetragen, und zwar auch nicht ein solches, zwischen 2003 und 2011 entstandenes. Wie ausgeführt stand die seitens des Beklagten erfolgte Domain-Nutzung niemals in einem irgendwie gearteten Sachzusammenhang zu Aserbaidschan (und zwar weder zum Staat Aserbaidschan noch zu der von der Berufung hier zusätzlich ins Spiel gebrachten Region Aserbaidschan im Nordwesten Irans).

f) Vom (Fort-) Bestand einer Wiederholungsgefahr (i.S. von § 12 Satz 2 BGB) ist auszugehen. Der diesbezüglich – kraft Verletzungshandlung und fehlender strafbewehrter Unterlassungserklärung – bestehenden Vermutung steht nicht entgegen, dass die DENIC das bezüglich der streitgegenständlichen Domain mit dem Beklagten eingegangene Vertragsverhältnis außerordentlich gekündigt und die Domain insoweit gelöscht hat und dass die Klägerin aufgrund eines zu ihren Gunsten eingetragenen „Disputes“ als eingetragene Domaininhaberin nachgerückt ist.

Denn der Beklagte behält sich vor, gegenüber der Denic diesen aktuellen Zustand – nach insoweit verlorenem Eilverfahren weiterhin – rechtlich zu bekämpfen, so dass es – auch je nach künftigem Verhalten der DENIC – nicht schlechterdings ausgeschlossen erscheint, dass der Beklagte ohne Unterlassungsverurteilung künftig wieder ungehindert in der Lage wäre, die streitgegenständliche Domain auf sich zu registrieren.

Dessen ungeachtet entfällt die Wiederholungsgefahr selbst dann nicht, wenn der Verletzer eine angegriffene Domain – wie hier nicht einmal – aufgibt (OLG Karlsruhe AfP 1999, 378, 379 – badwildbad.com) oder dem Verletzten anbietet (OLG München GRUR 2000, 519 – rollsroyce.de). Auch entfällt die Wiederholungsgefahr nicht einmal dann ohne Weiteres, wenn die Domain – wie im Streitfalle – durch den Berechtigten selbst übernommen wird, und zwar schon deshalb nicht, weil eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungshandlung, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen begründet (BGH GRUR 2009, 772, Rn. 29 – Augsburger Puppenkiste), sodass es hier auch eine Neuregistrierung der Domain in nur unwesentlich abgewandelter Schreibweise durch den Beklagten zu verhindern gilt (vgl. auch Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Vor §§ 14-19d Rn. 88).

2. Aus allem Vorstehenden folgt zugleich, dass das Landgericht den Beklagten auch zu Recht zur Freigabe der streitgegenständlichen Domain im Wege einer gegenüber der DENIC abzugebenden diesbezüglichen Verzichtserklärung verurteilt hat.

a) Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis lässt sich einer solchen Klage nicht mit Erfolg entgegen halten, auch wenn die DENIC dem Beklagten besagte Domain mittlerweile („zugunsten“ der Klägerin) „entzogen“ hat. Denn nur durch eine solche Verzichtserklärung lässt es sich aus Sicht der Klägerin (nach Maßgabe des § 894 Satz 1 ZPO) sicherstellen, das es bei dem derzeit bestehenden Rechtszustand (rechtsverbindlich für den Beklagten auch im Verhältnis zur DENIC) verbleibt und nicht vom Beklagten (beispielsweise durch Erhebung einer Hauptsachenklage gegen die DENIC) mit Erfolg wiederum in Frage gestellt werden kann. Auch in diesem Zusammenhang ist in Rechnung zu stellen, dass der Beklagte die ihm gegenüber seitens der DENIC erfolgte Kündigung nicht hinnimmt und eine Hauptsachenklage gegen die DENIC lediglich „bisher“ nicht erhoben hat (Sitzungsprotokoll v. 07.06.2013, Bd. II Bl. 56 d.A.).

b) Der Freigabeanspruch folgt – wie der Unterlassungsanspruch (siehe oben) – aus § 12 BGB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor (siehe oben). Die insoweit begehrte Rechtsfolge ergibt sich zugunsten der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Störungsbeseitigung (vgl. nur BGH GRUR 2012, 30, Rn. 29 – Basler Haar-Kosmetik). Der Freigabeanspruch ist noch nicht erfüllt. Dem Beklagten ist die Domain „entzogen“ worden, was er für rechtswidrig hält. Freigegeben hat er die Domain (bislang) nicht und auch nicht darauf verzichtet. Deshalb hat ihn das Landgericht mit Recht dahin gehend verurteilt.

3. Mit Recht hat das Landgericht der Widerklage den Erfolg insgesamt versagt, weil sie unbegründet ist. Dem Beklagten stehen die dort haupt- und hilfsweise geltend gemachten Ansprüche allesamt nicht zu, weil die Klägerin ihm gegenüber – wie aus den Ausführungen zur Klage folgt – hinsichtlich des insoweit allein in Rede stehenden Anspruchs aus § 12 BGB die in jeder Hinsicht „besseren“ Rechte zustehen. Auf die Frage, ob die in Rede stehende, von der DENIC gegenüber dem Beklagten ausgesprochene Kündigung rechtswirksam ist, kommt es im hier alleine in Rede stehenden Verhältnis des Beklagten zur Klägerin nicht an. Selbst wenn die Kündigung – aus welchem Grund auch immer – unwirksam sein sollte, kann der Beklagte gegenüber der Klägerin daraus keine Rechte herleiten.“

Novelle des Urheberrechts 2013

Der Bundestag hat jetzt das neue Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet, das überhöhte Abmahngebühren zurückdrängen soll. Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats und ist noch nicht in Kraft getreten. Es kann daher auch noch Änderungen geben. Der geplante Gesetzestext lautet:

㤠97 a UrhG (neue Fassung)

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.

(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise:
– Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
– die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
– geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz-und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln
– und wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Nummern 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000.- Euro, wenn der Abgemahnte
– eine natürliche Person ist,
– die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
– nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.

(4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

§ 104 a UrhG (neue Fassung)

(1) Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn die beklagte Person im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

(2) § 105 bleibt unberührt.“

Die geplanten Änderungen treten am Tag nach der Verkündung des neuen Gesetzes in Kraft. Eine Rückwirkung der Regelung auf bereits ausgesprochene Abmahnungen ist nicht vorgesehen. Die reinen Abmahnkosten werden damit für die erste Abmahnung gedeckelt.Daneben können aber auch künftig andere Gebühren und Schadensersatz geltend gemacht werden. Ausserdem kann der zu Unrecht abgemahnte nun Ersatz der ihm aus der Abmahnung entstehenden Kosten verlangen.

Filesharing: Zur aktuellen Rechtslage

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Ausgangssituation
Am Anfang steht ein Ermittlungsauftrag des Rechteinhabers an eine Anwaltskanzlei, die Weitergabe von Dateien ueber das Internet zu verfolgen. Die Kanzleien beauftragen sogenannte Antipiracy Firmen damit, IP-Adressen der Filesharer zu ermitteln und zu protokollieren.

Die Antipiracy-Firmen loggen sich in die P2P Netzwerke ein und starten eine Suchanfrage hinsichtlich der zu überwachenden Dateien. Auf diesem Wege erhalten sie die IP-Adresse der Nutzer, die später abgemahnt werden sollen. Um die zu den IP-Adressen gehoerigen Adressen zu erfahren werden die jeweiligen Provider gebeten, die Verbindungsdaten zu speichern, da der Verdacht einer Straftat bestehe. Die Antipiracy-Firmen leiten die IP-Adressen dann an die Kanzleien weiter.

Die Kanzlei stellt dann mit der IP-Adresse bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Unbekannt. Die zugehoerige Straftat ergibt sich aus § 106 Abs. 1 UrhG (Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke) Demnach gilt:

„Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die Staatsanwaltschaft fordert nun die zu der IP-Adresse gehörigen Verbindungsdaten vom Provider, der diese in der Regel bereits auf Bitten der Antipiracy-Firmen gespeichert hat. Die Kanzleien kommen nun durch Akteneinsicht an die Postanschrift des Nutzers. Es folgt die Abmahnung.

Rechtmaessigkeit der Datenweitergabe
Dabei ist die Rechtmaessigkeit der Weitergabe der Adressdaten an die Abmahner durchaus fraglich. Das Landgericht Frankenthal hat in einem Beschluss vom 21.05.2008 (Az.: 6 O 156/08) entschieden, dass die Weitergabe der Adressdaten gegen die Grundrechte der Betroffenen verstoesst.

Das Landgericht hatte in dem zu Grunde liegenden Fall den Unterlassungsanspruch der Abmahner zurückgewiesen. Die von der Staatsanwaltschaft an die Antragstellerin übermittelten Daten des Antragsgegners seien im zivilrechtlichen Verfahren unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts zur Verwertbarkeit von unter Verletzung von Grundrechten erlangten Beweismitteln (BVerfG, NJW 2002, 3619, 3624) nicht verwertbar. Eine solche Grundrechtsverletzung sah das Landgericht Frankenthal in der Übermittlung der gespeicherten Telekommunikationsdaten. Fuer die dynamischen IP-Adresse eines Internet-Anschlussinhabers nebst den dazu gehörigen Kundendaten bestehe ein strenger Schutz, insbesondere unterlaegen sie dem Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG). Diese Daten dürften nur dann – von dem Provider an staatliche Behörden (hier: Staatsanwaltschaft) – herausgegeben bzw. abgerufen und übermittelt werden, wenn der Verdacht auf Verübung einer schweren Straftat i.S.d. § 100a Abs. 2 StPO besteht. Dies sei bei einer Urheberrechtsverletzung nicht der Fall. Bereits in dem Abruf dieser Daten liege ein schwerwiegender und irreparabler Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 – Az. 1 BvR 256/08). Allein das Interesse eines Rechteinhabers, sich ein Beweismittel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zu sichern, reiche nicht aus, um einen Eingriff in die Grundrechte eines (vermeintlichen) Rechteverletzers (hier: Fernmeldegeheimnis, Art. 10 GG) aufgrund der Übermittlung von Verkehrsdaten (hier: dynamische IP-Adresse) zu rechtfertigen. Die Entscheidung des LG Frankenthals ist jedoch durch das OLG Zweibrücken mit Beschluss vom 26.09.2008 ( Az.: 4 W 62/08) aufgehoben worden.

Filesharing durch minderjaehrige Kinder: Eltern haften fuer die Kinder?
Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, ist gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nach § 832 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt. Das ist die gesetzliche Grundlage fuer den haeufig zu lesenden Satz: „Eltern haften fuer ihre Kinder“.

Ob die Eltern haftet haengt damit davon ab, ob die Eltern ihrer Aufsichtspflicht genuege getan haben.
Liest man sich die Filesharing Faelle mit Beteiligung Jugendlicher durch, kommt man allerdings zu folgender Erkenntnis: Die Gerichte schiessen in der Regel aus dem Umstand, dass Minderjaehrige Filesharing betrieben haben auf eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern. Immer waere es moeglich gewesen, das Filesharing der Kinder durch weitergehende Massnahmen zu verhindern. Eine Firewall muss eingerichtet werden, der Computer der Kinder muss regelmaessig kontrolliert werden, letzlich muss der Computer gesperrt werden, wenn alles nicht hilft.

Der Bundesgerichtshof hat nun in seinem Morpheus-Urteil vom 15. 11. 2012 (Az.: I ZR 74/12) die Kriterien fuer eine Verletzung der Aufsichtspflicht verbindlich aufgestellt. Dabei hat der BGH die Anforderungen an die Eltern auf ein vernuenftiges Mass zurueck gestutzt. In dem Urteil heisst es:

„Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Dabei hängt es hauptsächlich von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßahmen ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss (vgl. BGH, NJW 2009, 1952 Rn. 17; NJW 2009, 1954 Rn. 14, jeweils mwN).

Danach genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht.

Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

Es ist allerdings nicht zu bestreiten, dass erfahrungsgemäß Kinder und Jugendliche aus pädagogischen Gründen auferlegte Verbote gelegentlich übertreten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 26 – Jugendgefährdende Medien bei eBay). Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aber keine Verpflichtung der Eltern, ohne konkreten Anlass regelmäßig zu kontrollieren, ob ihr Kind bei der Nutzung von Computer und Internet ihm auferlegte Verbote beachtet.

Eine solche Verpflichtung widerspräche der gesetzlichen Wertung des § 1626 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach sollen die Eltern bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen. Mit diesem Erziehungsgrundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn Eltern die Nutzung des Internets durch ihr 13-jähriges Kind ohne konkreten Anlass regelmäßig kontrollieren müssten (vgl. Wenn, jurisPR-ITR 5/2008 Anm. 2; Krieg, jurisPR-ITR 16/2008 Anm. 3; Heckmann in jurisPK-Internetrecht, 3. Aufl., Kap. 3. 2 Rn. 81).

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass sich die Zumutbarkeit von Aufsichtsmaßnahmen nicht nur nach der Person des Aufsichtsbedürftigen, seiner Eigenart und seinem Charakter, sondern auch nach dem Ausmaß der Gefahr richtet, die außenstehenden Dritten durch das fragliche Verhalten des Aufsichtspflichtigen droht (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1996 – VI ZR 86/95, NJW 1996, 1404, 1405).

Das Ausmaß der Gefahr, die Dritten dadurch droht, dass ein Kind urheberrechtsverletzende Tauschbörsen nutzt, ist wesentlich geringer als beispielsweise die Gefahr, der Dritte durch das Fehlverhalten eines Kindes im Straßenverkehr oder beim Umgang mit Feuer ausgesetzt sind. Die massenhafte Nutzung von Tauschbörsen beeinträchtigt die urheberrechtlich geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsinhaber zwar auch dann ganz erheblich, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht (BGH, Beschluss vom 19. April 2012 – I ZB 80/11, GRUR 2012, 1026 Rn. 23 = WRP 2012, 1250 – Alles kann besser werden). Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung jedoch keine Verpflichtung von Eltern, die Nutzung des Internets durch ihre Kinder ohne konkreten Anhaltspunkt für derartige Rechtsverletzungen zu beschränken oder zu überwachen.

Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten ihrer Aufsichtspflicht dadurch genügt, dass sie ihrem Sohn die rechtswidrige Teilnahme an Internettauschbörsen nach einer entsprechenden Belehrung verboten haben. Die Beklagten haben vorgetragen, sie hätten mit ihren Kindern immer wieder über das Thema des illegalen Downloads von Musik und Filmen aus dem Internet diskutiert und ihnen dies ausdrücklich untersagt. Damit sind die Beklagten, wie auch das Berufungsgericht insoweit mit Recht angenommen hat, den an die Vorgabe von Verhaltensregeln zu stellenden Anforderungen nachgekommen.

Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, die Aufklärung des Sohnes über die Gefahren des illegalen Filesharing könne nicht so intensiv gewesen sein, wie die Beklagten behaupten; denn dieser habe bei seiner polizeilichen Vernehmung bekundet, er habe gar nicht gewusst, dass er die Lieder nicht nur herunterlade, sondern sie auch über eine Tauschbörse zur Verfügung stelle. Eine besonders intensive Belehrung war indessen im Blick darauf nicht erforderlich, dass es sich beim Sohn der Beklagten um ein normal entwickeltes, einsichtsfähiges und verhaltensunauffälliges 13-jähriges Kind handelte. Zu Überwachungsmaßnahmen waren die Beklagten dagegen nicht verpflichtet. Für die Beklagten beststanden keine Anhaltspunkte, dass sich ihr Sohn nicht an das ihm auferlegte Verbot hält. Sie waren daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder verpflichtet, ihren 13-jährigen Sohn etwa durch Installation einer Firewall oder eines Sicherheitsprogramms daran zu hindern, auf seinem Computer weitere Programme zu installieren, noch verpflichtet, ihn dadurch zu überwachen, dass sie seinen Computer beispielsweise durch eine monatliche Kontrolle der Softwareliste und des Computerdesktop nach bereits installierten Tauschbörsenprogrammen durchsuchen.“

Keinen Computer besessen
Wie eine erfolgreiche Verteidigung gegen den Abmahnvorwurf aussehen kann zeigt ein Fall des Landgerichts Muenchen. Im Urteil vom 22.03.2013, 21 S 28809/11, fuehrt das Gericht aus:
„Ihrer sekundaeren Darlegungslast ist die die Beklagte dadurch nachgekommen, dass sie erstinstanzlich vorgetragen hat, sie habe zum streitgegenstaendlichen Zeitpunkt keinen Computer mehr besessen, da sie ihn im Juni 2009 verkauft haette, sie habe keine weiteren internetfaehigen Geraetschften besessen, um Filesharing-Netzwerke nutzen zu koennen, sie habe keinen WLAN-Router, sondern nur einen sogenannten Splitter besessen, habe zum vermeintlichen Tatzeitpunkt alleine gewohnt und es habe keine bekannte Person den nur theoretisch vorhandenen, aber mangels Router nicht nutzbaren Internetanschluss der Beklagten verwendet.
Diese von der Beklagten im Rahmen ihrer sekunaeren Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen schliessen es – auch bei Anlegung eines nach Auffassung der Kammer anzulegenden strengen Massstabs an den Detailgrad und die Plausibilitaet des Saachvortrags – aus, dass die Klaegerin zum Tatzeitpunkt tatsaechlich selbst ueber den beauskunfteten Internetanschluss die Rechtsverletzung durch ein oeffentliches Zugaenglichmachen begangen hat. Dass sich in ihrer Besitz/ und Gewahrsamssphaere lediglich ein nicht zugangsfaehiger Splitter, jedoch kein DSL-Router oder WLAN-Router befunden hat und die Klaegerin nach ihrer Darlegung weder ueber einen
Computer noch ueber ein sonstiges internetfaehiges Geraet verfuegte, schliesst es aus, dass der vermutungsbegruendende Geschehensablauf einer eigenen Tatbegehung des Anschlussinhabers stattgefunden hat.“