Kammergericht Berlin entscheidet:
Kurzmitteilung
KG Berlin, Beschluss vom 28.03.2013, Az.: 1 W 434/12
„Mit Recht hat das Landgericht den eingeklagten Unterlassungsanspruch gemäß § 12 BGB zugesprochen. Eine unberechtigte Namensanmaßung nach § 12 Satz 1 Fall 2 BGB liegt vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt werden. (BGH GRUR 2012, 534, Rn. 8 – Landgut Borsig). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt und es besteht auch Wiederholungsgefahr. Im Einzelnen:
a) Der Klägerin steht als Gebietskörperschaft ein durch § 12 BGB geschütztes Recht an ihrem Namen Aserbaidschan zu. Aufgrund dieser Bezeichnung kann sie unter denselben Voraussetzungen wie ein anderer Namensträger gegen einen nichtberechtigten Dritten vorgehen (BGH GRUR 2007, 259, Rn. 14 – solingen.info; vgl. auch BGH GRUR 2012, 651, Rn. 19 – regierung-oberfranken.de).
aa) Der von der Berufung vertretenen Auffassung, die Klägerin könne – ohne diesbezügliche Verkehrsgeltung zum Zeitpunkt der Domainregistrierung im Jahr 2003 – keinen Namensschutz für eine von ihrer offiziellen Bezeichnung abweichende Bezeichnung – hier: Aserbaidschan – beanspruchen, kann nicht beigetreten werden.
Entscheidend ist der im Inland herrschende Sprachgebrauch. Der Name, der für eine bestimmte Gebietskörperschaft im Inland gemeinhin benutzt wird, genießt den Schutz des § 12 BGB (vgl. auch schon Senat, Beschl. v. 29.05.2007 – 5 U 153/06, teilw. abgedruckt in MMR 2007, 600 – tschechische-republik.at/.ch/.com). Fremdsprachlich wirkende und für Inländer häufig schwierig auszusprechende Staatsnamen werden zumeist (wie im Übrigen häufig auch sonstige „ausländische“ Namen) in die Inlandssprache – hier: ins Deutsche – „übersetzt“. Das ist dem Gericht offenkundig (§ 291 ZPO), was mit den Parteien im Termin erörtert wurde und auch unwidersprochen geblieben ist. Es gibt beispielsweise kaum einen europäischen Staat, der im Deutschen genauso bezeichnet wird wie in der jeweiligen – nichtdeutschen – eigenen Sprache (Ausnahme etwa: Portugal). Und wenn das so ist, dann ist – ohne dass dies einer rechtlichen Vertiefung bedürfte – diese deutsche Übersetzung des Staatsnamens Gegenstand des Namensschutzes nach § 12 BGB. Insofern gilt für (das in Vorderasien gelegene) Aserbaidschan nichts anderes (und galt auch schon zum Zeitpunkt der Domainregistrierung, worauf gemäß BGH GRUR 2008, 1099, Rn. 32 – afilias.de – abzustellen ist, im Jahre 2003 nichts anderes) als beispielsweise für Frankreich, Spanien oder Estland.
Dass in anderer Weise als mit Republik Aserbaidschan zu „übersetzen“ wäre, behauptet auch die Berufung nicht. Damit aber genießt die Klägerin für die zuletzt genannte Bezeichnung Namensschutz nach § 12 BGB (zur Frage des hier in Fortfall geratenden Bestandteils „Republik“ siehe weiter unten). Die vom Landgericht mithin in zustimmungswürdiger Weise getroffene Feststellung, dass die Klägerin im allgemeinen inländischen Sprachgebrauch als „Aserbaidschan“ bzw. „Republik Aserbaidschan“ bezeichnet wird, wird zudem belegt beispielsweise durch die in den klägerseits als Anlagenkonvolute K 9 und K 12 vorgelegten Unterlagen.
Sonach besteht ein entsprechendes Namensrecht der Klägerin unabhängig davon, ob sie selbst und/oder die deutsche Fassung ihres Namens „Aserbaidschan“ in Deutschland allgemein bekannt ist [so auch OLG Frankfurt, Urt. v. 15.01.2013 – 11 U 106/12 (Kart), S. 6 = Bd. II Bl. 28 d.A.].
bb) Entgegen der Berufung folgt aus BGHZ 155, 273 – maxem.de – nichts anderes. Nach dieser Entscheidung ist das Pseudonym einer (natürlichen) Person namensrechtlichem Schutz dann zugänglich, wenn der Verwender unter diesem Namen im Verkehr bekannt ist, also mit diesem Namen Verkehrsgeltung besitzt. Im Streitfall steht keine natürliche Person mit einem von ihrem bürgerlichen Namen abweichenden Pseudonym in Rede, sondern ein Staat mit seinem „wortgetreu ins Deutsche übersetzten“ offiziellen Staatsnamen.
cc) Dass hier gegen den Beklagten Namensschutz nicht für „Republik Aserbaidschan“, sondern für „Aserbaidschan“ beansprucht wird, ist unschädlich. Der Namensschutz beschränkt sich nicht auf den vollständigen offiziellen Namen in seiner Gesamtheit, sondern erstreckt sich auch auf Fälle der Benutzung des die Gesamtbezeichnung prägenden Namenskerns, so wie er üblicherweise (wenn man so will: „schlagwortartig“) benutzt wird. So ist es hier. Das Element „Republik“ bezeichnet die Staatsform und wird im allgemeinen Sprachgebrauch normalerweise nicht verwendet. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist, um bei den bereits genannten Beispielen zu bleiben, üblicherweise von Frankreich, Spanien, und Estland die Rede und nicht von „Französische Republik“, „Königreich Spanien“ und „Republik Estland“. Nicht anders verhält es sich für Aserbaidschan. Im Übrigen beschränkt sich der namensrechtliche Schutz, den die Klägerin beanspruchen kann, ohnehin nicht auf den Namen, den sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts führt (vgl. BGHZ 161, 216, 220 – Pro Fide Catholica).
dd) Vorstehendes mag anders sein in Fällen der Existenz mehrerer gleich- oder ähnlichnamiger (geteilter) Staaten, wie etwa im Falle des von den Beklagtenvertretern in der Berufungsverhandlung angeführten Korea-Beispiels, wo man sich häufiger veranlasst sehen mag, zu Unterscheidungs- und Klarstellungszwecken die Staatsform des jeweils gemeinten Staats (oder beispielsweise auch ein geographisches Abgrenzungsmerkmal – etwa „Nord…“ bzw. „Süd…“) hinzuzufügen.
Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Es gibt – neben der Klägerin – keinen weiteren Staat mit der Bezeichnung „Aserbaidschan“. Es mag – wie die Berufung anführt – im Nordwesten des Iran eine Region mit der Bezeichnung „Aserbaidschan“ geben. Das ändert aber – wie das Landgericht im Ergebnis mit Recht angenommen hat – nichts daran, dass die Klägerin in Deutschland mit diesem Begriff bezeichnet wird. Denn zum einen ist besagte Region kein (weiterer) Staat. Und zum anderen ist diese (neben der Klägerin bestehende) Existenz einer so bezeichneten Region der Bevölkerung im Inland weitest gehend unbekannt (Gegenteiliges behauptet auch die Berufung nicht). Der Senat (Einzelrichter) kann das vorstehend skizzierte Verkehrsverständnis zum Begriff „Aserbaidschan“ (als Bezeichnung für den Staat, der hier die Klägerin ist) unter Heranziehung der Lebenserfahrung, selbst tatrichterlich so würdigen, da der Beklagte sich mit der streitgegenständlichen Domain an das allgemeine Publikum richtet (vgl. dazu auch BGH GRUR 2012, 1053, Rn. 22 – Marktführer Sport).
ee) Der zuletzt genannte Umstand (Koexistenz der Klägerin und einer – im Inland weithin unbekannten – nordwestiranischen Region gleicher Bezeichnung) ist – entgegen der Berufung – nicht dem Sachverhalt vergleichbar, der der – klageabweisenden – Entscheidung des OLG Brandenburg GRUR-RR 2008, 105 – schlaubetal.de – zugrunde lag. Nach den dortigen Feststellungen klagte dort – anders als hier – keine Gebietskörperschaft, sondern das so bezeichnete „Amt Schlaubetal“ welches – wenn auch Körperschaft des öffentlichen Rechts – „quasi eine Verwaltungseinrichtung“ (§ 1 Abs. 1 AmtsO BB) darstellt (vgl. OLG Brandenburg a.a.O. S. 106). Des Weiteren wird – ebenfalls nach den dortigen Feststellungen (a.a.O.) – mit Schlaubetal ein 227 qkm großes Tal (Naturpark) charakterisiert, durch das der Fluss „Schlaube“ fließt. Von dieser Region nimmt das klagende „Amt Schlaubetal“ nur das nördliche Gebiet ein, was das OLG Brandenburg zum Anlass genommen hat, dem Begriff „Schlaubetal“ die Namensfunktion abzusprechen (a.a.O.).
So ist es hier nicht. Hier klagt kein „Amt“ (i.S. von § 1 Abs. 1 AmtsO BB), sondern eine Gebietskörperschaft, nämlich ein Staat als völkerrechtlich anerkanntes Rechtssubjekt Es mag im Land Brandenburg so sein, dass dort unter „Schlaubetal“ gemeinhin eine dortige Region (Naturpark von 227 qkm) verstanden wird und kein „Amt “ i.S. von § 1 Abs. 1 AmtsO BB mit diesbezüglicher Bezeichnung. Anders verhält es sich aber mit dem Begriff „Aserbaidschan“ im inländischen Sprachgebrauch. Damit wird (und wurde auch schon 2003) gerade keine Region, sondern ein bestimmter Staat, nämlich die Klägerin verstanden, nicht dagegen eine sich davon unterscheidende weitere Region im Nordwesten Irans (was der Senat [Einzelrichter] wiederum alles kraft eigenen Erfahrungswissens so beurteilen kann [vgl. BGH GRUR 2012, 1053, Rn. 22 – Marktführer Sport] und beurteilt).
Entgegen der Annahme der Berufung handelt es also (auch unter diesem Gesichtspunkt) bei der Bezeichnung „Aserbaidschan“ nicht etwa um ein Wort des allgemeinen Sprachgebrauchs oder eine Gattungsbezeichnung ohne originäre Unterscheidungskraft [vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 15.01.2013 – 11 U 106/12 (Kart), S. 6 = Bd. II Bl. 28 d.A.].
b) Der Beklagte benutzte den Namen „Aserbaidschan“ im Sinne des § 12 BGB (schon dadurch), dass er die Domain aserbaidschan.de registriert hat (sie überdies registriert hielt und unter dieser Domain im Wege der Weiterleitung Inhalte ins Netz stellte). Ein Name wird im Sinne des § 12 BGB gebraucht, wenn durch seine Benutzung eine erkennbare Beziehung zu dem Namensträger hergestellt wird (Senat, Urt. v. 15.03.2013 – 5 U 41/12, S. 7 – berlin.com). Das ist hier der Fall. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auch der Auffassung der Berufung entgegenzutreten, der Beklagte verwende den Bestandteil „aserbaidschan“ der Domain nicht als Namen, sondern als Ortsbezeichnung mit lediglich beschreibendem Charakter.
Wird ein fremder Name – auch der Name einer Gebietskörperschaft – als Internetadresse benutzt, werden die Voraussetzungen einer unberechtigten Namensanmaßung in ständiger – auch aktueller – höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig bejaht (vgl. z.B. BGH GRUR 2007, 259, Rn. 14 – solingen.info), und zwar auch schon im Fall der bloßen Registrierung (vgl. BGH GRUR 2012, 651, Rn. 19 – regierung-oberfranken.de; BGH GRUR 2012, 304, Rn. 29 – Basler Haar-Kosmetik; BGH GRUR 2013, 294, Rn. 14 – dlg.de). Mit Blick auf die vorstehend zitierten aktuellen Judikate zielt die Auffassung der Berufung ins Leere, angesichts eines seit 2001 veränderten Nutzerverhaltens bei der Internetrecherche sei die aus jener Zeit herrührende Rechtsprechung (vgl. BGHZ 149, 191, 198 – shell.de) überholt. Ein diesbezüglicher Paradigmenwechsel wäre auch nach Auffassung des Senats (Einzelrichter) in der Tat nicht angebracht. Selbst wenn in vielen – keineswegs allen oder fast allen – Fällen Internetinhalte nicht über die Eingabe naheliegender Internetadressen in die Browserzeile sondern über Suchmaschinen angesteuert werden (was moderne Browser ohnehin technisch kombinieren, worauf die Berufungserwiderung mit Recht hinweist), so werden die Domains – wenn diese nicht ohnehin auch einen Faktor darstellen, um die Reihenfolge in der Trefferliste („Suchmaschinenranking“) zu beeinflussen – in der Trefferliste jedenfalls der populärsten Suchmaschine (Google) mit angegeben und sind damit geeignet, neben den „Snippet-Texten“ das Auswahlverhalten des Suchenden bei Betrachtung der Trefferliste ebenfalls zu beeinflussen. Nach allem sieht der Senat (Einzelrichter) genauso wenig einen Anlass, von besagter ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aktuell abzukehren, wie jener offenbar selbst.
c) Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte den Namen „Aserbaidschan“ unbefugt gebraucht hat. Denn ihm stehen keine eigenen Rechte an dem Namen zu und er kann sich auch nicht auf die Rechte eines Dritten berufen (vgl. Senat, Urt. v. 15.03.2013 – 5 U 41/12, S. 8 – berlin.com – m.w.N.). Insbesondere wurde weder durch die Registrierung noch durch die (wenn möglicherweise auch jahrelange) Benutzung der Domain „aserbaidschan.de“ (bspw. zur Weiterleitung auf einen Internetauftritt der von ihm gehaltenen P… GmbH, welcher freilich keinen erkennbaren inhaltlichen Bezug zu Aserbaidschan aufweist; insbesondere zwar ein Angebot von Reisen, nicht aber von Reisen nach Aserbaidschan enthält) ein entsprechendes anderweitiges Recht erworben (vgl. Senat a.a.O. – berlin.com – S. 8 f., m.w.N.).
d) Der unbefugte Namensgebrauch hat ferner – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – zu einer Zuordnungsverwirrung und zu einer Verletzung schutzwürdiger Interessen der Klägerin geführt.
aa) Verwendet ein Dritter einen fremden Namen namensmäßig im Rahmen einer Internetadresse, tritt eine Zuordnungsverwirrung ein, weil der Verkehr in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen, nicht sogleich als Gattungsbegriff verstandenen Zeichens als Internetadresse einen Hinweis auf den Namen des Betreibers des jeweiligen Internetauftritts sieht. Wird der eigene Name durch einen Nichtberechtigten als Domain unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain „.de” registriert, wird dadurch über die Zuordnungsverwirrung hinaus ein besonders schutzwürdiges Interesse des Namensträgers beeinträchtigt, da die mit dieser Bezeichnung gebildete Internet-Adresse nur einmal vergeben werden kann (BGH GRUR 2012, 304, Rn. 39 – Basler Haar-Kosmetik).
bb) Die von der Verwendung der Second-Level-Domain „aserbaidschan“ ausgehende Zuordnungsverwirrung und Verletzung schutzwürdiger Interessen der Klägerin besteht auch bei einer Kombination mit der Top-Level-Domain „.de“, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat. Ein berechtigtes Interesse zur Verwendung der Top-Level-Domain „.de“ kann auch bei einer ausländischen Person bestehen, die etwa unter dieser Domain deutschsprachige Inhalte zugänglich machen möchte (so für ein ausländisches Unternehmen BGH GRUR 2013, 294, Rn. 17 – dlg.de).
Daher hält die Berufung Vorstehendem auch vergeblich entgegen, der deutsche Internetnutzer erwarte hinter einer „.de-Domain“ ein in Deutschland seine Dienste erbringendes Unternehmen, jedoch im Regelfall nicht einen anderen Staat als Inhaber einer solchen Domain.
Der Internetnutzer orientiert sich bei der Zuordnung der Domain zu einem Namensträger primär an der Second-Level-Domain, hier „aserbaidschan“ (vgl. BGH GRUR 2007, 259, Rn. 18 – solingen.info). Ein demgegenüber insoweit möglicherweise ausgemachter „Widerspruch“ zwischen Top- und Second-Level-Domain besteht jedenfalls für die hier in Rede stehende Kombination des Staatsnamens X als Second-Level-Domain mit der auf einen anderen Staat Y hinweisenden Top-Level-Domain auch nicht. Letztere weist nämlich den Betrachter nicht etwa auf die Nationalität des Domaininhabers, sondern auf das Land der Registrierung hin. Demzufolge lässt „aserbaidschan.de“ meinen, dass sich die Klägerin diese Domain bei der deutschen Domainvergabestelle habe registrieren lassen (so schon Senat MMR 2007, 600 f. – tschechische-republik.at/.ch/.com). Diese Sichtweise steht, wie der Senat bereits früher ausgeführt hat und worauf er verweist, nicht in Widerspruch zu (ohnehin insoweit nicht tragenden) Ausführungen in BGH GRUR 2007, 259 – solingen.info – und der dortigen Vorinstanz OLG Düsseldorf GRUR 2007, 259, mit Blick auf eine (dort als solche gar nicht streitgegenständliche) Domain „karlsruhe.at“ [vgl. Senat, Beschl. v. 29.05.2007 – 5 U 153/06 – juris Rn. 7, 8, 26 (insoweit nicht vollständig abgedruckt in MMR 2007, 600 f. – tschechische-republik.at/.ch/.com)]. Die vorstehenden Feststellungen zu einer Zuordnungsverwirrung durch die Verbindung des Namens einer Gebietskörperschaft mit der Top-Level-Domain „.de“ kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde treffen (vgl. auch BGH GRUR 2007, 259, Rn. 20 – solingen.info).
cc) Zwar mag hier eine Verwirrung über die Identität des Betreibers für sich genommen nicht besonders schwer gewirkt haben, sofern man davon ausgeht, dass diese durch die sich – nach Weiterleitung – öffnende Internetseite rasch wieder beseitigt worden ist. Aber auch eine geringe Zuordnungsverwirrung reicht für die Namensanmaßung aus, wenn dadurch – wie hier – das berechtigte Interesse des Namensträgers in besonderem Maße beeinträchtigt wird (BGHZ 155, 273, 276 – maxem.de).
dd) Mit Recht hat das Landgericht in diesem Zusammenhang dem Vorbringen des Beklagten zu existierenden Domains in der Kombination „X.de“ (wobei X für eine Staatsbezeichnung steht), welche nicht vom Staat „X“ sondern von Dritten geführt werden (vgl. Anlage B 11), mit dem Argument keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, dass dies an dem Tatbestand einer Namensverletzung – eben auch in allen diesen Fällen – nichts ändert (vgl. auch schon Senat MMR 2007, 600 f. – tschechische-republik.at/.ch/.com) und dass es Sache der jeweiligen Staaten ist, hiergegen vorzugehen oder aber eben – aus welchen Gründen auch immer – auch nicht.
Die Existenz solcher Domains – mögen es auch sehr viele sein – belegt nicht ein entsprechendes Verkehrsverständnis, denn ob diese überhaupt ernsthaft betrieben werden und in nennenswertem Umfang vom Verkehr aufgesucht und wahrgenommen werden, steht nicht fest. Belegt ist somit entgegen der Auffassung der Berufung keine Verkehrsübung, sondern allenfalls ein mannigfaltiger (wenn auch bislang unverfolgt gebliebener) Rechtsbruch.
Auch der von der Berufung in diesem Zusammenhang ins Spiel gebrachte Aspekt einer „gespaltenen Verkehrsauffassung“ [vgl. dazu BGH GRUR 2004, 947 – Gazoz (berichtigter Leitsatz in GRUR 2005 60); BGH GRUR 2013, 631 – AMARULA/Marulablu] ändert an Vorstehendem nichts. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Annahme einer gespaltenen Verkehrsauffassung mit dem Begriff der Verwechslungsgefahr als Rechtsbegriff (und für den Rechtsbegriff der Zuordnungsverwirrung gilt insoweit nichts anderes) nicht zu vereinbaren. Eine andere Beurteilung ist nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn von den sich gegenüberstehenden Zeichen verschiedene Verkehrskreise angesprochen sind, die sich – wie etwa der allgemeine Verkehr und Fachkreise oder unterschiedliche Sprachkreise – objektiv voneinander abgrenzen lassen. Nur in einem solchen – hier aber nicht vorliegenden – Fall reicht es für die Bejahung eines Verletzungstatbestands aus, wenn Verwechslungsgefahr (bzw. hier: Zuordnungsverwirrung) bei einem der angesprochenen Verkehrskreise besteht (vgl. BGH GRUR 2013, 631, Rn. 64 – AMARULA/Marulablu).
e) Im Rahmen der bei Namensrechtsverletzungen gebotenen Interessenabwägung kann der Nichtberechtigte sich in der Regel nicht auf schützenswerte Belange berufen, die zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären (vgl. BGH GRUR 2008, 1099, Rn. 27 – afilias.de). Dies gilt auch hier, zumal der unter aserbaidschan.de (per Weiterleitung vormals) erreichte Internetauftritt mit Aserbaidschan überhaupt nichts zu tun hatte, wurden dort zwar Reisen, aber keine solchen nach Aserbaidschan angeboten. Dass die Domain bereits seit 2003 registriert, aber erst 2011 von der Klägerin beanstandet worden ist, führt – entgegen ausführlichem mündlichen Berufungsvorbringen in der Verhandlung – zu keinem anderen Ergebnis. Bereits die Registrierung war ein Namensrechtsbruch. Die Perpetuierung dieses Rechtsbruchs kann ihn nicht zugleich entfallen lassen. Im Übrigen ist ein irgendwie geartetes sachliches Interesse des Beklagten an der Nutzung gerade der Domain „aserbaidschan.de“ auch weder ersichtlich noch vorgetragen, und zwar auch nicht ein solches, zwischen 2003 und 2011 entstandenes. Wie ausgeführt stand die seitens des Beklagten erfolgte Domain-Nutzung niemals in einem irgendwie gearteten Sachzusammenhang zu Aserbaidschan (und zwar weder zum Staat Aserbaidschan noch zu der von der Berufung hier zusätzlich ins Spiel gebrachten Region Aserbaidschan im Nordwesten Irans).
f) Vom (Fort-) Bestand einer Wiederholungsgefahr (i.S. von § 12 Satz 2 BGB) ist auszugehen. Der diesbezüglich – kraft Verletzungshandlung und fehlender strafbewehrter Unterlassungserklärung – bestehenden Vermutung steht nicht entgegen, dass die DENIC das bezüglich der streitgegenständlichen Domain mit dem Beklagten eingegangene Vertragsverhältnis außerordentlich gekündigt und die Domain insoweit gelöscht hat und dass die Klägerin aufgrund eines zu ihren Gunsten eingetragenen „Disputes“ als eingetragene Domaininhaberin nachgerückt ist.
Denn der Beklagte behält sich vor, gegenüber der Denic diesen aktuellen Zustand – nach insoweit verlorenem Eilverfahren weiterhin – rechtlich zu bekämpfen, so dass es – auch je nach künftigem Verhalten der DENIC – nicht schlechterdings ausgeschlossen erscheint, dass der Beklagte ohne Unterlassungsverurteilung künftig wieder ungehindert in der Lage wäre, die streitgegenständliche Domain auf sich zu registrieren.
Dessen ungeachtet entfällt die Wiederholungsgefahr selbst dann nicht, wenn der Verletzer eine angegriffene Domain – wie hier nicht einmal – aufgibt (OLG Karlsruhe AfP 1999, 378, 379 – badwildbad.com) oder dem Verletzten anbietet (OLG München GRUR 2000, 519 – rollsroyce.de). Auch entfällt die Wiederholungsgefahr nicht einmal dann ohne Weiteres, wenn die Domain – wie im Streitfalle – durch den Berechtigten selbst übernommen wird, und zwar schon deshalb nicht, weil eine Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungshandlung, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen begründet (BGH GRUR 2009, 772, Rn. 29 – Augsburger Puppenkiste), sodass es hier auch eine Neuregistrierung der Domain in nur unwesentlich abgewandelter Schreibweise durch den Beklagten zu verhindern gilt (vgl. auch Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., Vor §§ 14-19d Rn. 88).
2. Aus allem Vorstehenden folgt zugleich, dass das Landgericht den Beklagten auch zu Recht zur Freigabe der streitgegenständlichen Domain im Wege einer gegenüber der DENIC abzugebenden diesbezüglichen Verzichtserklärung verurteilt hat.
a) Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis lässt sich einer solchen Klage nicht mit Erfolg entgegen halten, auch wenn die DENIC dem Beklagten besagte Domain mittlerweile („zugunsten“ der Klägerin) „entzogen“ hat. Denn nur durch eine solche Verzichtserklärung lässt es sich aus Sicht der Klägerin (nach Maßgabe des § 894 Satz 1 ZPO) sicherstellen, das es bei dem derzeit bestehenden Rechtszustand (rechtsverbindlich für den Beklagten auch im Verhältnis zur DENIC) verbleibt und nicht vom Beklagten (beispielsweise durch Erhebung einer Hauptsachenklage gegen die DENIC) mit Erfolg wiederum in Frage gestellt werden kann. Auch in diesem Zusammenhang ist in Rechnung zu stellen, dass der Beklagte die ihm gegenüber seitens der DENIC erfolgte Kündigung nicht hinnimmt und eine Hauptsachenklage gegen die DENIC lediglich „bisher“ nicht erhoben hat (Sitzungsprotokoll v. 07.06.2013, Bd. II Bl. 56 d.A.).
b) Der Freigabeanspruch folgt – wie der Unterlassungsanspruch (siehe oben) – aus § 12 BGB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor (siehe oben). Die insoweit begehrte Rechtsfolge ergibt sich zugunsten der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Störungsbeseitigung (vgl. nur BGH GRUR 2012, 30, Rn. 29 – Basler Haar-Kosmetik). Der Freigabeanspruch ist noch nicht erfüllt. Dem Beklagten ist die Domain „entzogen“ worden, was er für rechtswidrig hält. Freigegeben hat er die Domain (bislang) nicht und auch nicht darauf verzichtet. Deshalb hat ihn das Landgericht mit Recht dahin gehend verurteilt.
3. Mit Recht hat das Landgericht der Widerklage den Erfolg insgesamt versagt, weil sie unbegründet ist. Dem Beklagten stehen die dort haupt- und hilfsweise geltend gemachten Ansprüche allesamt nicht zu, weil die Klägerin ihm gegenüber – wie aus den Ausführungen zur Klage folgt – hinsichtlich des insoweit allein in Rede stehenden Anspruchs aus § 12 BGB die in jeder Hinsicht „besseren“ Rechte zustehen. Auf die Frage, ob die in Rede stehende, von der DENIC gegenüber dem Beklagten ausgesprochene Kündigung rechtswirksam ist, kommt es im hier alleine in Rede stehenden Verhältnis des Beklagten zur Klägerin nicht an. Selbst wenn die Kündigung – aus welchem Grund auch immer – unwirksam sein sollte, kann der Beklagte gegenüber der Klägerin daraus keine Rechte herleiten.“
Der Bundestag hat jetzt das neue Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet, das überhöhte Abmahngebühren zurückdrängen soll. Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats und ist noch nicht in Kraft getreten. Es kann daher auch noch Änderungen geben. Der geplante Gesetzestext lautet:
„§ 97 a UrhG (neue Fassung)
(1) Der Verletzte soll den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.
(2) Die Abmahnung hat in klarer und verständlicher Weise:
– Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
– die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
– geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz-und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln
– und wenn darin eine Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Eine Abmahnung, die nicht Satz 1 entspricht, ist unwirksam.
(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Nummern 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000.- Euro, wenn der Abgemahnte
– eine natürliche Person ist,
– die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
– nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.
(4) Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war. Weiter gehende Ersatzansprüche bleiben unberührt.
§ 104 a UrhG (neue Fassung)
(1) Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wenn die beklagte Person im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
(2) § 105 bleibt unberührt.“
Die geplanten Änderungen treten am Tag nach der Verkündung des neuen Gesetzes in Kraft. Eine Rückwirkung der Regelung auf bereits ausgesprochene Abmahnungen ist nicht vorgesehen. Die reinen Abmahnkosten werden damit für die erste Abmahnung gedeckelt.Daneben können aber auch künftig andere Gebühren und Schadensersatz geltend gemacht werden. Ausserdem kann der zu Unrecht abgemahnte nun Ersatz der ihm aus der Abmahnung entstehenden Kosten verlangen.
Hat ein Gläubiger eine Leistung erhalten, nachdem er einen Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners gestellt oder damit gedroht hat, stellt diese Leistung nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 18.12.2003, Az. IX ZR 199/02) eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 InsO dar. § 131 setzt voraus, dass der Gläubiger eine Leistung erhält, die er „nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte“. Ursprünglich heißt das, dass der Gläubiger beispielsweise sein Geld vor der Fälligkeit erhält oder anstatt des geschuldeten Geldes Waren o.ä. In jedem Fall erhält der Glaeubiger etwas anderes als das, was geschuldet wurde und deswegen ist die Leistung („Deckung“) inkongruent. Die Einordnung einer Zahlung unter der Drohung des Insolvenzantrages als inkongruente Deckung iSd § 131 InsO überrascht, weil der Gläubiger ja genau das erhält, was der Schuldner ihm schuldet.
Wie kommt der BGH nun zu dieser systemwidrigen Interpretation des Begriffes „inkongruente Deckung“. Der BGH führt aus (Urteil vom 18.12.2003, Az. IX ZR 199/02):
„Ein frühzeitig gestellter Insolvenzantrag entspricht den gesetzlichen Zielen der Gläubigergleichbehandlung und einer eventuellen Sanierung des Schuldners. Daher ist die Ankündigung als solche rechtlich nicht zu beanstanden. Daraus folgt jedoch nicht, daß auf einen Insolvenzantrag hin geleistete Zahlungen als kongruente Deckungen anzusehen sind. … Den mit einem frühzeitigen Insolvenzantrag verfolgten Zielen läuft es zuwider, den Antrag zur Durchsetzung von Ansprüchen eines einzelnen Gläubigers zu benutzen. Wer den Insolvenzantrag dazu mißbraucht, erhält eine Leistung, die ihm nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung auf diesem Wege nicht zukommen soll. Die so erlangte Deckung ist deshalb inkongruent.“
Zu den gewöhnlichen Kategorien der Inkongruenz (andere Leistung als geschuldet) kommt jetzt die zwar kongruent aber nicht auf richtigen Weg erbrachte Leistung.
Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2013 (Az. IX ZR 216/12) lag nun ein Fall zur Entscheidung vor, in dem der BGH die Grenze zwischen einer unbedenklichen Mahnung und einer die Inkongruenz begründenden Drohung mit einem Insolvenzantrag bestimmen konnte. Der vom Insolvenzverwalter verklagte Gläubiger ließ seinen gegen den Schuldner gerichteten Zahlungsanspruch durch einen Rechtsanwalt unter Fristsetzung anmahnen. Unglücklicherweise fügte der Rechtsanwalt folgende Formulierung an:
„Sollten Sie diese Frist verstreichen lassen, bin ich beauftragt, alle erforderlichen Maßnahmen einzuleiten, um die Forderung meines Mandanten durchzusetzen, d. h., wir werden ohne weitere Mahnung Klage erheben. Mein Mandant kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass … (die Schuldnerin) nicht in der Lage ist, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (wofür in der Tat einiges spricht). Sollte sich dieser Verdacht erhärten und wir keinen Zahlungseingang innerhalb der vorgegebenen Frist verzeichnen können, so behalten wir uns ausdrücklich vor, Insolvenzantrag zu stellen.“
Diese Textfassung enthaelt verschiedene Reaktionsmoeglichkkeiten, Klage und Insolvenzantrag. Der Insolvenzantrag ist nicht an erster Stelle genannt und auch nur vorbehalten. Ausserdem verhielt es sich offenbar so, dass auch andere Glaeubiger von der Schuldnerin bedient wurden, unabhaengig davon, ob diese anwaltlich vertreten waren, mit einem Insolvenzantrag drohten oder nicht, so dass kaum darauf geschlossen werden konnte, dass der Vorbehalt der Insolvenzantragstellung fuer die Zahlung ursaechlich gewesen ist.
Hierzu stellte der BGH fest, die erhaltene Zahlung sei nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Wer den Insolvenzantrag zur Durchsetzung von Ansprüchen eines einzelnen Gläubigers missbrauche, erhalte eine Leistung, die ihm nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung auf diesem Weg nicht zustehe. Die Leistung sei auch außerhalb des Dreimonatszeitraums der Deckungsanfechtung inkongruent.
Hinsichtlich der Formulierung sei es ausreichend, wenn der Schuldner zur Zeit der Leistung aus seiner – ebenfalls objektivierten – Sicht ernsthaft damit rechnen muss, der Gläubiger werde nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist Insolvenzantrag stellen. Hierfür genügt eine Formulierung, die dies zwar nicht ausdrücklich androht, ein derart geplantes Vorgehen aber „zwischen den Zeilen“ deutlich werden lässt.
Zur fehlenden Ursaechlichkeit des Vorbehalts der Insolvenzantragstellung fuehrt der BGH im wesentlichen aus: „Ob der von dem Beklagtenvertreter durch die „zwischen den Zeilen“ angekündigte Insolvenzantragstellung ausgeübte Druck bei der Schuldnerin im Einzelfall konkret den Entschluss hervorrief, die Leistung zu bewirken, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Es genügt, dass die Androhung objektiv hierzu geeignet war.“
Damit hat der BGH die Haftung ohne Ursachenzusammenhang etabliert – aehnlich der abstrakt gefaehrlichen Straftaten. Die Haftung entsteht bereits durch Verstoss gegen das vom BGH gesetzte Verhaltensgebot („Behalte keinen Insolvenzantrag vor“) ohne dass der Schaden dadurch verursacht worden sein muss.
Zum Sachverhalt
Nach diesen Klauseln gewähren Rechtsschutzversicherer ihren Versicherungsnehmern keinen Rechtsschutz „für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit der Anschaffung oder Veräußerung von Effekten (z. B. Anleihen, Aktien, Investmentanteilen) sowie der Beteiligung an Kapitalanlagemodellen, auf welche die Grundsätze der Prospekthaftung anwendbar sind (z. B. Abschreibungsgesellschaften, Immobilienfonds)“. Unter Berufung hierauf ist insbesondere zahlreichen Geschädigten der Lehman-Pleite der begehrte Deckungsschutz für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Papiere verweigert worden.
Die Entscheidung des BGH
Auf entsprechende Klagen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat der BGH nunmehr den auf Unterlassung in Anspruch genommenen Versicherern in zunächst zwei Verfahren untersagt, diese Klauseln zu verwenden oder sich auf sie zu berufen, und anders lautende Entscheidungen der Vorinstanz geändert. Er hat festgestellt, dass die vorgenannten Klauseln wegen mangelnder Transparenz gem. § 307 I 2 BGB unwirksam sind, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer ihnen nicht hinreichend klar entnehmen kann, welche Geschäfte von dem Ausschluss erfasst sein sollen. Hierfür kommt es nur auf dessen Verständnis nach dem allgemeinen Sprachgebrauch des täglichen Lebens an, weil es sich weder bei „Effekten“ noch bei „Grundsätzen der Prospekthaftung“ um fest umrissene Begriffe der Rechtssprache handelt.
BGH, Urt. v. 8. 5. 2013 – IV ZR 84/12