Rat der Europäischen Union Pressemitteilung 9 Dezember 2023

Gesetz über künstliche Intelligenz: Rat und Parlament einigen sich über weltweit erste Regelung von KI

Nach dreitägigen Marathonverhandlungen haben der Ratsvorsitz und die Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments eine vorläufige Einigung über die vorgeschlagenen harmonisierten Vorschriften für künstliche Intelligenz – das sogenannte KI-Gesetz – erzielt. Mit dem Verordnungsentwurf soll gewährleistet werden, dass KI-Systeme, die auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht und in der Union verwendet werden, sicher sind und die Grundrechte und die Werte der EU wahren. Ziel dieses wegweisenden Vorschlags ist es auch, Investitionen und Innovationen im KI-Bereich in Europa anzuregen.

Dies ist eine historische Errungenschaft und ein großer Schritt in die Zukunft! Mit der heutigen Einigung gehen wir eine globale Herausforderung in einem technologischen Umfeld an, das im raschen Wandel begriffen ist, und das ein Schlüsselbereich für die Zukunft unserer Gesellschaften und Volkswirtschaften ist. Dabei ist es uns gelungen, ein äußerst empfindliches Gleichgewicht zu wahren, nämlich einerseits Innovationen und die Nutzung von künstlicher Intelligenz in Europa zu fördern und andererseits dafür zu sorgen, dass die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger uneingeschränkt geachtet werden. Carme Artigas, spanische Staatssekretärin für Digitalisierung und künstliche Intelligenz

Das KI-Gesetz ist eine legislative Leitinitiative und hat das Potenzial, die Entwicklung und Verbreitung sicherer und vertrauenswürdiger KI durch private und öffentliche Akteure im gesamten EU-Binnenmarkt zu fördern. Im Wesentlichen geht es darum, KI zu regulieren, da sie gesellschaftlichen Schaden anrichten könnte; dabei gilt es, einen „risikobasierten“ Ansatz zu verfolgen: Je höher das Risiko, desto strenger die Vorschriften. Als weltweit erster Legislativvorschlag dieser Art könnte er – wie schon die DSGVO – zu einem globalen Standard für die Regulierung von KI in anderen Rechtsräumen werden und so dem europäischen Ansatz bei der Regulierung von Technologien auf globaler Ebene größere Geltung verschaffen.

Wichtigste Bestandteile der vorläufigen Einigung

Im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag lassen sich die wichtigsten neuen Elemente der vorläufigen Einigung wie folgt zusammenfassen:

  • Vorschriften für KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck und beträchtlichen Auswirkungen, die zukünftig systemische Risiken verursachen können, sowie für Hochrisiko-KI-Systeme
  • ein überarbeitetes Governance-System mit bestimmten Durchsetzungsbefugnissen auf EU-Ebene
  • eine Erweiterung der Liste der Verbote, jedoch mit der Möglichkeit, den Strafverfolgungsbehörden vorbehaltlich bestimmter Schutzvorkehrungen zu erlauben, im öffentlichen Raum biometrische Fernidentifizierung einzusetzen
  • besser geschützte Rechte, indem die Betreiber von Hochrisiko-KI-Systemen verpflichtet werden, vor der Inbetriebnahme eines KI-Systems eine Folgenabschätzung in Bezug auf die Grundrechte durchzuführen.

Konkret geht es in der vorläufigen Einigung um folgende Aspekte:

Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich

Um sicherzustellen, dass die Definition eines KI-Systems ausreichend klare Kriterien zur Unterscheidung zwischen KI und einfacheren Softwaresystemen enthält, wird sie im ausgehandelten Kompromiss an den von der OECD vorgeschlagenen Ansatz angepasst.

Außerdem wird klargestellt, dass die Verordnung nur für Bereiche gilt, die in den Anwendungsbereich des EU-Rechts fallen, und keinesfalls die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten oder anderer, mit entsprechenden Aufgaben betrauter Stellen in Bezug auf die nationale Sicherheit berühren sollte. Darüber hinaus wird das KI-Gesetz nicht für Systeme gelten, die ausschließlich militärischen oder verteidigungspolitischen Zwecken dienen. Ausgenommen sind auch KI-Systeme, die ausschließlich für Forschung und Innovation verwendet werden, sowie Personen, die KI aus nichtgewerblichen Gründen nutzen.

Klassifizierung von KI-Systemen als Hochrisiko-Systeme und verbotene KI-Praktiken

Der ausgehandelte Kompromiss enthält eine horizontale Schutzebene (zu der auch die Hochrisiko-Klassifizierung gehört), um sicherzustellen, dass KI-Systeme, die wahrscheinlich keine schwerwiegenden Grundrechtsverletzungen oder andere bedeutende Risiken verursachen, nicht erfasst werden. Für KI-Systeme mit begrenztem Risiko würden nur sehr geringe Transparenzpflichten gelten, z. B. die Offenlegung, dass die Inhalte KI-generiert sind, sodass Nutzerinnen und Nutzer fundierte Entscheidungen über deren Weiterverwendung treffen können.

Eine ganze Reihe von Hochrisiko-KI-Systemen würden zugelassen, müssten aber bestimmte Anforderungen und Verpflichtungen erfüllen, um Zugang zum EU-Markt zu erhalten. Die Anforderungen wurden dahingehend präzisiert und angepasst, dass sie technisch machbarer sind und für die, die sie einhalten müssen, eine geringere Belastung darstellen, wenn es zum Beispiel um die Datenqualität oder die technische Dokumentation geht, die von KMU erstellt werden sollte, um nachzuweisen, dass ihre Hochrisiko-KI-Systeme den Anforderungen entsprechen.

Da KI-Systeme über komplexe Wertschöpfungsketten entwickelt und verbreitet werden, enthält der ausgehandelte Kompromiss Änderungen, mit denen die Zuweisung der Zuständigkeiten und Aufgaben der verschiedenen Akteure in diesen Ketten, insbesondere der Anbieter und Nutzer von KI-Systemen, klargestellt werden. Präzisiert wird auch die Beziehung zwischen den Verantwortlichkeiten im Rahmen des KI-Gesetzes und jenen, die bereits im Rahmen anderer Rechtsvorschriften bestehen, wie etwa der einschlägigen Datenschutz- oder sektoralen Rechtsvorschriften der EU.

KI-Anwendungen, deren Risiko als unannehmbar gilt, werden in der EU verboten. Unter dieses Verbot sollen laut vorläufiger Einigung unter anderem folgende Anwendungen fallen: kognitive Verhaltensmanipulation, das ungezielte Auslesen („Scraping“) von Gesichtsbildern aus dem Internet oder aus CCTV-Aufzeichnungen, Emotionserkennung am Arbeitsplatz oder in Bildungseinrichtungen, Sozialkreditsysteme, biometrische Kategorisierung, die auf sensible Daten wie die sexuelle Orientierung oder religiöse Überzeugungen schließen lässt, sowie bestimmte Fälle vorausschauender Polizeiarbeit („Predictive Policing“) in Bezug auf einzelne Personen.

Ausnahmen für die Strafverfolgung

Angesichts der besonderen Situation von Strafverfolgungsbehörden und der Notwendigkeit, dass sie weiterhin in der Lage sein müssen, KI für ihre unverzichtbare Arbeit zu nutzen, wurden mehrere Änderungen des Kommissionsvorschlags in Bezug auf den Einsatz von KI-Systemen für Strafverfolgungszwecke vereinbart. Vorbehaltlich angemessener Schutzvorkehrungen soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Vertraulichkeit sensibler operativer Daten im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden gewahrt werden muss. So wurde beispielsweise ein Notfallverfahren eingeführt, das es Strafverfolgungsbehörden erlaubt, in dringenden Fällen auch Hochrisiko-KI-Instrumente einzusetzen, die das Konformitätsbewertungsverfahren nicht bestanden haben. Zugleich wurde jedoch ein spezifischer Mechanismus eingeführt, um sicherzustellen, dass die Grundrechte ausreichend vor potenziellem Missbrauch durch KI-Systeme geschützt werden.

In Bezug auf die Verwendung biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierungssysteme im öffentlichen Raum werden zudem die Ziele präzisiert, für die eine solche Verwendung zu Strafverfolgungszwecken unbedingt notwendig ist, und zu denen den Strafverfolgungsbehörden die Verwendung solcher Systeme daher ausnahmsweise gestattet werden sollte. In der Kompromissvereinbarung sind jedoch zusätzliche Schutzvorkehrungen vorgesehen; zudem bleiben die genannten Ausnahmen auf Fälle und Situationen beschränkt, in denen es um Opfer bestimmter Straftaten, um die Verhütung echter, gegenwärtiger bzw. vorhersehbarer Bedrohungen wie Terroranschläge oder um die Suche nach Personen geht, die schwerster Straftaten verdächtigt werden.

KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck und Basismodelle

Neue Bestimmungen wurden hinzugefügt, um Situationen Rechnung zu tragen, in denen KI-Systeme für viele verschiedene Zwecke genutzt werden können (KI mit allgemeinem Verwendungszweck) und die Technologie anschließend in ein anderes System integriert wird, das als hochriskant gilt. In der vorläufigen Einigung wird auch auf den Sonderfall der KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck („general purpose artificial intelligence systems“, GPAI) eingegangen.

Spezielle Vorschriften sollen auch für Basismodelle gelten – große Systeme, die ein breites Spektrum verschiedener Aufgaben erfüllen und z. B. Videos, Texte und Bilder erzeugen, Gespräche führen, Daten verarbeiten und Computercodes erstellen können. So ist vorgesehen, dass sie bestimmte Transparenzpflichten erfüllen müssen, bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen. Für Basismodelle mit erheblichen Auswirkungen wurde eine strengere Regelung eingeführt. Dabei geht es um Basismodelle, die mit großen Datenmengen trainiert werden und durch ihre fortgeschrittene Komplexität, Fähigkeiten und Leistung weit über dem Durchschnitt liegen. Dies birgt die Gefahr, dass systemische Risiken entlang der Wertschöpfungskette weiterverbreitet werden.

Eine neue Governance-Architektur

Nach den neuen Vorschriften für GPAI-Modelle und angesichts der offenkundigen Notwendigkeit ihrer Durchsetzung auf EU-Ebene wird bei der Kommission ein Amt für künstliche Intelligenz („KI-Amt“) eingerichtet. Seine Aufgabe wird es sein, die am weitesten fortgeschrittenen KI-Modelle zu überwachen; daneben soll es Normen und Testverfahren fördern und die gemeinsamen Vorschriften in allen Mitgliedstaaten durchsetzen. Ein wissenschaftliches Gremium unabhängiger Sachverständiger wird das KI-Amt zu GPAI-Modellen beraten. So soll es dazu beitragen, Methoden zur Bewertung der Fähigkeiten von Basismodellen zu entwickeln, sich zur Benennung und Entstehung von Basismodellen mit erheblichen Auswirkungen äußern und mögliche materielle Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit Basismodellen überwachen.

Der aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzte Ausschuss für künstliche Intelligenz (KI-Ausschuss), soll wie vorgeschlagen als Koordinierungsplattform und beratendes Gremium für die Kommission fungieren. Die Mitgliedstaaten würden somit eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Verordnung spielen, etwa bei der Ausarbeitung von Verhaltenskodizes für Basismodelle. Schließlich wird ein Beratungsforum für Interessenträger wie Vertreter der Industrie, KMU, Start-ups, Zivilgesellschaft und Hochschulen/Wissenschaft eingerichtet, das dem KI-Ausschuss technisches Fachwissen zur Verfügung stellt.

Sanktionen

Die Geldbußen für Verstöße gegen das KI-Gesetz wurden als Prozentsatz des weltweiten Jahresumsatzes des zuwiderhandelnden Unternehmens im vorangegangenen Geschäftsjahr bzw. als im Voraus festgelegter Betrag festgelegt, je nachdem, welcher Betrag höher ist. Das wären 35 Mio. € bzw. 7 % für Verstöße im Zusammenhang mit verbotenen KI-Anwendungen, 15 Mio. € bzw. 3 % für Verstöße gegen die im KI-Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtungen und 7,5 Mio. € bzw. 1,5 % für die Bereitstellung von Fehlinformationen. Für KMU und Start-ups sind jedoch verhältnismäßigere Obergrenzen vorgesehen.

Im ausgehandelten Kompromiss wird auch klargestellt, dass eine natürliche oder juristische Person bei der zuständigen Marktüberwachungsbehörde eine Beschwerde wegen Nichteinhaltung des KI-Gesetzes einreichen und erwarten kann, dass eine solche Beschwerde gemäß den dafür eingerichteten Verfahren dieser Behörde bearbeitet wird.

Transparenz und Schutz der Grundrechte

In der vorläufigen Einigung ist eine Folgenabschätzung in Bezug auf die Grundrechte vorgesehen, die durchgeführt werden muss, bevor ein Hochrisiko-KI-System in Verkehr gebracht wird. Zudem wird mehr Transparenz bei der Verwendung von Hochrisiko-KI-Systemen gefordert. Insbesondere wurden einige Bestimmungen des Kommissionsvorschlags geändert, um darauf hinzuweisen, dass bestimmte Nutzer von Hochrisiko-KI-Systemen, die öffentliche Einrichtungen sind, ebenfalls verpflichtet sein werden, sich in der EU-Datenbank für Hochrisiko-KI-Systeme zu registrieren. Darüber hinaus wurden Bestimmungen hinzugefügt, bei denen der Schwerpunkt auf der Pflicht für Nutzer eines Emotionserkennungssystems liegt, die von dem System betroffenen natürlichen Personen entsprechend zu informieren.

Maßnahmen zur Innovationsförderung

Mit dem Ziel, einen innovationsfreundlicheren Rechtsrahmen zu schaffen, und um faktengestütztes regulatorisches Lernen zu fördern, wurden die Bestimmungen in Bezug auf Maßnahmen zur Innovationsförderung im Vergleich zum Kommissionsvorschlag maßgeblich geändert.

Insbesondere wurde klargestellt, dass die regulatorischen KI-Reallabore, die eine kontrollierte Umgebung für die Entwicklung, Testung und Validierung innovativer KI-Systeme schaffen sollen, auch das Testen innovativer KI-Systeme unter realen Bedingungen ermöglichen sollten. Ferner wurden neue Bestimmungen aufgenommen, wonach KI-Systeme unter realen Bedingungengetestet werden können, wenn bestimmte Bedingungen und Schutzvorkehrungen erfüllt werden. Um den Verwaltungsaufwand für kleinere Unternehmen zu mindern, sind Maßnahmen zu ihrer Unterstützung aufgelistet und einige begrenzte, klar festgelegte Ausnahmeregelungen vorgesehen.

Inkrafttreten

Laut vorläufiger Einigung soll das KI-Gesetz – mit Ausnahme einiger spezifischer Bestimmungen – zwei Jahre nach seinem Inkrafttreten zur Anwendung kommen.

Nächste Schritte

Nach der heute erzielten vorläufigen Einigung werden die Arbeiten in den kommenden Wochen auf fachlicher Ebene fortgesetzt, um die Einzelheiten der neuen Verordnung fertigzustellen. Anschließend wird der Vorsitz den Vertretern der Mitgliedstaaten (AStV) den Kompromisstext zur Billigung vorlegen.

Der vollständige Text muss dann noch vom Rat und vom Parlament bestätigt und von den Rechts- und Sprachsachverständigen überarbeitet werden, bevor er von den beiden gesetzgebenden Organen förmlich angenommen wird.

Diese Pressemitteilung wurde am 2. Februar 2024 aktualisiert, um den endgültigen Kompromisstext im Hinblick auf eine Einigung hinzuzufügen.

Filesharing: Aktuelle Rechtsprechung zur Nutzung des Internetanschlusses durch Familienangehörige

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Zum Filesharing hat das OLG Frankfurt erneut in einem Beschluss vom 22. März 2013 zum Az. 11 W 8/13 entschieden, dass der Inhaber eines Internetanschlusses das Nutzungsverhalten seines Ehegatten nicht hinsichtlich etwaiger Urheberrechtsverletzungen überwachen muss. In diesen Fällen trifft den Inhaber regelmäßig keine Haftung als Störer.

Das OLG Frankfurt formuliert: „Ein Ehemann kann daher seiner Ehefrau, solange er keine konkreten Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen hat, den auf seinen Namen laufenden Internetanschluss überlassen, ohne diese ständig überwachen zu müssen (mit Hinweis auf Rechtsprechung der OLG Frankfurt und Köln). Sofern der Anschlussinhaber nicht mit einer Rechtsverletzung durch seinen Ehepartner rechnen muss, sind Hinweis-, Aufklärungs- und Überprüfungspflichten diesem gegenüber unzumutbar.“

Nach der zunächst einschlägigen Rechtsprechung des BGH besteht die Vermutung dass der Anschlussinhaber als Rechtsverletzter zu betrachten ist. Entsprechende Hinweise finden sich regelmaessig in den (Muster-) Abmahnschreiben der auf Filesharing spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien. Im Rahmen der sog. sekundären Darlegungslast muss der Anschlussinhaber grundsätzlich Umstände vortragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt. Nach oben genannter Rechtsprechung ist es hierfür aber ausreichend, wenn der er darlegen kann, dass der Anschluss auch von anderen Familienmitgliedern genutzt wird. Dadurch wird die Vermutung entkräftet, der Anschlussinhaber sei selbst Täter der Urheberrechtsverletzung.

Neben der Vermutung, der Inhaber ist selbst der Rechtsverletzer (bzw. Täter), kommt immer die Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses als Störer in Betracht. Eine Haftung als Störer setzt voraus, dass der Inhaber des Anschlusses die Benutzung des Anschlusses und damit die Möglichkeit zu einer Urheberrechtsverletzung durch diese Benutzer für weitere Personen ermöglicht hat und dabei Prüfpflichten hinsichtlich etwaiger Urheberrechtsverstöße verletzt hat.

Nach nunmehr überwiegender Rechtsprechung treffen einen Anschlussinhaber gegenüber Ehegatten oder volljährigen Familienmitgliedern derartige Prüfpflichten aber nicht (BVerfG, Beschluss vom 21.03.2012 zum Az. 1 BvR 2365/11; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22. März 2013 zum Az. 11 W 8/13, mit weiteren Nachweisen). Der Bundesgerichtshof hat hierzu bislang noch keine Stellung bezogen. Das oben erwähnte Morpheus-Urteil legt jedoch nahe, dass auch der Bundesgerichtshof sich dieser Ansicht anschließen wird.

Bundesgerichtshof Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 52/12 – Pippi Langstrumpf

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Unternehmen dürfen mit literarischen Figuren werben, solange sie nur „ein paar“ äußere Merkmale der Figur übernehmen: Der Bundesgerichtshof hat jetzt dem Discounter Penny recht gegeben, der mit einer Figur Werbung gemacht hatte, die an Pippi Langstrumpf angelehnt war.

Die Fotos zeigten ein Mädchen und eine junge Frau im Pippi-Look. Der Discounter Penny-Markt hatte 2010 ohne Einwilligung der schwedischen Rechteinhaber mit den Bildern für Karnevalskostüme geworben. Penny verkaufte bundesweit insgesamt rund 15.000 dieser Kostüme. Das Kinderkostüm kostete 5,99 Euro und das für Erwachsene 9,99 Euro.

Gegen die Werbung ist die Erbengemeinschaft der 2002 verstorbenen Pippi-Langstrumpf-Schöpferin Astrid Lindgren (Saltkråkan AB) vorgegangen. Sie sah in den Fotos eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf. Die Saltkråkan AB verlangte vom Discounter Schadensersatz in Höhe von 50.000 Euro.

Doch der Bundesgerichtshof wies die Klage der Schweden, die in beiden Vorinstanzen noch erfolgreich war, ab, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt war.

In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs heißt es:

„Der Bundesgerichtshof hat angenommen, dass die von Astrid Lindgren in ihren Kinderbüchern geschaffene Figur der „Pippi Langstrumpf“ als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG Urheberrechtsschutz genießt. Voraussetzung für den Schutz eines fiktiven Charakters ist es, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dies ist bei der Figur der „Pippi Langstrumpf“ der Fall. Schon die äußeren Merkmale fallen aus dem Rahmen (karottenfarbene Haare, die zu zwei abstehenden Zöpfen geflochten sind, eine Nase voller Sommersprossen, die die Form einer kleinen Kartoffel hat, breiter lachender Mund, gelbes Kleid, darunter eine blaue Hose, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf, viel zu große Schuhe). Dazu treten ganz besondere Persönlichkeitsmerkmale: Trotz schwieriger familiärer Verhältnisse ist Pippi Langstrumpf stets fröhlich; sie zeichnet sich durch eine ausgeprägte Furcht- und Respektlosigkeit, gepaart mit Fantasie und Wortwitz, aus und verfügt über übermenschliche Kräfte.

Allerdings fehlt es im Streitfall an einer Verletzung des Urheberrechts. Zwar erkennt der Betrachter, dass es sich bei den Figuren in der Werbung der Beklagten um Pippi Langstrumpf handeln soll. Das ändert aber nichts daran, dass diese in der Werbung verwendeten Figuren nur wenige Merkmale übernehmen, die für den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf maßgeblich sind. Der Schutz einer literarischen Figur als Sprachwerk kommt in Betracht, wenn diese Figur durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben wird. Das Urheberrecht an einer solchen Figur wird nicht schon dadurch verletzt, dass lediglich wenige äußere Merkmale übernommen werden, die für sich genommen den Urheberrechtsschutz nicht begründen könnten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte für die Figuren in den angegriffenen Abbildungen lediglich die Haare in Farbe und Form, die Sommersprossen und – ganz allgemein – den Kleidungstil der Pippi Langstrumpf übernommen. Diese Elemente mögen zwar ausreichen, um Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu wecken und um zu erkennen, dass es sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln soll. Sie genügen aber nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur der Pippi Langstrumpf zu begründen und nehmen daher auch nicht isoliert am Schutz der literarischen Figur teil.“

Das Urheberrecht ist damit um eine neue Bewertungsfrage reicher: Diese lautet, wann übernimmt die Nachahmung einer literarischen Figur (oder eines sonstigen Urheberrechtsschutz geniessenden Wekres) so viele Elemente des Originals, dass diese Elemente den Urheberrechtsschutz begründen können? Reichen zwei von fünf Merkmalen? Oder müssen es vier von fünf Merkmalen sein? Wie sieht es bei neun Merkmalen aus? Reicht die Übernahme von vier, fünf oder sechs Merkmalen?

Bleiben wir erst mal gespannt, was der BGH selbst dazu sagt, wenn das Urteil veröffentlicht werden wird.

Novelle des Urheberrechts 2013

Der Bundestag hat jetzt das neue Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet, das überhöhte Abmahngebühren zurückdrängen soll. Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats und ist noch nicht in Kraft getreten. Es kann daher auch noch Änderungen geben. Der geplante Gesetzestext lautet:

㤠97 a UrhG (neue Fassung)

(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.

(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise:
– Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
– die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
– geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz-und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln
– und wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.

(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Nummern 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000.- Euro, wenn der Abgemahnte
– eine natürliche Person ist,
– die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
– nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.

(4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.

§ 104 a UrhG (neue Fassung)

(1) Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn die beklagte Person im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.

(2) § 105 bleibt unberührt.“

Die geplanten Änderungen treten am Tag nach der Verkündung des neuen Gesetzes in Kraft. Eine Rückwirkung der Regelung auf bereits ausgesprochene Abmahnungen ist nicht vorgesehen. Die reinen Abmahnkosten werden damit für die erste Abmahnung gedeckelt.Daneben können aber auch künftig andere Gebühren und Schadensersatz geltend gemacht werden. Ausserdem kann der zu Unrecht abgemahnte nun Ersatz der ihm aus der Abmahnung entstehenden Kosten verlangen.

Filesharing: Zur aktuellen Rechtslage

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Ausgangssituation
Am Anfang steht ein Ermittlungsauftrag des Rechteinhabers an eine Anwaltskanzlei, die Weitergabe von Dateien ueber das Internet zu verfolgen. Die Kanzleien beauftragen sogenannte Antipiracy Firmen damit, IP-Adressen der Filesharer zu ermitteln und zu protokollieren.

Die Antipiracy-Firmen loggen sich in die P2P Netzwerke ein und starten eine Suchanfrage hinsichtlich der zu überwachenden Dateien. Auf diesem Wege erhalten sie die IP-Adresse der Nutzer, die später abgemahnt werden sollen. Um die zu den IP-Adressen gehoerigen Adressen zu erfahren werden die jeweiligen Provider gebeten, die Verbindungsdaten zu speichern, da der Verdacht einer Straftat bestehe. Die Antipiracy-Firmen leiten die IP-Adressen dann an die Kanzleien weiter.

Die Kanzlei stellt dann mit der IP-Adresse bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Unbekannt. Die zugehoerige Straftat ergibt sich aus § 106 Abs. 1 UrhG (Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke) Demnach gilt:

„Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Die Staatsanwaltschaft fordert nun die zu der IP-Adresse gehörigen Verbindungsdaten vom Provider, der diese in der Regel bereits auf Bitten der Antipiracy-Firmen gespeichert hat. Die Kanzleien kommen nun durch Akteneinsicht an die Postanschrift des Nutzers. Es folgt die Abmahnung.

Rechtmaessigkeit der Datenweitergabe
Dabei ist die Rechtmaessigkeit der Weitergabe der Adressdaten an die Abmahner durchaus fraglich. Das Landgericht Frankenthal hat in einem Beschluss vom 21.05.2008 (Az.: 6 O 156/08) entschieden, dass die Weitergabe der Adressdaten gegen die Grundrechte der Betroffenen verstoesst.

Das Landgericht hatte in dem zu Grunde liegenden Fall den Unterlassungsanspruch der Abmahner zurückgewiesen. Die von der Staatsanwaltschaft an die Antragstellerin übermittelten Daten des Antragsgegners seien im zivilrechtlichen Verfahren unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts zur Verwertbarkeit von unter Verletzung von Grundrechten erlangten Beweismitteln (BVerfG, NJW 2002, 3619, 3624) nicht verwertbar. Eine solche Grundrechtsverletzung sah das Landgericht Frankenthal in der Übermittlung der gespeicherten Telekommunikationsdaten. Fuer die dynamischen IP-Adresse eines Internet-Anschlussinhabers nebst den dazu gehörigen Kundendaten bestehe ein strenger Schutz, insbesondere unterlaegen sie dem Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG). Diese Daten dürften nur dann – von dem Provider an staatliche Behörden (hier: Staatsanwaltschaft) – herausgegeben bzw. abgerufen und übermittelt werden, wenn der Verdacht auf Verübung einer schweren Straftat i.S.d. § 100a Abs. 2 StPO besteht. Dies sei bei einer Urheberrechtsverletzung nicht der Fall. Bereits in dem Abruf dieser Daten liege ein schwerwiegender und irreparabler Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 11.03.2008 – Az. 1 BvR 256/08). Allein das Interesse eines Rechteinhabers, sich ein Beweismittel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zu sichern, reiche nicht aus, um einen Eingriff in die Grundrechte eines (vermeintlichen) Rechteverletzers (hier: Fernmeldegeheimnis, Art. 10 GG) aufgrund der Übermittlung von Verkehrsdaten (hier: dynamische IP-Adresse) zu rechtfertigen. Die Entscheidung des LG Frankenthals ist jedoch durch das OLG Zweibrücken mit Beschluss vom 26.09.2008 ( Az.: 4 W 62/08) aufgehoben worden.

Filesharing durch minderjaehrige Kinder: Eltern haften fuer die Kinder?
Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, ist gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nach § 832 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt. Das ist die gesetzliche Grundlage fuer den haeufig zu lesenden Satz: „Eltern haften fuer ihre Kinder“.

Ob die Eltern haftet haengt damit davon ab, ob die Eltern ihrer Aufsichtspflicht genuege getan haben.
Liest man sich die Filesharing Faelle mit Beteiligung Jugendlicher durch, kommt man allerdings zu folgender Erkenntnis: Die Gerichte schiessen in der Regel aus dem Umstand, dass Minderjaehrige Filesharing betrieben haben auf eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern. Immer waere es moeglich gewesen, das Filesharing der Kinder durch weitergehende Massnahmen zu verhindern. Eine Firewall muss eingerichtet werden, der Computer der Kinder muss regelmaessig kontrolliert werden, letzlich muss der Computer gesperrt werden, wenn alles nicht hilft.

Der Bundesgerichtshof hat nun in seinem Morpheus-Urteil vom 15. 11. 2012 (Az.: I ZR 74/12) die Kriterien fuer eine Verletzung der Aufsichtspflicht verbindlich aufgestellt. Dabei hat der BGH die Anforderungen an die Eltern auf ein vernuenftiges Mass zurueck gestutzt. In dem Urteil heisst es:

„Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Dabei hängt es hauptsächlich von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßahmen ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss (vgl. BGH, NJW 2009, 1952 Rn. 17; NJW 2009, 1954 Rn. 14, jeweils mwN).

Danach genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht.

Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

Es ist allerdings nicht zu bestreiten, dass erfahrungsgemäß Kinder und Jugendliche aus pädagogischen Gründen auferlegte Verbote gelegentlich übertreten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 26 – Jugendgefährdende Medien bei eBay). Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aber keine Verpflichtung der Eltern, ohne konkreten Anlass regelmäßig zu kontrollieren, ob ihr Kind bei der Nutzung von Computer und Internet ihm auferlegte Verbote beachtet.

Eine solche Verpflichtung widerspräche der gesetzlichen Wertung des § 1626 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach sollen die Eltern bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen. Mit diesem Erziehungsgrundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn Eltern die Nutzung des Internets durch ihr 13-jähriges Kind ohne konkreten Anlass regelmäßig kontrollieren müssten (vgl. Wenn, jurisPR-ITR 5/2008 Anm. 2; Krieg, jurisPR-ITR 16/2008 Anm. 3; Heckmann in jurisPK-Internetrecht, 3. Aufl., Kap. 3. 2 Rn. 81).

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass sich die Zumutbarkeit von Aufsichtsmaßnahmen nicht nur nach der Person des Aufsichtsbedürftigen, seiner Eigenart und seinem Charakter, sondern auch nach dem Ausmaß der Gefahr richtet, die außenstehenden Dritten durch das fragliche Verhalten des Aufsichtspflichtigen droht (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1996 – VI ZR 86/95, NJW 1996, 1404, 1405).

Das Ausmaß der Gefahr, die Dritten dadurch droht, dass ein Kind urheberrechtsverletzende Tauschbörsen nutzt, ist wesentlich geringer als beispielsweise die Gefahr, der Dritte durch das Fehlverhalten eines Kindes im Straßenverkehr oder beim Umgang mit Feuer ausgesetzt sind. Die massenhafte Nutzung von Tauschbörsen beeinträchtigt die urheberrechtlich geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsinhaber zwar auch dann ganz erheblich, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht (BGH, Beschluss vom 19. April 2012 – I ZB 80/11, GRUR 2012, 1026 Rn. 23 = WRP 2012, 1250 – Alles kann besser werden). Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung jedoch keine Verpflichtung von Eltern, die Nutzung des Internets durch ihre Kinder ohne konkreten Anhaltspunkt für derartige Rechtsverletzungen zu beschränken oder zu überwachen.

Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten ihrer Aufsichtspflicht dadurch genügt, dass sie ihrem Sohn die rechtswidrige Teilnahme an Internettauschbörsen nach einer entsprechenden Belehrung verboten haben. Die Beklagten haben vorgetragen, sie hätten mit ihren Kindern immer wieder über das Thema des illegalen Downloads von Musik und Filmen aus dem Internet diskutiert und ihnen dies ausdrücklich untersagt. Damit sind die Beklagten, wie auch das Berufungsgericht insoweit mit Recht angenommen hat, den an die Vorgabe von Verhaltensregeln zu stellenden Anforderungen nachgekommen.

Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, die Aufklärung des Sohnes über die Gefahren des illegalen Filesharing könne nicht so intensiv gewesen sein, wie die Beklagten behaupten; denn dieser habe bei seiner polizeilichen Vernehmung bekundet, er habe gar nicht gewusst, dass er die Lieder nicht nur herunterlade, sondern sie auch über eine Tauschbörse zur Verfügung stelle. Eine besonders intensive Belehrung war indessen im Blick darauf nicht erforderlich, dass es sich beim Sohn der Beklagten um ein normal entwickeltes, einsichtsfähiges und verhaltensunauffälliges 13-jähriges Kind handelte. Zu Überwachungsmaßnahmen waren die Beklagten dagegen nicht verpflichtet. Für die Beklagten beststanden keine Anhaltspunkte, dass sich ihr Sohn nicht an das ihm auferlegte Verbot hält. Sie waren daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder verpflichtet, ihren 13-jährigen Sohn etwa durch Installation einer Firewall oder eines Sicherheitsprogramms daran zu hindern, auf seinem Computer weitere Programme zu installieren, noch verpflichtet, ihn dadurch zu überwachen, dass sie seinen Computer beispielsweise durch eine monatliche Kontrolle der Softwareliste und des Computerdesktop nach bereits installierten Tauschbörsenprogrammen durchsuchen.“

Keinen Computer besessen
Wie eine erfolgreiche Verteidigung gegen den Abmahnvorwurf aussehen kann zeigt ein Fall des Landgerichts Muenchen. Im Urteil vom 22.03.2013, 21 S 28809/11, fuehrt das Gericht aus:
„Ihrer sekundaeren Darlegungslast ist die die Beklagte dadurch nachgekommen, dass sie erstinstanzlich vorgetragen hat, sie habe zum streitgegenstaendlichen Zeitpunkt keinen Computer mehr besessen, da sie ihn im Juni 2009 verkauft haette, sie habe keine weiteren internetfaehigen Geraetschften besessen, um Filesharing-Netzwerke nutzen zu koennen, sie habe keinen WLAN-Router, sondern nur einen sogenannten Splitter besessen, habe zum vermeintlichen Tatzeitpunkt alleine gewohnt und es habe keine bekannte Person den nur theoretisch vorhandenen, aber mangels Router nicht nutzbaren Internetanschluss der Beklagten verwendet.
Diese von der Beklagten im Rahmen ihrer sekunaeren Darlegungslast vorgebrachten Tatsachen schliessen es – auch bei Anlegung eines nach Auffassung der Kammer anzulegenden strengen Massstabs an den Detailgrad und die Plausibilitaet des Saachvortrags – aus, dass die Klaegerin zum Tatzeitpunkt tatsaechlich selbst ueber den beauskunfteten Internetanschluss die Rechtsverletzung durch ein oeffentliches Zugaenglichmachen begangen hat. Dass sich in ihrer Besitz/ und Gewahrsamssphaere lediglich ein nicht zugangsfaehiger Splitter, jedoch kein DSL-Router oder WLAN-Router befunden hat und die Klaegerin nach ihrer Darlegung weder ueber einen
Computer noch ueber ein sonstiges internetfaehiges Geraet verfuegte, schliesst es aus, dass der vermutungsbegruendende Geschehensablauf einer eigenen Tatbegehung des Anschlussinhabers stattgefunden hat.“

Der Vertrag des Softwareerstellers

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Verträge mit freien IT-Mitarbeitern sind in der Regel entweder Dienst- oder Werkverträge. In der Praxis erweist es sich häufig als schwierig, beide Verträge voneinander abzugrenzen. Indizien für das Vorliegen eines Werkvertrages sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH, wenn die Parteien die zu erledigende Aufgabe und den Umfang der Arbeiten konkret festlegen oder eine erfolgsabhängige Vergütung vereinbaren.
Das muss aber nicht immer so sein. So enschied der BGH am 16.07.2002 (Az.: X ZR 27/01): Für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend. Es kommt darauf an, ob auf dieser Grundlage eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird. Bei der tatrichterlichen Feststellung, was bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung Vertragsgegenstand ist, sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen; die vertragliche Beschreibung eines Ziels ist allein kein hinreichendes Indiz für die Annahme eines Werkvertrags. In den Entscheidungsgründen heißt es dann: „Für die Frage, ob der Auftragnehmer für den Eintritt eines Erfolgs einstehen will, kann auch von Bedeutung sein, mit welcher Wahrscheinlichkeit nach der Vorstellung der Parteien mit dem Eintritt eines Erfolgs gerechnet werden kann. Zwar ist es weder logisch noch rechtlich ausgeschlossen, daß der Werkunternehmer das Erfolgsrisiko auch dann übernimmt, wenn der Eintritt des Erfolgs ungewiß ist. Je größer die mit der Tätigkeit erkennbar verbundenen Unwägbarkeiten sind, um so ferner kann es aber auch aus Sicht eines verständigen Bestellers liegen, daß der Unternehmer das Erfolgsrisiko dennoch übernehmen will.“

Bundesgerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen Union Frage zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des „Framing“ vor

Rechtsanwalt Dr. Dietmar Höffner

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob der Betreiber einer Internetseite eine Urheberrechtsverletzung begeht, wenn er urheberrechtlich geschützte Inhalte, die auf anderen Internetseiten öffentlich zugänglich sind, im Wege des „Framing“ in seine eigene Internetseite einbindet.

Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war – nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung – auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar.

Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie den Besuchern ihrer Internetseiten, das von der Klägerin in Auftrag gegebene Video im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen elektronischen Verweis wurde der Film vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten das Video damit unberechtigt im Sinne des § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht. Sie hat die Beklagten daher auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € an die Klägerin verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Das Berufungsgericht hat zwar – so der Bundesgerichtshof – mit Recht angenommen, dass die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ grundsätzlich kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG darstellt, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Eine solche Verknüpfung könnte jedoch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe verletzen. Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union daher die – auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zweifelsfrei zu beantwortende – Frage vorgelegt, ob bei der hier in Rede stehenden Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt.

Beschluss vom 16. Mai 2013 – I ZR 46/12 – Die Realität

LG München I – Urteil vom 2. Februar 2011 – 37 O 15777/10

OLG München – Urteil vom 16. Februar 2012 – 6 U 1092/11

Karlsruhe, den 16. Mai 2013

§ 15 UrhG

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1. …

2. das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),

§ 19a UrhG

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

Artikel 3 der Richtlinie 2001/29/EG

(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs